Aelia, die Kämpferin. Marion Johanning

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Aelia, die Kämpferin - Marion Johanning

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Rest des Tages in der Kammer, um ihre Wunden zu kühlen. Sie drehte sich mit dem Gesicht zur Wand, um das leere Bett nicht zu sehen.

      Am Abend kam Lucilla zu ihr in die Kammer und legte sich wortlos in Eghilds Bett. Aelia sagte nichts.

      Kapitel 4

      In der Nacht der Wintersonnenwende setzte Tauwetter ein. Es begann zu regnen, und der Regen verwandelte den Schnee in Matsch. Tiefe Spurrillen, in denen das Mondlicht glitzerte, zogen sich über die Via Fori, über die der Wagen fuhr.

      Es war still in der Stadt. Nur hin und wieder rumpelte ein Karren durch den feuchten Schnee, knirschten Schritte, redeten leise Stimmen. Zur Feier der Christusgeburt hatte der Bischof eine Predigt gehalten, das Wort Gottes verkündet und Brot an die Armen verteilen lassen. Danach hatte man sich in die Häuser begeben, um die Heilige Nacht in Ruhe zu verbringen, wie der Präfekt es angeordnet hatte. Alle Tavernen und Wirtshäuser waren geschlossen, weil man nicht wollte, dass der Pöbel heimlich heidnische Feste feierte, die der Kaiser verboten hatte. Schließlich war das Reich schon seit über hundert Jahren christlich. Dennoch war in einigen Häusern noch gefeiert worden, war in manchem Hinterhof aus alter Tradition dem Sonnengott Sol Invictus heimlich ein Opfer dargebracht worden, bis auch diese Stimmen in der längsten Nacht des Jahres verklangen und die Stadt in Stille versank. Aber sie schlief nicht. Ihrer früheren Feiern beraubt, wachte sie still und wartete auf den Morgen.

      Aelia drückte ihr Gesicht an die Öffnung in der Wagentür. Es war schon sehr spät, und sie hatte den ganzen Tag in gespannter Unruhe verbracht. Voller Ungeduld hatte sie stundenlang gewartet, bis Marcellus ihnen endlich seinen Wagen geschickt hatte. Erstaunt stellte sie fest, dass sie die Via Fori stadtauswärts fuhren. Sie hatte geglaubt, das Gastmahl würde in Marcellus’ Villa im Palastviertel stattfinden, doch sie fuhren an der Bischofskirche und am Forum vorbei in die Via Valentinian, die hinunter zum Hafen führte. Danach bogen sie in eine kleine Seitenstraße ab und hielten dort an.

      Erleichtert folgte Aelia Sarus aus dem Wagen – von dem Geschaukel war ihr ganz schlecht geworden.

      Vor ihnen erstreckten sich die Mauern des alten Badepalastes, dessen gewaltige Umrisse dunkel in die Höhe aufragten. Vor einem Tor brannten zwei Fackeln, und in ihrem Licht sah Aelia mehrere Wagen warten. Was hatte das zu bedeuten? Das Gastmahl konnte doch nicht hier, in den alten Thermen, stattfinden! Das Gebäude stand schon seit Jahren leer, seitdem die Barbaren es zerstört hatten und die Wasserleitungen, die in die Stadt führten, verfielen.

      Aelia fröstelte. Sie zog den Wollumhang, den sie über ihrem seidenen Gewand trug, enger und stülpte sich die Kapuze über. Sie trug dieses Mal keine Perücke, weil sie in dem Schaukampf einen männlichen Kämpfer darstellen sollte. Ein Soldat kam, streifte sie mit einem kurzen Blick, nickte Sarus zu und führte sie durch eine kleine Seitentür neben dem Eingangstor in die Thermen. Aelia heftete sich wortlos an den Saum von Sarus’ Mantel, der vor ihr wallte.

      Sie staunte über die Größe der Halle, die sie durchschritten. Fackelschein beleuchtete eine alte, noch gut erhaltene Holzdecke über weiß verputzten Wänden, die mit Zeichnungen und Buchstaben beschmiert waren. Aelia sah Worte, die sie nicht lesen konnte, obszöne Malereien und die Zeichnung eines Mannes, der einen Stier tötete.

      Kalt war es in den jahrhundertealten Mauern, durch deren Ritzen und fensterlose Öffnungen, auch wenn man sie mit Brettern vernagelt hatte, Stürme und Regen gedrungen waren. Es roch nach Moder und Vogelkot. Von irgendwoher kam ihnen aber auch Wärme entgegen, die Wärme vieler Menschen, und ein leichter Parfümgeruch. Aelia hörte Stimmen, die immer lauter wurden, je weiter sie kamen. Schließlich erreichten sie einen großen Saal, an dessen Eingang sie einen Augenblick stehen blieben. Zahlreiche Fackeln warfen ihr Licht auf die Menschen, die sich in der Mitte des Saales versammelt hatten.

      Aelia sah mit Pelz besetzte Wollmäntel, Seidentuniken, Juwelenohrgehänge unter Fellkappen, und zwischen den edlen Stoffen das Rot einiger Offiziersmäntel. Die Menschen wirkten geradezu winzig neben den hoch aufragenden marmornen Säulen, die den mächtigen Saal trugen. Der schwarz-weiß gewürfelte Fußboden erinnerte Aelia an Dardanus’ Eingangshalle, doch dieser hier war aus reinem Marmor und viel wertvoller, ebenso die Säulen. Ganz oben im Mauerwerk lagen mit Brettern zugenagelte Fenster. Aelia staunte noch über den gewaltigen Saal, als Dardanus sich aus der Menschentraube löste und auf sie zukam, gefolgt von Marcellus und einem Offizier. Er hatte auf seinen üblichen Kaninchenfellmantel verzichtet und trug einen mit Pelz besetzten Wollmantel, unter dem ein goldener Dolchgriff hervorlugte.

      Seine Wangen leuchteten rot vom Wein.

      »Mein guter Sarus, willkommen im alten Frigidarium!«, rief er, warf einen Blick auf Aelia und nickte zufrieden. »Sieht sie nicht gut aus? Was meinst du, Marcellus?«

      Er wandte sich an den jungen Mann neben ihm. Marcellus musterte Aelia mit einem abschätzenden Blick. Er hatte eine schmächtige Statur, trug Stiefel aus feinem Leder und einen Pelzmantel. Hellbraunes Haar umlockte sein schmales, fast fraulich wirkendes Gesicht.

      »Mein Lieber, sie ist noch hübscher geworden«, lobte er. »Verzauberst du deine Mädchen?«

      Dardanus lächelte geschmeichelt. »Gute Kost und Zuwendung machen viel aus, vortrefflicher Marcellus. Meine Köchin und Sarus sind wie Mutter und Vater zu ihnen.«

      »Ah ja?« Marcellus betrachtete Sarus, der steif neben Aelia ausharrte. »Ich habe anderes gehört über ehemalige Soldaten, mein Lieber. Den meisten machen sie Angst.«

      »Gewiss, Vortrefflicher«, lächelte Dardanus, »aber mit ihm hatte ich Glück.«

      Marcellus’ abschätzender Blick lag immer noch auf Sarus. »Vielleicht nehme ich ihn eines Tages in meine Dienste.«

      Dardanus lachte ein gekünsteltes Lachen; er hielt es für klüger, das für einen Scherz zu halten. »Oh nein, er ist mir treu ergeben.«

      Marcellus winkte ab. »Nun, es ist oftmals alles nur eine Frage des Geldes, wie du weißt.« Er warf Dardanus einen vielsagenden Blick zu und wandte sich an den Offizier. »Mein lieber Tertinius, was hältst du von unserer Kämpferin?«

      Der Offizier kniff die Augen zusammen und musterte Aelia. Er war schon älter, mit weißen Haaren und hellen Augen, die aus einem rötlichen Gesicht herausstachen. »Ich beurteile Kämpfer erst nach der Schlacht«, sagte er.

      Aelia fühlte sich sehr unbehaglich unter seinem aufmerksamen Blick. Immerhin redete er nicht so falsch wie Marcellus, der ihr Aussehen lobte, obwohl er schwerlich etwas von ihr unter dem Umhang und der Kapuze, die sie trug, erkennen konnte. Aber etwas stimmte nicht. Es waren zu viele Menschen da. Und warum fand das Gastmahl nicht wie üblich in Marcellusʼ Villa statt sondern hier, mitten in der Nacht, an diesem ungewöhnlichen Ort? Das konnte nur einen Grund haben, stellte Aelia fest, während ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief, es würde tatsächlich wieder einen echten Kampf geben.

      Sie folgte Dardanus und Marcellus tiefer in den Saal zu den anderen. Sarus heftete sich an ihre Seite und ließ sie nicht aus den Augen. Unauffällig sah sie sich um. An den Wänden des Saales prangten geometrische Muster mit marmornen Intarsien, die allerdings an vielen Stellen Löcher aufwiesen, als hätte jemand versucht, sie herauszuhacken. Am Kopfende und an beiden Längsseiten des Saals lagen Wasserbecken, die in den Boden eingelassen waren.

      Aelia zog ihren Mantel enger um sich, als sie Dardanus, Marcellus und dem Offizier folgte. Man starrte sie mit unverhohlener Neugierde an, manche machten rasch ein verstohlenes Zeichen vor der Brust, als sei sie ein Dämon.

      Sarus fasste sie am Arm und zog sie weiter. Ihr Unbehagen stieg. Am Rand der Menge sah sie bewaffnete Soldaten – gut ausgerüstete Männer mit

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