Aelia, die Kämpferin. Marion Johanning
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Читать онлайн книгу Aelia, die Kämpferin - Marion Johanning страница 13
Im Frigidarium war es jetzt still geworden. Hin und wieder hörte man Fußscharren, ein Husten, ein vereinzeltes Tuscheln – man wartete darauf, dass der Kampf begann.
Die Gestalt ihr gegenüber regte sich. Langsam hob sie die Hand und schob die Kapuze ihres Mantels zurück. Aelia erstarrte. Auf der anderen Seite des Beckens, nur ein paar Schritte entfernt, wartete Eghild. Sie war blass und mager, ihre Augen lagen in tiefen Höhlen. Sie trug helle Beinkleider und einen Brustschutz aus hellem Leder, über dem ihr kahler Schädel schimmerte. Mit ausdrucksloser Miene musterte sie Aelia, als sähe sie sie zum ersten Mal. Mit ihrer freien Hand löste sie die Spange ihres Mantels und warf ihn über den Beckenrand in die Menge der Zuschauer. Jemand fing ihn auf. Die Flamme der Fackel zuckte auf, ein Raunen wogte durch die Gäste. »Hoch lebe Sol Invictus!«, rief jemand, und ein anderer brüllte: »Sieg für den Tag!«
Die Zuschauer jubelten. Eghild winkte ihnen mit der freien Hand und lächelte. Sie ist der Tag, schoss es Aelia durch den Kopf. Ihr helles Gewand, das glänzende Schwert – ja, sie würde eine strahlende Siegerin sein. Wie klug man alles eingefädelt hatte! In einem Winkel ihres Hirns fragte sie sich, ob nicht sogar Dardanus dieses Schauspiel arrangiert hatte.
»Guten Abend, Eghild«, hörte sie sich sagen.
Eghild antwortete nicht. Stattdessen züngelte ihr Schwert plötzlich vor und krachte gegen Aelias Schild, den diese gerade noch rechtzeitig hatte heben können.
»Aaaaahh!«, machte die Menge.
Aelias Herz pochte so rasch und heftig, dass sie es in dem Arm spürte, der den Schild hielt. Das war typisch für Eghild: harmlos wirken und zurückhaltend bleiben, um die Gegnerin mit einem Vorstoß zu überraschen. Immer wieder fuhr ihr Schwert nach vorn, stieß nach Aelia, der es gelang, die Hiebe mit dem Schild abzuwehren. Verzweifelt umklammerte ihre Hand den Schild. Eghild hingegen trug die Waffe, die sie offenbar beherrschte wie keine sonst. Sie schien gut auf den Kampf vorbereitet worden zu sein.
»Wo warst du?«, keuchte Aelia, während sie Eghild umtanzte wie ein gescheuchtes Tier.
»Marcellus mich kaufen. Sie alle auf mich wetten«, zischte Eghild. »Du sterben, denn ich bin der Tag!«
Das Publikum begann, Eghild anzufeuern.
Sie lieben mich nicht, dachte Aelia. Kein Wunder, ich bin die Nacht. Ich muss sterben. Kälte fuhr in ihr seidenes Gewand, schnitt in ihre Haut. Leb wohl, Dardanus. Ich werde sterben wie Verina, und du hast es gewusst. Das Fackellicht zuckte über den löchrigen Fliesenboden des Wasserbeckens.
Eghild lächelte. Mit einer raschen Bewegung fuhr sie nach vorn und stieß ihr Schwert nach Aelia. Diese konnte gerade noch der Klinge ausweichen, die ihr sonst in den Hals gefahren wäre und zu einem schnellen, für alle Anwesenden unbefriedigenden Ende des Kampfes geführt hätte.
»Hooooohhh!«, riefen die Zuschauer, während Aelia nach Halt suchte.
Eghilds Lächeln war falsch. Eine Finte, um sie zu täuschen, eine geschickte Ablenkung. Alles war ein abgesprochenes Spiel. Eghild war darauf vorbereitet worden, Aelia in einem nicht zu kurzen Kampf zu besiegen, einem Kampf, in dem Aelia sich, wie man vermutete, heftig und lange wehrte, um dann in fortgeschrittener Ermüdung besiegt zu werden. Sie hatte es immer geahnt – Eghild war eine Schwertkämpferin, und Dardanus und Sarus hatten es gewusst. Wut schlug hoch in Aelia, die Wut darüber, verraten worden zu sein. Verraten von Marcellus, der Eghild gekauft hatte, von Dardanus und Sarus.
Sie umklammerte den glatten Griff des Messers. Bisher hatte sie keinen Gebrauch davon machen wollen, denn sie wollte Eghild nicht töten. Aber nun war sie sich sicher, dass Eghild sie töten würde. Sie musste vorsichtig sein, denn sie hatte keine Zeit, zu zielen, weil Eghild sofort jede Bewegung bemerken würde. Rasch formte sich in ihr ein Plan. Sie musste sie ablenken und sie musste schnell sein, dann könnte es gelingen. Sie duckte sich, machte mit ihrem Schildarm eine rasche Bewegung, die Eghild verwirren sollte, zielte mit der anderen Hand.
Aber Eghild durchschaute Aelias Plan und hob ihr Schwert. Das Messer flog, überschlug sich, klirrte gegen die Schwertklinge und schepperte über den Steinfußboden, bis es in einer Ecke liegen blieb. Als Aelia die silberne Klinge über den Marmor rutschen sah, begriff sie, dass sie ihre vielleicht einzige Möglichkeit, Eghild zu töten, vergeben hatte. Schon prasselten Eghilds zornige Hiebe auf sie nieder. Die Zuschauer klatschten, immer mehr feuerten Eghild an. Sie schlagen sich auf die Seite der Siegerin, dachte Aelia. Leb wohl, Nacht.
Ihr Kopf war eine heiße Kugel, in der es im Rhythmus ihres raschen Herzschlages pochte. Sie hörte die Zuschauer Eghild anfeuern, während sie selbst gejagt wurde wie ein Tier. Aelia zwang sich zur Ruhe und rief sich in Erinnerung, wie sie die andere immer besiegt hatte – im Faustkampf, als beide unbewaffnet waren.
Eghilds Schwert fuhr zischend durch die Luft, die scharfe Klinge schnitt in Aelias Oberarm. Aelia schrie auf. Ein Raunen durchwogte die Zuschauer. Jemand rief: »Weiter so!«, und viele begannen, rhythmisch auf den Boden zu stampfen und zu klatschen.
»Eghild! Eghild!«
Aelia fühlte, wie das warme Blut unter dem zerrissenen Stoff ihre Haut hinunterlief. Ein zweiter Hieb traf sie, diesmal an ihrem Schildarm. Das hat sie absichtlich gemacht, durchfuhr es Aelia. Sie will meine Deckung zerstören. Sie fragte sich, wie viele Hiebe sie noch aushalten könnte, bis sie die Kraft verlor.
»Eghild!«, zischte sie auf Fränkisch. »Töte mich schnell! Mach es kurz!«
In Eghilds vereister Miene bewegte sich etwas. Ein erstaunter Ausdruck flog darüber hin, sie hielt inne.
»Du sprichst Fränkisch? Das hast du mir nie gesagt!«
»Mein Vater war ein Franke.« Aelia schluckte, als müsste sie an ihren Worten ersticken. Ein erstauntes Gemurmel erhob sich, weil die Kämpferinnen plötzlich Worte in einer fremden Sprache miteinander wechselten. Eghild starrte Aelia unverwandt an. Schweiß glänzte auf ihrer weißen Stirn.
»Wo ist der Ring?«, spie sie hervor. »Sag mir, wo er ist, und ich lass’ dich leben.«
Schweigend umkreisten die beiden einander und ließen sich nicht aus den Augen.
Aelia überlegte. Konnte sie Eghild trauen? Nein, niemals. Sie würde sie töten, sobald sie wüsste, wo der Ring wäre. Man erwartete es von ihr.
»Ich habe ihn nicht!«
Ein paar Unmutspfiffe ertönten. Eghilds Miene erstarrte zu Eis.
»Du Lügnerin hast den Ring! Du hast ihn mir gestohlen!«
Sie hob ihr Schwert und ließ es durch die Luft zischen. Voller Wucht krachte es gegen Aelias Schild. Aelia merkte, wie ihr Arm müde wurde. Sie war es nicht gewohnt, mit einem schweren Schild zu kämpfen. Kein Gedanke wollte zu ihr kommen, kein Einfall, was sie noch tun könnte, um Eghild zu besiegen. Ihr Hirn stand still, ihre Sinne waren vollkommen damit beschäftigt, auf die nächste Regung ihrer Gegnerin zu achten. Eghild bestimmte den Kampf, und sie war entschlossen zum Sieg. Immer häufiger krachte ihr Schwert gegen Aelias Schild, lauerte sie auf eine offene Stelle in Aelias Deckung. Und sie bekam ihre Chance. Aelia strauchelte über eine unebene Stelle im Fußboden, als sie einen Hieb parierte, und prallte mit dem Rücken gegen den Beckenrand. Ehe sie sich aufrappeln konnte, war Eghild schon bei ihr. Aelia sah die Schwertspitze auf ihren Hals zuschießen und drehte sich blitzschnell weg.