Future History 2050. Thomas Harding
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Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ruhe — sagte ich zu mir selbst. Analytisch vorgehen! Vielleicht hatte jemand sich hier mit Science Fiction befasst und die Sache aus Versehen zurückgelassen. Doch wenn das der Fall gewesen wäre, wäre die Person bestimmt zum Archiv zurückgekehrt, um die wertvollen Dokumente wieder an sich zu nehmen.
Die andere Möglichkeit war, dass es sich um einen Witz handelte, und das war wahrscheinlicher. Ein Forscherkollege, der sich auf Kosten seiner Kollegen oder Kolleginnen einen Scherz erlaubt hatte. Aber das konnte ich schnell ausschließen. Denn würde jemand wirklich solch eine lange historische Darstellung aufschreiben, nur für einen Scherz? Immerhin handelte es sich, so meine Überschlagsrechnung, um mehr als zweihundert Seiten. Diese Hefte zu fälschen wäre eine gewaltige und äußerst schwierige Aufgabe gewesen. Und es wäre außerordentlich peinlich gewesen, wenn dies als Fälschung entdeckt worden wäre. Es gab also nur eine Möglichkeit. Dass sie echt waren.
Das war natürlich undenkbar. Absurd. Selbst wenn dies die wirkliche Geschichte war, die jemand in der Zukunft aufgeschrieben hat — wie sollte das Material dann zurück ins Jahr 2020 gelangt sein? Natürlich hatte ich schon von Zeitreisen gehört und Artikel gelesen über Wurmlöcher und Unregelmäßigkeiten im Raum-Zeit-Kontinuum. Aber das war doch eher Stoff für Romane und Filme. Gute Unterhaltung, aber Unsinn für einen Wissenschaftler wie mich.
Und doch. Was, wenn es tatsächlich echt wäre?
Ich sammelte alle anderen Dokumente ein, die ich vor mir hatte, steckte sie wieder in die Pappschachteln und schloss die Deckel. Ich hatte nichts weiter vor an diesem Tag. Ich würde diese Hefte lesen, und zwar sorgfältig.
Die Aufgabe, die ich mir stellte, war diese: Wenn ich noch bei der letzten Seite glauben würde, dass diese Artefakte — ich muss gestehen, dass ich den Heften bereits einen solchen respektvollen Namen gab — eher real als dies nicht waren, musste das für mich als Wissenschaftler bedeuten, dass die Hefte tatsächlich die Geschichte der Zukunft beinhalteten.
Ich schlug die erste Seite auf und begann zu lesen. Und zu meiner vollkommenen Überraschung — es war vielmehr ein regelrechter Schock — begann ich, je mehr ich las, alles umso glaubhafter zu finden. Bald schon bemerkte ich zahlreiche Lücken in dem Bericht.
Ganze Jahre waren ausgelassen.
Ich stellte weiterhin fest, dass die „Interviewerin“ und die „Historikerin“, wenn das die richtige Bezeichnung für beide ist, sich jeweils auf ein oder höchstens zwei Ereignisse in jedem Jahr konzentrierten. Hierfür gab es keine Erklärung.
Hier sind sie also. Ich gebe die Hefte so wieder, wie ich sie gefunden habe, außerdem verschiedene Artefakte, die zwischen den Seiten eingelegt waren. Die Texte beginnen mit einer Einleitung der „Interviewerin“. Ich habe keinen Versuch unternommen, den Text zu redigieren. Ich habe den Dokumenten nichts hinzugefügt und habe nichts gestrichen*. Ich glaube, es ist das Beste, wenn ich diesen bemerkenswerten Bericht mit all seinen Unvollkommenheiten und Leerstellen so der Öffentlichkeit zur Verfügung stelle, wie ich ihn entdeckt habe. Was seine Authentizität anbetrifft, überlasse ich das Urteil Ihnen, liebe Leserinnen und liebe Leser.
Thomas Harding
Januar 2020
* Zum besseren Verständnis habe ich ans Ende des Berichts ein kleines von mir zusammengestelltes Glossar angefügt
Über mich
Meine Großma Nancy sagt, jede Geschichtsdarstellung ist persönlich. Dem stimme ich zu. Geschichte ist etwas Reales, sie macht etwas mit den Menschen, und wenn man sorgfältig hinguckt, kann man ihre Spuren im Alltagsleben der Menschen verfolgen.
Natürlich ist es spannend zu lesen, wie und warum Kriege ausbrechen und enden, warum dieser König oder jene Königin ihren Thron verloren hat, wie ein großartiger Wissenschaftler eine großartige Maschine erfunden hat oder eine Künstlerin eine völlig neue Ausdrucksform. Für mich ist aber das Alltagsleben genauso interessant. Vielleicht sogar noch interessanter. Was haben die Menschen gegessen und getrunken? Was hatten sie an? Womit haben sie ihre Zeit verbracht? Worüber haben sie gesprochen? Vor wem oder was hatten sie Angst? Wen haben sie geliebt? Was hat sie veranlasst, morgens aufzustehen?
Und im Geist solch einer persönlichen Geschichtsschreibung … hier ein bisschen über mich:
Ich heiße Billy Schmidt. Ich bin vierzehn Jahre und elf Monate alt. Ich lebe mit meinen Eltern, meinen zwei älteren Schwestern und meiner Großma Nancy in London. Unsere Wohnung ist klein, aber groß genug für uns sechs. Wir leben mit 25 000 Nachbarn in einem City Tower. Hier gibt es auf kurze Entfernung alles Lebenswichtige: Läden, ein Fitnessstudio und einen Marktplatz. Alles wird zu hundert Prozent recycelt.
Und das ist mein typischer Tagesablauf: Ich wache morgens um neun Uhr von dem Geräusch von Cook930 auf, der das Frühstück zubereitet. Meistens esse ich etwas Obst (aus einem lokalen Super-Treibhaus) und einen Carb-Riegel (Reis oder Soja). Die Schule beginnt um zehn Uhr. Ich kann gar nicht glauben, dass meine Eltern um acht Uhr morgens oder noch früher zur Schule mussten. Mein Gehirn beginnt erst um zehn langsam zu funktionieren.
Das Mittagsessen zu Hause wird wieder von Cook930 zubereitet (Salat im Sommer, Suppe im Winter). Nach dem Mittagessen erledige ich meine Gemeindearbeit. Zur Zeit bedeutet das, dass ich Kindern unserer Grundschule Geschichten vorlese. Natürlich wird der meiste Unterricht von einem Robotlehrer gegeben, was den Vorteil hat, dass er für jeden Schüler den individualisierten Lehrstoff bereithält. Aber Menschen können natürlich etwas vermitteln, was Roboter nicht können. Humor zum Beispiel. Oder Körperkontakt. Ich bin gern bei den kleinen Kindern. Ich kann mir vorstellen, dass ich später in der Erziehungsverwaltung arbeiten werde. Aber bis dahin sind es noch viele Jahre. Zuerst muss ich meine Schulpflichtjahre absolvieren, und danach noch drei Jahre Sozialdienst. Dann werde ich schon siebenundzwanzig Jahre alt sein.
Nach der Schule gehe ich mit meinen Freund:innen ins Fitnessstudio. Mein Lieblingstag ist der Mittwoch, denn dann steht das Fahrrad, das mir zugewiesen worden ist, vor einem Fenster, und ich kann das Biodiversitätsgebiet vor der Stadt sehen. Gerne gehen wir auch in das City-Tower-Kino.
Am Abend esse ich mit meiner Familie in der Volkskantine. Sie ist nicht weit von unserer Wohnung. Wenn ich mich genügend bewegt habe, gönne ich mir einen Nachtisch. Am liebsten mag ich eines der neuen Insta-Eiscremes. Die gibt es erst seit letztem Jahr, und was ich gut finde, ist, dass ich Geschmack, Textur und Form selbst gestalten kann. (Gestern Abend sah mein Insta-Eis aus wie mein Cousin. Ich musste lachen, als ich ihm die Nase abgebissen habe.) Gegen elf Uhr sind wir gewöhnlich wieder zu Hause.
Ich gucke mir dann vielleicht eine Stunde lang einen Film an. Jetzt bin ich gerade verrückt nach einer Krimiserie, die in den 2010er Jahren spielt, als die Staatsanwaltschaft sich noch auf menschliche Detektive verlassen musste, um Verbrecher zu überführen. Ich muss oft laut losschreien, wenn sie die offenkundigen Beweise nicht sehen. Und wenn die Kriminalbeamt:innen ohne einen forensischen Schutzanzug den Tatort betreten, muss ich laut lachen! Was die sich damals wohl gedacht haben? Natürlich