Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank
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»Allerdings!« war die Antwort.
»Ich fürchte, da täuschen Sie sich, Herr Dr. von Hohenried«, sagte der alte Mann. »Die Komteß hat mir erzählt, daß sie darauf eingegangen wäre, auf alles zu verzichten, um das Schloß, den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu erhalten. Die Lage der Landwirtschaft…«
»Aber das ist doch lächerlich«, unterbrach ihn Hohenried ärgerlich. »Das Hauptvermögen der Sternheims liegt in Bankbeteiligungen und Industrie-Anteilen.«
»Woher wollen Sie das wissen?« fragte Buchner verblüfft.
»Ganz einfach, weil ich verschiedentlich auch Beteiligungen habe, wo sich Robert Sternheim, beziehungsweise bereits sein Vater und Großvater engagiert hatten.«
Buchner schnappte nach Luft. Schließlich stieß er hervor: »Dann war das alles eine glatte Lüge! Dieses Pack hat meine Komteß falsch und unzureichend informiert, um sich selbst das Vermögen einzuverleiben.«
»Wenn die Komteß die gleichen Ansichten bezüglich ihrer Abfindung hat wie Sie – allerdings! Und zwar auf eine wahrhaft verbrecherische Art und Weise.«
»Was soll ich jetzt tun?« stammelte der alte Gärtner, restlos überfordert von all dem, was da an Neuigkeiten über ihn hereinstürzte.
»Berichten Sie bitte der Komteß, was ich Ihnen erzählt habe. Ich bin jederzeit bereit, ihr mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Sie braucht mich nur anzurufen. Natürlich müssen wir einen guten Anwalt hinzuziehen. Aber ich habe eine Menge Verbindungen und werde die gerne für die Komteß in Anspruch nehmen.«
Buchner war entsetzt. Er hatte der ehemaligen Gräfin Roswitha zwar viel zugetraut, aber daß es so weit ging, daß eine Mutter ihr einziges Kind betrog!
Noch dazu, wo Angelina ohnehin so unter ihrem kleinen Gebrechen litt, das entzog sich seinem Vorstellungsvermögen.
Hohenried stimmte ihm zu.
»Was ich freilich nicht verstehe«, meinte er dann, »ist, weshalb die Komteß sich so vor aller Welt zurückzieht. Sie ist das schönste Mädchen, dem ich in meinem Leben begegnet bin.«
»Ja, das ist sie, weiß Gott«, stimmte der Gärtner ihm voll großväterlichen Stolzes zu. »Aber ihre Mutter hat verstanden, ihr fürchterliche Komplexe einzureden. Und da leider der verstorbene Herr Graf sehr schwach war, kam er nicht gegen seine Frau an. Und die Angestellten – nun ja – die wollten sich lieb Kind bei der Gräfin machen. Man hat sie sogar nach dem Einjährigen aus dem Internat genommen, wo sie so gern zur Schule ging. Sie war eine der Besten! Aber man hat einfach behauptet, sie würde es weder gesundheitlich noch von ihrer Intelligenz her schaffen. Sie war damals sehr unglücklich. Inzwischen macht ihr das Geschäft hier Freude. Du meine Güte«, fiel es ihm wieder ein, »jetzt habe ich noch immer nicht die Oberin des Internats angerufen.«
»Weshalb wollten Sie das?« wunderte sich Hohenried.
»Ich habe einen Verdacht«, flüsterte Buchner geheimnisvoll. »Die Komteß erhielt nie Antwort auf ihre Briefe, so daß sie glaubte, auch dort würden alle sie nur ablehnen wegen ihres Gebrechens. Und ich vermute, daß man die Briefe an sie abgefangen hat, falls man ihre überhaupt losschickte.«
»Da können Sie durchaus recht haben«, pflichtete Hohenried ihm bei. Was hatte er da aufgerührt. Er vermochte es kaum zu fassen. »Sie sehen, Herr Buchner, ich muß unbedingt mit der Komteß sprechen.«
Buchner stimmte natürlich lebhaft zu. Besonders, weil er den Eindruck hatte, sein Besucher sei sehr an der Komteß interessiert. Und keineswegs nur geschäftlich.
»Ich werde ihr alles erzählen. Und dann ruft entweder sie selbst an oder ich melde mich bei Ihnen«, versprach er. »Aber so leid es mir tut, ich muß jetzt wirklich wieder das Geschäft öffnen.«
*
»Oh, Gertrud, meine Liebste! Gerade habe ich an dich gedacht«, verkündete Sofie Baronin Kaltenberg, als sich Frau von Hohenried am Telefon meldete. »Wie geht es euch denn? Meine Güte, wenn ich daran denke, wie du und Otto vor fast fünfzig Jahren geheiratet habt. Ach, was war das für eine Zeit – trotz aller Armut. Und wie jung wir waren und wie glücklich, noch einmal davongekommen zu sein. Erinnerst du dich, ich war damals eine deiner Brautjungfern, und dann fing ich deinen Strauß und heiratete bereits ein Jahr später.«
Gertrud kannte die Geschichte in- und auswendig. Sie wartete nur ab, bis Sofie einmal Atem holte. Sie hatte ein Atemvolumen, um das jede Sängerin sie beneidet hätte. Sie überlegte, ob sie Sofie nach ihrem Befinden fragen sollte, fürchtete aber, dann wieder erst einmal eine Ewigkeitsgeschichte zu hören und fragte deshalb, alle Höflichkeit außer acht lassend: »Sag mal, die Sternheims…«
»Ach, die Sternheims. Nun, da gibt es ja keine mehr. Ein Jammer, so eine gute, alte Familie. Diese gräßliche Roswitha hat ja den Rüdiger Herrenberg geheiratet, nachdem er seine erste Frau ins Grab gebracht hat. Die beiden passen gut zusammen. Und natürlich haben sie sich das ganze Sternheimsche Vermögen unter den Nagel gerissen, dank dem die bei Gott unansehnliche Britta – du liebe Zeit, ich habe nichts gegen das Mädchen! Aber du verstehst schon…« Sie wartete nicht ab, ob Gertrud verstand, sondern fuhr fort: »Also, sie hat meiner armen Juliane den Ekbert Holsten ausgespannt. Natürlich nur mit ihrem Geld. Und ich sagte Juliane, daß es um so einen käuflichen Patron ohnehin nicht schade ist – aber das arme Ding heult sich die Augen aus und glaubt, nie wieder so etwas Kostbares zu finden…«
»Das tut mir sehr leid für Juliane und euch alle. Aber du hast ganz recht…« Unseligerweise hatte Gertrud das Gefühl gehabt, in diesem Fall doch auf den Schicksalsschlag der Kaltenbergs eingehen zu müssen.
»Nicht wahr, das findest du auch? Gräßlich, diese Herrenbergs! Bestimmt ist der arme Robert, der ja schrecklich gutmütig war, an der Kälte dieser Frau gestorben…« Sie bekam einen Hustenanfall und mußte ihren Redefluß für einen Moment unterbrechen. Gertrud nützte die Gelegenheit.
»War da bei den Sternheims nicht eine Tochter?«
»Ach Gott, ja, das arme Ding! Es kam mit einem zu kurzen Bein auf die Welt, wofür es natürlich nichts konnte, aber Roswitha wollte deshalb nichts von ihr wissen. Außerdem – aber bitte, das bleibt unter uns –«, als ob irgend etwas geheim bliebe, wenn Sofie es wußte, »also, die Kleine, wie hieß sie doch gleich – ach ja, Angelina – Robert war ja ganz verknallt in sie, aber er durfte es natürlich nicht zeigen und deswegen wollte er es auch nicht wahrhaben.« Sie schnappte nach Luft.
»Was wollte er nicht wahrhaben?« fragte Gertrud ganz interessiert.
»Aber Liebste, das gibt es doch nicht, daß du das nicht weißt! Das Mädchen ist geistig zurückgeblieben. Ich weiß nicht, wo man sie inzwischen hingesteckt hat. Wahrscheinlich in irgendein Heim. Armes Ding! Erst das Bein und dann auch noch der Verstand.«
»Danke, Sofie«, warf Gertrud ein, bevor sie wieder zu Atem kam. »Mich interessierte es wegen der Einladungen zu unserer Goldenen Hochzeit.«
»Hach, wie reizend! Dürfen wir auch darauf hoffen?«
»Aber selbstverständlich!«
»Auch meine Kinder?«
»Das ist doch klar, da brauchst du gar nicht zu fragen. Ich wollte nur wissen, ob ich diese Angelina auch dazu einladen muß.«
»Du bittest die Herrenbergs?«