Schläferin. Sophie Reyer

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Schläferin - Sophie Reyer Textlicht

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      Wie kannst du nur so ruhig bleiben, Mann?

      Hinter dem halboffenen Garagentor sieht er einen Schatten vorbeihuschen. Von weiter weg Grillengezirpe und leises Rascheln. Ob eines der Karnickel durchs Gras wuselt?, fragt er sich. Er lächelt und merkt, dass er schon beginnt, den Bunker zu mögen.

      Was hilft es, das Leben ist doch zu schön, Alex.

      Heiseres Lachen am anderen Ende der Leitung.

      Wenn du das sagst.

      Ich sag das, ja.

      Nachdem er aufgelegt hat, steht er langsam auf. Leichtes Knarren. Der Betonboden fühlt sich kalt an unter seinen bloßen Füßen. Er sieht an sich herunter, betrachtet die Zehen, die kleinen platten Füße, Schuhgröße 39. Wieder der Schatten. Er geht auf das Garagentor zu, bückt sich ein wenig. Dann: leuchtende Augen, die aus der Dunkelheit heraus glühen und ihn fixieren. Eine schnelle Bewegung, wie ein Schleier aus Fell. Eine Katze, denkt er. Er lächelt, streckt sich. Streift entspannt zu seinem Koffer zurück und holt eine Holzrolle heraus, die neben einer Pistole liegt. Zippt dann den Verschluss des Koffers zu und schiebt ihn unter das Bett. Er legt die Holzrolle auf den Boden und seinen Körper darauf. Bauch nach oben. Er dreht die Rolle im Rücken ein wenig umher, die Betondecke fixierend. Schaut die Spinnennetze an, den bröckeligen Putz. Der Rücken kracht ein wenig. Wie gut das tut, so eine Massage, denkt er. Seufzt. Morgen wird er zu malen beginnen. Und danach mit der Recherche.

      Noch lange kann sie nichts anderes tun, als in die Landschaft zu schauen. Ihr kommt es vor, als blicke sie in einen Abgrund. Irgendwann beginnt sie, die Geräusche zu hassen. Das Summen der Maschinen, die die Autobahn entlangfahren. Das Zirpen der Vögel, die nichts als singen und sich freuen wollen. Dann zieht sie die Rouleaus vor den Glaswänden zu, um ihr eigenes Gesicht nicht sehen zu müssen. Sie kann nichts anderes tun als dasitzen und schauen. Zoe hat recht, sie braucht einen Fernseher. Sie muss sich irgendwie ablenken. Kramt nach einem Buch. Versucht zu lesen. Die Buchstaben wandern vor ihrem Blick davon. Buchstabensalate. Weg damit. Es hilft nichts. Sie atmet und starrt in die Luft. Es hat diesen Säugling nie gegeben, sagt sie sich. Irgendwann glaubt sie daran. Irgendwann schläft sie ein.

      Zauberhaft. Es schillert ein seltsam heller Horizont vor meinem Blick. Scheint so, als würde es hier keine Tage und Nächte geben. Wir bewegen uns wie unter Wasser. Nichts geschieht und alles geschieht gleichzeitig. Dennoch ist eine Wirklichkeit da: die Wiese, die Karnickel, der Wind. Die Kinder flechten einander Blüten ins Haar und tanzen. Hin und wieder ziert ein rosafarbener Schimmer den Himmel, der dann wieder verschwindet, sonst nichts. Alles gut, ich träume, was soll noch geschehen? Schläferin. Ich schließe die Augen. Versuche abzudriften. Aber es funktioniert nicht. Was mich stutzig macht, ist diese Helligkeit. Es scheint, als wäre ich betrunken. Plüschige Kaninchen, die von den Kindern in die Höhe gehoben werden. Licht. Ich kann nur schauen. Schauen und da sein. Es gibt kein Entkommen, keine Ränder. Als wäre ich ganz und gar wach. Helligkeit.

      Das Morgenlicht, das durch die Spalte der Rouleaus in den Quader dringt. Beschissene Helligkeiten, denkt sie. Fummeln ihr an den Lidern rum. Sie grunzt und wälzt sich auf die andere Seite. Zieht in einer raschen Bewegung die Decke über den Kopf. Sie möchte die Fröhlichkeit des Vogelgezwitschers verdrängen. Es hört sich an, als läge sie unter freiem Himmel. Sie fühlt sich dabei wie eine der Figuren aus den Kinderbüchern, die sie gekauft hätte. Wenn das Bündel aus Fleisch noch da wäre. Sie steht auf, blickt auf die idyllische Welt hinter den Glaswänden. Wolken hängen am Himmel. Sie rollt mit den Augen. Reibt sich die Lider. Sie will nichts essen. Füllt Kaffee in den Trichter.

      Gegen Mittag erstmals: rausgehen. Die Feldwege entlang. Vorbei an einer riesigen Skulptur aus Stein. Die sieht aus, als würde sie sich um sich selbst winden, denkt sie. Sie geht an Äckern vorbei. Weiter hinten Kinder, die auf Ponys reiten, aufgefädelt wie auf einer Schnur. Ärsche auf Ärschen in wippenden Bewegungen. Die doppelten Hinterteile biegen um die Kurve. Kommen ihr entgegen. Der Reitlehrer guckt sie an. Er hat riesige Augen, wie Walnüsse. Sie lächelt den Kindern zu. Dabei ist ihr, als wäre ihr Gesicht eine Schmerzfratze. Verzerrt. Die langen Haare des Reitlehrers sehen aus wie Wollfäden. Hängen seinem Kopf im Wind nach. Sie vermeidet es, ihn anzuschauen. Sie müsste sonst an Sascha denken, und an das Kind. Gut, dass es weg ist, sagt sie sich und stiert auf den Feldweg.

      Später: bei Zoe läuten. Das Kind mit dem Froschmaul krebst in spastischen Bewegungen am Boden herum.

      Dank dir, sagt Zoe.

      Ich hab ja nichts zu tun, entgegnet sie lächelnd.

      Pause.

      Zoe, meint sie dann, ich muss mit dir reden.

      Die Freundin sieht sie erstaunt an.

      Worüber denn?

      Das weißt du doch, entgegnet sie.

      Zoe verdreht die Augen.

      Es ist tabu, über die Arbeit als Schläferin zu sprechen.

      Sie nickt.

      Aber was ich träume, das ist so hell, Zoe. Du kannst dir das nicht vorstellen. Ist es durch die Photonen? Was passiert da?

      Zoe nimmt sie zur Seite, spricht leiser.

      Hör zu. Es war ausgemacht, dass du den Job annimmst. Du kommst einmal im Monat durch die Sonde. Wir checken die Daten. Das ist alles.

      In dem Moment ist das Kind wieder aufgestanden und stößt ihr einen Faustschlag in den Bauch. Sie lächelt, sie mag den Schmerz. Als hätte sie ihn verdient, denkt sie. Das Kind greift nach ihren Händen und knickt sie nach hinten. Zoe schimpft. Hebt das Kind hoch.

      Schweig darüber, meint Zoe scharf.

      Klar, sagt sie.

      Zoe wendet sich ab, will gehen. Dann dreht sie sich plötzlich um.

      Was ich noch sagen wollte, murmelt sie.

      Ja?

      Neben dir wohnt ein junger Mann. Dietrich. Eben erst zurückgekommen aus der Klinik. Alkoholproblem. War früher sehr verwickelt in die Photonenexperimente. Manchmal sitz ich mit ihm zusammen. Nach zwei Stunden sieht er Gott in mir, und wenn er dann noch weitertrinkt, will er entweder mit mir schlafen oder mich verprügeln.

      Sie lacht.

      Gute Nacht, Zoe, sagt sie. Hau ab auf deine Party.

      Warte. Vielleicht besuchst du ihn mal. Nüchtern ist er in Ordnung.

      Sie zuckt mit den Schultern. Zoe schließt die Gartentüre hinter sich, während das Kind zu jammern beginnt.

      Als sie in den Quader zurückkehrt, versucht sie zu schlafen. Es ist ihr aber, als läge sie in einer Öffnung der Erde. Irgendwo auf einer Wiese. Sie wartet immer wieder auf die Fahrtgeräusche der Züge. Wer wohl in den Zügen sitzt?, fragt sie sich. Sie fühlt sich leicht schwindelig. Kann nicht einschlafen. Immer wieder dreht sie den Körper zur Seite. Dann wieder auf den Rücken. Dann wieder zur Seite. Macht sich zum Ei. Ein Kuckucksruf ertönt. Es wird kühler. Gewitterwind, der am Holzquader rüttelt. Dann das Donnern. Es ist, als wäre ihr Hirn dem Himmel ausgesetzt. Sie richtet sich kerzengerade auf im Bett, fast ruckartig. Blättert nochmals in den Seiten des Fotoalbums. Ob es normal ist, dass sie keinen Schmerz fühlt, fragt sie sich.

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