Die Flut. Ulrike Schmitzer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Flut - Ulrike Schmitzer страница 4

Die Flut - Ulrike Schmitzer Textlicht

Скачать книгу

Gott, sagte die Frau.

      Der ist da sicher nicht mit im Spiel, sagte der Bauer.

      Die Frau schlug ein Kreuz über der Brust.

      Der auch nicht, sagte der Bauer.

      Als sich der Sturm legte, war das Feld geflutet. Das Wasser drang in den Keller ein.

      Der Bauer und seine Frau saßen in der Küche und warteten. Nach Stunden begann sich das Wasser wieder zurückzuziehen, die klebrige Masse blieb.

      Die Bäuerin holte zwei Kübel aus der Abstellkammer und ging damit in den Keller.

      Warte, rief der Bauer. Fass bloß nichts an.

      Ich will das nicht in meinem Haus haben, schrie die Frau hysterisch.

      Der Bauer gab ihr die Handschuhe aus der Werkstatt. Sie wischte sich die Haare aus dem Gesicht. Der Schwarze Fleck hatte sich schon bis zum Ohr ausgebreitet. Die weißen, aufgesprungenen Lippen seiner Frau zitterten.

      Er watete durch die Masse wie durch batzigen Schnee und holte die metallenen Melkkübel aus dem Stall. Den verstärkten Lederschuhen tat die Masse nichts an. Er trug einen Kübel nach dem anderen aus dem Haus und schüttete die Masse in den kleinen Teich, der früher meist ausgetrocknet war. Er hatte ihn für die Kinder angelegt. Sie hatten hier im gatschigen Schilf gespielt und Frösche gefangen. Der Teich war randvoll. Die Ufer waren mit der eigenartigen Masse überzogen. Ein paar kleine Fische schwammen bäuchlings in dem Tümpel. Tote Frösche schwappten über die Uferböschung.

      Das ist doch sinnlos, sagte er leise und stöhnte, weil ihm die Arme wehtaten.

      Als der letzte Kübel aus dem Haus war, schrubbte die Frau noch immer Farbreste aus dem Boden. In der Küche, im Wohnzimmer, überall war der Schlamm in die kleinsten Ritzen eingedrungen.

      Der Essigreiniger wird den Geruch vertreiben, sagte sie endlich, als ob damit alles überstanden wäre. Es war schon später Abend. Ich rieche nur den Essig, sagte er, sonst nichts.

image

      In der Morgendämmerung zog eine weiße Staubwolke die Straße vom Hügel herunter. Der Bauer rieb sich die Augen. Je näher diese eigenartige Staubwolke kam, umso klarer erkannte er, dass es eine Menschenkette war, die sich dem Hof näherte.

      Schau, sagte er zu seiner Frau.

      Was ist denn das, fragte die Frau sofort hellwach.

      Die Leute waren in weiße Overalls gehüllt und trugen Gesichtsmasken. Ihre Beine waren vom Gehen im Dreck schon rot. Immer wieder löste sich eine Gruppe und schien etwas am Wegrand zu suchen.

      Was klauben die da auf, fragte die Frau und griff nach ihrer Brille.

      Kadaver, sagte der Bauer.

      Die Soldaten schaufelten die toten Tiere in einen der vielen Containerwagen, die sie neben sich herzogen. Der Tross bewegte sich auch zum Scheiterhaufen, den der Bauer niedergebrannt hatte. Die Männer schaufelten die Asche der Tiere in den Container. Zum Hof kamen sie nicht. Sie schickten nur einen eingemummten Jungen auf einem Fahrrad her. Er warf einen Plastiksack über den Zaun und verschwand sofort wieder. Der Bauer öffnete den Sack. Atemmasken. Kein Zettel. Keine Information. Er hielt seiner Frau eine hin, die nahm sie und legte sie in eine Lade.

image

      Die Wasserflaschen waren leergetrunken. Der Traubensaft und der Wein zur Hälfte aufgebraucht. Noch immer keine Informationen. Keine Hilfe.

      Was ist mit dem alten Brunnen, fragte die Frau.

      Es musste mindestens zwanzig Jahre her sein, als sie den alten Brunnen hinter dem Haus zum letzten Mal benutzt hatten. Er war mit einer schweren Betonscheibe abgedeckt. Der Bauer holte den Traktor und zog den Betondeckel weg. Mit dem Kübel holte er klares Wasser hervor. Der Bauer kostete vorsichtig.

      Passt, sagte er.

      Die Frau kostete ebenso vorsichtig. Er versuchte ihr direkt in die Augen zu sehen. Die linke Kopfhälfte war mittlerweile komplett schwarz, selbst der linke Augapfel war so dunkel wie die Pupille. Sie sah gespenstisch aus. Aber sie sagte, sie hätte keine Schmerzen, und sie konnte noch immer gut damit sehen.

      Jetzt haben wir Wasser, sagte die Frau.

      Der Bauer holte drei Kübel heraus und machte den Brunnen wieder dicht.

      Ich will es abkochen, sagte die Frau, bevor sie in die Küche ging.

      Der Bauer ging in die Garage und holte unter einer staubigen Decke einen zerlegten Dieselmotor hervor.

      Bald schwitzte er schon vom vielen Herumschrauben und zog sich gerade sein Hemd aus, als er jemanden im Hof rufen hörte.

      Der Nachbar war schon im Haus. Der Bauer lief schnell in die Küche, wo seine Frau stand, sie hatte sich ihr Tuch um den Kopf gewickelt.

      Bei uns haben auch nur die Schweine überlebt, sagte der Nachbar. Sein Kinn war über den Hals bis zum linken Arm hinunter schwarz. Auch seine Zähne waren dunkel.

      Ich wollte fragen, ob ihr noch etwas zum Trinken habt, sagte der Nachbar.

      Die Frau gab ihm drei Flaschen Wein und Traubensaft mit, vom Brunnen sagte sie nichts. Eine Decke lag über den Wasserkübeln.

      Es ist wie verätzt, sagte der Nachbar und fuhr mit den Fingern über seinen Arm. Oder wie eingefärbt – es brennt nicht, es juckt nicht, es zieht auch keine Blasen auf. Aber es wächst weiter. Immer weiter.

      Dann schaute er den Bauern an. Das ist doch eigenartig, oder?

      Sie sagen, die Kinder werden nicht schwarz, sagte der Nachbar, bevor er mit den Flaschen im Arm wieder ging.

      Der Bauer schaute auf die Decke, die die Kübel verdeckte.

      Ich muss bald Diesel holen, sagte er und steckte sich sein Hemd fester in die Hose.

      Dass sein Bauch schwarz war, sagte er nicht.

image

      Der Dreck trocknete schnell. Über der Landschaft lag ein dünner Staubfilm. Die Luft schmeckte metallisch. Sie kamen noch einmal. Diesmal allerdings mit Löschfahrzeugen. Sie spritzten den Dreck von der Straße und sammelten die feuchte Masse mit ihren Schaufeln ein.

      Der Bauer sah vom Hof aus zu und regte sich auf, dass sie das gute Wasser verschwenden würden.

      Wird so schon richtig sein, sagte die Frau.

      Nichts wissen wir, sagte der Bauer.

      Der Bauer ging ihnen entgegen.

      Sie sollten sich eine Schutzmaske holen, sagte ein Soldat. Das pure Gift, das sie da einatmen.

      Der Bauer spürte plötzlich einen starken Juckreiz im Hals und bekam einen Erstickungsanfall.

      Der Soldat klopfte ihm auf den Rücken und lachte.

      So

Скачать книгу