Kintsugi. Andrea Löhndorf
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Nur weil du das, was du akzeptieren musst,
nicht akzeptieren willst, quälst du dich.
KŌDŌ SAWAKI
Akzeptieren wird deshalb zu Unrecht als Passivität, Aufgeben und Resignation verstanden. Es bedeutet einfach, den inneren Widerstand aufzugeben gegen das, was geschieht, und in sich Raum für ein Ja zu schaffen. Das setzt erst die Kräfte frei, die wir brauchen, um im Äußeren aktiv werden zu können und Dinge wirklich zu verändern. Selbst ein anfangs sehr kleines, leise zu uns selbst geäußertes »Ja« lässt uns effektiver handeln, als wenn wir im Widerstand verharren. Und das wiederum bedeutet: Wir können etwas akzeptieren – und danach immer noch Berge versetzen. Oder uns gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr setzen. Oder die Scherben unseres bisherigen Lebens sorgfältig Stück für Stück zusammensetzen und mit Goldpuder zu einem neuen Kunstwerk veredeln.
Geschichten von Menschen, die Schicksalsschläge akzeptiert und positive Wege gefunden haben, sie produktiv in ihr Handeln umzusetzen, faszinieren uns nicht ohne Grund. Solche Kintsugi-Lebensläufe zeigen uns, was trotz widriger Umstände möglich ist. Einer von ihnen ist Nelson Mandela. Er zählt zu den großen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, und jedes Kind kennt die Geschichte des Freiheitskämpfers, der 27 Jahre inhaftiert war und als Präsident die Abschaffung der Apartheid in Südafrika bewirkte. Wenige jedoch haben von dem Garten gehört, den Nelson Mandela im Hof des gefürchteten Gefängnisses von Robben Island anlegte. Während die anderen Insassen Spiele spielten, widmete sich Mandela dem schmalen Streifen Grün und zog Früchte und Gemüse, die er mit den anderen teilte. Im Internet lassen sich einige Fotos finden; die Gefängnismauer ist zu grau und hoch und feindselig, als dass die Bilder den Geist von Wabi-Sabi widerspiegeln würden, doch vermitteln sie eine seltsame Schönheit. Dieser Streifen Grün inmitten der Tristesse zeigt, wie Akzeptanz Schicksalsschläge in etwas Sinnvolles verwandeln kann.
Das Größte, was man erreichen kann,
ist nicht, nie zu straucheln,
sondern jedes Mal wieder aufzustehen.
NELSON MANDELA
Als Mandela nach Pollsmoor Prison verlegt wurde, legte er dort wieder einen Garten an; vermutlich weil es keinen anderen Ort dafür gab, halbierte er Ölfässer und pflanzte darin auf dem Dach des Gefängnisses seinen neuen Gemüsegarten. Er schien sich bewusst zu sein, wie wichtig das für ihn war. Seitdem ich diese Geschichte gehört habe, glaube ich besser zu verstehen, woher Mandela die Kraft nahm, nach 27 Jahren Haft das Gefängnis nicht als verbitterter Mann zu verlassen, sondern als Friedensstifter. Wer jahrzehntelang eine solche Akzeptanz kreativ lebt, kultiviert gleichzeitig seine Stärke.
Die eigene Geschichte neu schreiben
Wir verstehen unser eigenes Leben, indem wir uns Geschichten darüber erzählen. Während wir eine Situation erleben, erscheint uns alles oft konfus, und wir können keinen Sinn darin sehen. Später, in der Rückschau, sind wir in der Lage, alle Details zu einer Geschichte zusammenzufügen, und mit einem Mal erkennen wir einen Zusammenhang, den wir vorher nicht wahrgenommen haben. Alles wird plötzlich schlüssiger. Ein großer Teil der Psychotherapie besteht darin, dem Patienten zu helfen, bessere und schlüssige Geschichten über sein Leben zu erzählen – nicht indem man die Fakten ändert, denn das würde bedeuten, sich die Realität »zurechtzulügen«, sondern indem man die Perspektive ändert und den Zusammenhang findet. Wir verstehen, was wir vorher nicht verstanden haben.
Das bekannteste Modell ist die Geschichte der »Heldenreise«, die der Mythenforscher Joseph Campbell aus den zahlreichen traditionellen Überlieferungen überall auf der Welt herausgearbeitet hat: Der Held muss sein sicheres Zuhause verlassen und zahlreiche Kämpfe bestehen, bis er seine Aufgabe erfüllt hat und, gereift und um viele Erkenntnisse bereichert, zurückkehren kann. Ob wir diese Kämpfe, die wir zu bestehen haben, als Veränderungen zum Guten oder zum Schlechten bewerten, hat entscheidenden Einfluss auf unser Wohlbefinden. Wir können Geschichten von Weiterentwicklung oder Stagnation erzählen, von Erlösung oder Verurteilung, von Liebe und Zugehörigkeit oder Isolation. Im Finden einer »guten« Geschichte gelangen wir zur Akzeptanz und wehren uns nicht länger gegen das, was geschehen ist.
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