Bajass. Flavio Steimann

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Bajass - Flavio Steimann

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den Holzbeigen hatte sich in den Karrenspuren grünes Wasser zu Tümpeln gesammelt. Gauch vergewisserte sich, dass er allein war, kauerte dann nieder und betrachtete sein Gesicht, das jetzt zwischen gezackten Wipfeln im grauen Himmel stand.

      Wenn er mit dem Absatz stampfte, verwellte sich das Bild. Aus seinem Kopf wuchs ein Schnabel, er wurde ein Vogel mit langem Hals.

      Gauch überließ sich dem kindlichen Spiel – dachte an Wärme und an Flaum und an helle Haut, über die lautlos feine Glieder einer goldenen Kette rieselten.

      Albin Gauch liebte das Wasser, er liebte die Strudel an den Pfeilern und Wehren, er erlag seinem Rausch, gab sich ihm hin – das wuchtige Rollen mochte er, dieses Taubwerden, das Vergessen – wenn er sich verlor, hineintauchte, allmählich tumb wurde von den Vrillen, die sich formten und aus dem Drall heraus verschaumten, im selben Guss helles Glas wurden und träges Wasser wieder, das nichts verriet, nur weiterzog. Leise, fast ohne einen Laut.

      Er erinnerte sich an den Mann am Ufer, der nichts besaß als die Steine, in denen er hauste, und den Wind. Und er dachte daran, dass er zuweilen wünschte, dieser Mann zu sein.

      Indessen – Gauch täuschte sich; er war kein einfacher Mensch. Er hörte nichts als seine Schritte. Und er hasste die weichen Tannenzapfen, die wie tote Tiere waren, wenn er darauf trat – er hasste es, nicht mehr gesund zu sein, er trauerte dem Federnden seines Ganges nach; es gab nicht viel, was ihn freute, und dass er Leute fing für einen Staat, der ihn selber gefangen hielt, war ihm nur noch halb geheuer.

      Von den Bäumen tropfte Wasser.

      Gauch ließ die Toten allein und suchte nach einem Weg zum Hof.

      Er war über einen alten Holzpfad wieder aus dem Wald gekommen; südwärts war es heller geworden. Der Föhnwind war eingefallen und ließ tauend den Schnee schmelzen – das Gebirg stand in einem blauen Fenster. Vom Tal her zog in geradem Flug ein Vogelschwarm, teilte sich unvermittelt in zwei Staffeln, die sich in entgegengesetzter Richtung voneinander entfernten, einen Herzschlag lang torkelnd in schwarz kollernde Flocken zerfielen, sich dann aber plötzlich strafften, kehrt machten und auf zwei Ebenen pendelnd durcheinander glitten, um sich wieder zu einem Geschwader zu vereinen, in schnellem, aber ruhigem Kurs gemeinsam zu peilen.

      Das letzte Wegstück, das von der Zufahrtsstraße über ein Feld zum Gehöft führte, war flach, erinnerte mit seinen beschnittenen Krüppelbirken an eine verkommene Allee.

      Gauch blickte zu den Wipfeln ins Gewölk, verlangsamte seinen Gang, ließ nun den grauen Himmel vor seinen Augen vorbeigleiten wie ein endlos tiefes Wasser; seine Beine wuchsen ins Leere, er ging nicht mehr, er stieß sich ab, bis er in einer Schwebe blieb fast ohne ein richtiges Gewicht und ihn eine Übelkeit zurückholte in die Wirklichkeit seines Tages.

      Das Bauernhaus war verlassen.

      Die abgewitterte Eingangstür mit den geschnitzten Eichenzöpfen und der kleine rückwärtige Zugang waren auf Anordnung der Amtsschreiberei bereits versiegelt worden, nur der Keller war noch offen. Gauch öffnete die blecherne Luke und stieg die ausgetretene Sandsteintreppe hinab. Erdgeruch schlug ihm entgegen. Er wartete, bis seine Augen sahen. Dann ging er langsam durch die lichtlosen Räume. In ausgeschlagenen Kisten lag die Frühjahrssaat bereit, an einem morschen Brett vermoderte ein Kaninchenbalg, rostige Schermausfallen lagen – mit Draht zu einem Ring gebunden – auf einem leeren Fass. In einer Ecke lehnte eine Vogelscheuche, sie trug die blaue Uniform der Dragoner, an den Tressen hatte sich Grünspan angesetzt, vom Tschako, der auf einem ausgestopften Strumpfsack saß, blätterte der Glanz, der rote Zottel lag abgerissen zwischen verstaubten Einmachgläsern im Lehm. Gauch wollte sich nach dem kleinen Knäuel bücken, als ein Schatten das Kellerloch verdunkelte. Zwei Hosenbeine, die mit Schnüren zugebunden waren, gingen mit schlurfendem Geräusch vorbei. Gauch richtete sich auf und stieg wieder ans Licht. Dann ging er durch die Buchswege des eingefriedeten Gartens zur Scheune.

      Auf halbem Weg blieb er stehen.

      Die Pferde hatten ihn entdeckt und die Köpfe nach dem Fremden gewendet; sie grasten nicht mehr weiter, standen reglos und spielten nur mit den Ohren.

      Gauch wollte die Tiere täuschen. Er schlug einen Bogen, dann trat er durch den Obstgarten auf die Hinterseite des Gebäudes zu.

      Das Vieh, welches schon zu brüllen begonnen hatte, war inzwischen versorgt worden, die Halbtüren zu den Ställen standen angelehnt, auf dem Stock dampfte in einer Ecke frischer Mist.

      Der Hof war schon seit längerer Zeit offensichtlich nicht mehr richtig unterhalten worden, an der Südwand der Tenne hatte der Regen durch das rinnende Dach die Tresterstöcke durchweicht, zerfledderte Hühner saßen auf einem vermoosten Wagenrad, das neben seinem Reifen mitten auf dem gestampften Lehmplatz lag, eine rostige Hundekette lief ins Leere.

      Gauch betrachtete lange das weiß gekalkte Mauerwerk, wo das Riemenzeug für die Pferde an eingemauerten Haken hing. Die hohe Türe war weit geöffnet. Er dachte an den Geruch des Dunkels, an die schlimme Ahnung, die ausgeht von verlassenen Ställen.

      Im kleinen Anbau beim Einfahr entdeckte Gauch den blöden Knecht. Er kniete im Hackholz vor einer verrosteten Marderfalle. Mit Fäustlingen aus Sacktuch hielt er einen hölzernen Löffel, auf dem er unendlich langsam ein Hühnerei balancierte und es mit schier beängstigender Geduld ins vergitterte Gehäuse auf die Köderplatte zu bringen versuchte. Sooft er die Falle richten wollte, rollte es fort – er blieb unbeirrt, brachte es immer und immer wieder auf seine Kelle und versuchte von Neuem das Unmögliche.

      Endlich stand das Ei, der taube Mensch grinste, dann steckte er den Löffel ins geifernde Maul, ließ sich auf alle Viere, stocherte mit dem Stiel durch die Maschen des Drahtes und betupfte den Köder. Die Türen fielen, die Riegel der Sicherung sperrten sie zu, der irre Mann brüllte auf, winselte und tat einen gellenden Schrei, dann raste er gegen den beschlagenen Rahmen, scharrte mit Händen und Füßen, dass Borken und Rinden flogen, grub seine Zähne fletschend in die eisernen Maschen, warf immer wieder den Kopf nach hinten und riss dabei die schwere Falle mit, endlich wurde er ruhiger, still, lag nun bäuchlings, hob langsam die Hände und richtete die Kelle als Flinte auf seinen geschorenen Schädel, bäumte sich ein letztes Mal auf, ein Zittern lief über seinen Leib bis hin zu den klotzigen Schuhen, dann sackte er in sich zusammen und blieb – aus dem stoppligen Maul bräunlich schäumend – reglos liegen.

      Es dauerte lange, bis er wieder auf die Beine kam. Noch immer benommen stand er eine ganze Weile starrend im Verschlag, spuckte, bückte sich nach dem Hut, dessen Krempe ringsherum mit einem Messer grob abgeschnitten war, und ging mit seinem halb watenden Gang weiter zur Säge.

      Die schwere Maschine stand – in aufgetrennte Mehlsäcke gemummt – in einem Wall von Sägemehl. Der Stumme löste mit gekonntem Rucken die Schlingen der Verschnürung, faltete mit umständlicher Sorgfalt die groben Tücher und legte sie mit den ineinander gedrehten Stricken in einen Bottich, der neben dem Holz auf einem vernagelten Kirchenschemel stand.

      Nun löste er das Gussgewicht vom Wagen, schob diesen zurück und fettete mit einem Schweinenabel die Zähne, hängte den Klöppel wieder an seinen Haken und startete den Antrieb.

      Der Riemen lief langsam an, beschleunigte seinen Lauf, geriet mit klatschendem Geräusch in eine schlingernde Bewegung und drehte jetzt das schwirrende Blatt. Der Knecht, der am alten Most schon ein Stück weit erblindet war, stakte durch den stiebenden Ring zur Beige und kehrte mit einer eichenen Spälte zurück zur Maschine. Langsam schob er den Wagen.

      Gauch stand gelähmt, wartete auf das Kreischen, sah, wie sich die schlecht geschränkten Zähne rauchend durch beinhartes Astholz quälten, ein brandiger Harzgeruch wehte zu ihm herüber, unter dem Tisch bildete sich aus den Spänen

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