Bajass. Flavio Steimann

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Bajass - Flavio Steimann

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scheinbar beiläufig und ohne tieferen Grund über die Gefährlichkeit von Thrombosen und Schlaganfällen auszufragen, hatte sich dieser schon längst mit einer verstörenden Bestimmtheit bei ihm untergehakt, ihn mit der Kraft einer eisernen Zwinge haltend vom Hocker aufgezogen und mit einem schwer deutbaren eisigen Lächeln Glück für die Ermittlungen wünschend durch den hinteren Ausgang in den kleinen Park geleitet, wo er ihm mit einem knappen Gruß den gekiesten Weg zurück zur Straße wies.

      Als Gauch, nicht ohne Erleichterung, schon ein paar Schritte gegangen war, rief ihn der streng nach Chlor und Äther riechende Chirurgus noch einmal winkend zurück. Was nicht im Bericht stehe, er aber auf den ersten Blick wohl gesehen habe – auch die Bäuerin sei nicht mehr die Gesündeste gewesen. Adipositas cordis, er wies drei Mal nacheinander mit dem Halm der Blauband auf seine linke Brust, ein Fettherz halt – wie meistens beim Bauernstand vom vielen Eberfleisch.

      Am Ende der Mauer, als Gauch für einen Augenblick stehen blieb, um einen letzten verstohlenen Blick zurückzuwerfen auf diesen beklemmenden Ort, sah er, wie der kolossale Pathologe einen Flachmann aus den Tiefen seines knittrigen Umhangs zog, ihn vor dem Öffnen nahe am Ohr prüfend schüttelte und dann an die wulstigen Lippen setzte, den Schraubdeckel und die Virginia in der rechten Hand und den Blick unbewegt auf der vom Regen grün vermoosten Inschrift im steinernen Giebeldreieck über seinem Kopf.

      MORTUI VIVOS DOCENT.

      Zu Leonidas waren die schwarzen Tannensärge auf zwei ungleichen Katafalken, deren einer beim benachbarten Pfarramt von Seeweiler hatte ausgeliehen werden müssen, im Chor der Zeller Dorf- und Bittkirche St. Marien nebeneinander aufgestellt worden.

      Um der hiesigen Tradition nachleben zu können, hatte man die Gandbauern am Vortag für ein letztes Mal auf ihren Hof geführt und in einer unversiegelten, mit Efeu und Tannenreisig eiligst als Andachtsraum hergerichteten Vorratskammer für ein paar wenige Stunden im offenen Sarg aufgebahrt. Maskenhaft geschminkt und gepudert, die Mullkäppchen tarnend auf den zertrümmerten Köpfen und den Rosenkranz um die verknoteten Gichthände geschlungen, boten sie, vom wabernden Licht der Unschlittkerzen gespenstisch beleuchtet, für die betreten schauenden Besucher, die ihrer nachbarlichen Pflicht des letzten Grußes nachkamen, einen wenig erbauenden Anblick, so dass diese es als eine große Erleichterung empfanden, als kurz vor dem Eindunkeln die Deckel aufgesetzt und mit wuchtigen, weit über das Gehöft hinhallenden Hammerschlägen für immer vernagelt wurden.

      Die Bauern des Sprengels, im Stall und auf den Schollen der weiten Äcker groß geworden und wenig gewohnt, Ansprachen zu lauschen, saßen räuspernd und gekrümmt auf den harten Kirchenbänken, während sie an die versäumten Feldarbeiten dachten und sich nach dem Rauch ihrer Stumpen und Tabakpfeifen sehnten, derweil auf der Frauenseite ihre Gattinnen, viele davon mit geröteten Augen, aufgewühlt wartend zur Türe der Sakristei blickten oder abwesend ins Missale auf die lateinischen Gebete starrten, die sie von Kind auf in der Kirche sprachen oder sangen, aber bis an ihr Lebensende nicht verstanden.

      Unter dem scharrierten Kanzelbogen, über den sich gemalt die tröstenden Worte Seine Wundenmäler heileten uns zogen, saß, in seinen Sonntagsstaat gezwängt, der Knecht unruhig und mit gurgelnden Lauten maulend und flankiert von zwei dunkel gewandeten Männern, von denen der kräftigere eine halb geöffnete lederne Hebammentasche auf den Knien hielt, zwischen deren Schließbügeln er unter einem Gebetbuch die Hand mit der aufgezogenen Spritze versteckte.

      Seit dem gewaltsamen Ableben des Bauernpaars hatte sich der Waisenvogt um das verlassene Geschöpf gekümmert. Man hatte den Mann, um ihn nach der Tat nicht noch mehr zu verwirren, den Tag danach und auch noch am nächsten Vormittag auf dem Gehöft seinen gewohnten Arbeiten nachgehen lassen und ihm warme Mahlzeiten in die Sattelkammer gebracht, wo er auf Pferdedecken nächtigen und seine Notdurft im Stall hatte verrichten müssen. Wegen seines allgemein bekannten Verhaltens lehnte der Verwalter die Aufnahme ins Ledigenheim des Amtshauptortes ab, und auch eine Anfrage beim Verein für Mäßigung & Volkswohl führte zu keinem Erfolg, weshalb der Knecht in Ermangelung einer anderen Möglichkeit zur Unterbringung zwischenzeitlich in die geschlossene Abteilung der Irren- und Heilanstalt für Gemütskranke Mater Domini eingeliefert und in der dortigen Webstube mit einfachen Handreichungen beschäftigt worden war.

      Der Pfarrer, greis, in schwarzer Kasel und den Manipel wie einen steifen Wimpel am rudernden Arm, geißelte von der Kanzel aus die ruchlose Tat, sprach von den unerforschlichen Ratschlüssen des Höchsten und wähnte, indem er auf Gerechtigkeit und Sühne einer unendlich großen Schuld hoffte, die beiden Opfer auf dem Weg in eine neue und bessere Heimat.

      Dann dankte er den Heimgegangenen für die unerschütterliche Treue zum Glauben und zur Kirche als alleiniger Besitzerin der göttlichen Wahrheit, für die Duldung einer unbedarften Kreatur unter ihrem Dach und – da ihnen die Gnade einer natürlichen Elternschaft versagt geblieben wäre – für das jahrelange selbstlose Aufnehmen und Aushalten unversorgter Kinder.

      Zeitig vor der Wandlung, während hölzerne Kniebänke und arthrotische Beingelenke in stetem Wechsel gleicherweise leise knarrten und die Orgel nach kurzem Schnaufen zu einem Choral ansetzte, verließ Gauch seinen engen Platz neben Taglöhnern und Knechten, öffnete die Türe unter der Empore, trat schnell hinaus und ließ sie, bevor die Hintersten wegen des Luftzugs die Köpfe drehten, zusammen mit einer lauten Fermate von außen langsam ins Schloss gleiten. Unter dem Dach des Vorzeichens blieb er stehen und atmete, den Hut noch in der Hand, die kalte Luft des Morgens.

      Auf dem Kirchplatz, nahe beim Nussbaum, stand der Leichenwagen. Das Pferd trug eine bis zu den gewichsten Hufen reichende schwarze Decke, die nur gerade die Nüstern freiließ und die Augen, in denen, wenn es den Kopf verwarf, ein Porzellanweiß drohend aufblitzte. Der große Rappe, der das lange Stehen in solcher Verkleidung offensichtlich nicht gewohnt war, scharrte unruhig mit dem Vorderhuf über das Kopfsteinpflaster und schlug mit seinem Eisen Funken. Derweil sprach der Fuhrmann dem Tier, das langes Nüsternhaar und einen bodenlangen Schweif hatte, beruhigend zu und tätschelte ihm unter der Decke die Ganasche.

      Gauch trat näher.

      Er sei froh, meinte der schlecht rasierte Mann, der eines Klumpfußes wegen zwei ungleiche Schuhe trug, dass sie nicht jedes Mal zu zweit sterben würden, es hätte ihn und den Wagner viel Zeit und Mühe gekostet, im Spritzenhaus den Wagen so herzurichten, dass beide Särge gleichzeitig auf der schmalen Brücke Platz gefunden hätten. Für den nicht seltenen Fall, dass Mutter und Kind bei der Geburt den Tod finden würden, sei die Karosse seit jeher eingerichtet, so dass es einfach sei, den kleinen weißen und den großen schwarzen Sarg in die dafür vorgesehenen Aufnahmen zu stellen, die ein Verrutschen oder gar Herunterfallen verhindern würden. Aber solches gehöre nun einmal zu seinem Handwerk – denn wie einer auch zu ihm gestanden habe, wenn sie einmal kalt seien, müssten sie alle wohl oder übel mit ihm das letzte Fährtlein machen; solche, um die es ihm leidtue, aber auch jene, die ihn als landlosen Wegmacher ihr ganzes Leben lang kaum gegrüßt und nie ernst genommen hätten.

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