Das Modell. Jan Kuhlbrodt

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Das Modell - Jan Kuhlbrodt

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Papierkorb quoll über.

      Vielleicht ist das, was wir Freundschaft nennen, etwas, das nur wie Freundschaft aussieht, eine zufällige Begegnung, den Gesetzen der Physik geschuldet, die wir so lange vor uns hin formulieren, bis sie einen Sinn ergibt, eine Bedeutung erhält, eine Funktion. Weil wir den Zufall nicht ertragen können und weil wir es nicht ertragen, dass etwas, das uns betrifft, den Gesetzen der Physik folgt, weil wir uns in unseren Bewegungen erkennen wollen, es uns nicht eingestehen können, die Schatten der Dinge mit Spiegeln verwechselt zu haben.

      Seit unserem ersten Treffen auf dem Schulgelände war mir klar, dass Thilo mein Freund werden musste. Dass wir verbunden sein mussten. Und wenn er meine Stahldrähte zu Bewegungsmustern bog, saß ich ein wenig abseits in seinem Zimmer (keine Bücher, nur Zeichnungen an den Wänden, die alle von ihm waren, bis auf eine, ein Zeitungsausriss, irgendeine Studie der Bewegung eines Tänzers, Thilo wusste auch nicht mehr genau. Klee wahrscheinlich, sagte er, gefällt mir), und ich sah ihm zu, sah dem Schweißdraht zu, der unter Thilos Händen die Form erhielt, eine Form, mit der ich mich identifizierte. Das war ich, denn das konnte ich nicht sein. In dieser Figur begegnete ich der Fremdheit, mit der ich mir selbst begegnete.

      Ich suchte Thilos Nähe, und Thilo ließ es zu. Er ließ mich zuschauen, wenn etwas Statisches in seinen Händen einen dynamischen Ausdruck gewann. Aber er nahm mich dabei nicht wahr. In seinem Zimmer, bei der Arbeit, war ich für ihn schlicht nicht vorhanden. Er brauchte meinen Rat nicht. Oder ich war vorhanden wie die Tür, wie die Bettdecke, unachtsam am Fußende des Bettes zusammengeknüllt, auf dem Thilo saß. Unbrauchbar bis zum Abend. Aber ich störte auch nicht weiter. Ein Zustand, in den ich mich nur langsam fügen konnte.

      Hatte Thilo eine Arbeit beendet, verließ er das Zimmer, ging an mir vorbei zur Tür und trat ins Freie wie in einen anderen Kosmos. Sah er mich dann kurz nach ihm aus der Tür treten, war er einen Moment lang verstört. Lächelte aber bald, kam auf mich zu und zeigte mir sein Produkt, das ich zwar kannte, das ich aber außerhalb seines Zimmers zuerst einmal wie etwas Fremdes wahrnahm.

      7.

      Zassi, ein Frankfurter Kommilitone, weigerte sich lautstark, auf einem Sofa Platz zu nehmen, das im Philosophencafé stand und die Horkheimercouch hieß. Sein Geschrei ließ die Studenten zusammenströmen, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Frankfurter Dantestraße 4-6 befanden. Aus Sorge, aus Angst oder auch nur aus Neugier. Eine Zwangshandlung, die wie jede Zwangshandlung zu nichts führe, sollte Zassi später bemerken, als wir schon lange Freunde waren und ich ihn darauf ansprach.

      Auch ich hatte im Philosophencafé gestanden, mit einer Laugenbrezel direkt am Tresen. Eine Zwangshandlung, Zassi war sich ganz sicher, eine Handlung also, wie sie gerade in Frankfurt in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder beschrieben wurde. Am Grad der ermüdenden Entrüstung bemesse sich der Grad der Unfreiheit einer Gesellschaft, sagte Zassi.

      Das besagte Sofa hatte angeblich einmal in Horkheimers Arbeitszimmer gestanden. Vielleicht sei der Denker gerade dort, auf dem Sofa liegend, die Schenkel gekreuzt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, in seinen Katholizismus zurückgekehrt, sagte Zassi, und der Kaffee in den Tassen der Kommilitonen bildete Wellenkreise; er wollte wohl unbedingt vermeiden, dass ihm auf der gleichen/selben Couch das Gleiche/Selbe widerfuhr.

      8.

      Wir waren, weil ein Regenschauer niederging, unter einer Platane stehen geblieben, wollten das Gröbste abwarten, als Zassi zwischen all dem Moos und angelegten Grün plötzlich zu sprechen begann; hier im Grüneburgpark konnte sich seine Stimme frei ausbreiten, ohne durch Zimmerwände aufgefangen, zurückgeworfen und damit verstärkt zu werden; im Freien war sie etwas, wovon keinerlei Gefahr ausging, ein Hauch nur, eine vage Erinnerung an jene Gewalttätigkeit, die ihr in geschlossenen Räumen innewohnte.

      Die stillschweigende Abmachung, im Park nicht zu sprechen, war ein Gelübde, das Zassi nun und anscheinend grundlos gebrochen hatte, denn das, was er mir sagte, hätte er auch am Telefon sagen können. Wahrscheinlich spekulierte er aber darauf, dass ich im Park seiner Rede zuhörte, ohne etwas zu erwidern. Und ich wusste nicht, ob ich darüber froh sein sollte; ein wenig erleichtert war ich schon, denn auch ich würde von nun an nicht mehr an mich halten müssen. In meinem Kopf bildete sich schon so etwas wie ein Wortfall, in dem sich das Aufgestaute der letzten Jahre einen Weg suchte, sich über meine Lippen und über Zassi ergießen würde, wie ein Fluss, der bei Hochwasser in sein natürliches Bett zurückkehrt, das neben dem begradigten Strom liegt, und alles fortreißt, was jenseits der Kanäle steht und nicht befestigt ist, Wäscheständer, Autos, Kinderwagen, Mülltonnen und unvorsichtige Menschen.

      Wir waren nicht gemacht, um zu schweigen. Beide nicht. Erst einmal aber sprach Zassi, und ich hörte ihm ein wenig unkonzentriert zu:

      Zassi erklärte, dass er seine Erinnerungen nun in eine lexikalische Ordnung bringen wolle, denn nur so erhielten sie die Form, in der er sie lenken und beherrschen könne. Von A bis Zett, ein Erinnerungsregister. Eine altertümlich anmutende papierne Datei.

      Ich musste näher an ihn herantreten, weil Zassi sehr leise sprach, als nähme er die Geräusche des Regens gar nicht als Störgeräusche wahr, die er zu übertönen hatte. Er schien auch hier draußen, wenn er sprach, nichts zu hören als seine eigene Stimme, und er schien ihrer Kraft zu vertrauen.

      Vielleicht aber wollte er auch, indem er mich zwang, mich voll und ganz auf seinen Wortklang zu konzentrieren, die Bedeutsamkeit seiner Worte unterstreichen. Denn sein Sprechen war kein sanftes Flüstern mehr, eher ein Zischen, und er presste die Worte mit Hochdruck heraus. Er habe, zischte Zassi, nachdem er seinen Blick neu justiert hatte, zum ersten Mal im Leben das Gefühl, sich kontrollieren zu können, denn das Vergangene sei ihm bislang fest und unverrückbar erschienen; im Archiv aber, das habe er nun gründlich erfahren, verliere es all seinen Schrecken, weil es dort zu wechselnden Mustern sortiert werden könne. Aus der Vergangenheit werde auf diese Weise eine mögliche Zukunft.

      Jahrelang sei er des Nachts schweißgebadet aufgewacht, weil er sich im Traum dabei beobachtet hatte, wie er eine russische Maschinenpistole zerlegte, säuberte und wieder zusammensetzte, um anschließend in kurzen Feuerstößen auf ein ihm unbekanntes Ziel zu feuern, ein Ziel, das sich außerhalb seines Gesichtskreises befand, von dem er also keine Vorstellung haben konnte, weder in welcher Entfernung es lag, noch aus welchem Material es bestand oder worum es sich überhaupt handelte. Es war ein Ziel, das nur an den Feuerstößen erkennbar war, die auf es abgegeben wurden.

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