Der Schreckenswald des Hoia Baciu. Marie Kastner

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Der Schreckenswald des Hoia Baciu - Marie Kastner

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style="font-size:15px;">      Hoias untröstliche Ehefrau Mirela nahm sich vor Einbruch des folgenden Winters das Leben. Sie erhängte sich der Überlieferung nach in einer stürmischen Nacht am Rande des Teufelswaldes.

      Valeriu und Radu warnten ihren Kinder und Kindeskinder eindringlich von jenem Waldstück, das Lebewesen spurlos verschwinden ließ. Genau wie die restlichen Bewohner des Landstrichs im Kreis Cluj. Und dennoch kam es vor, dass sich, über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg, immer wieder törichte Menschen in die Nähe dieses verhexten Ortes wagten. Insbesondere Ausländer trieb die pure Neugierde, welche nicht selten als Forschergeist deklariert wurde, dorthin.

      

       Kapitel 2

      Der Nabel des Wahnsinns?

       Popeşti/Pfaffendorf, Kreis Cluj, Spätherbst 1954

      Das beschauliche Dörfchen Popeşti bestand gerade mal aus fünf bescheidenen Wohnhäusern und einer aus Holz erbauten Kirche, vor welcher ein vergleichsweise riesiges Kruzifix aufgestellt war. Es sollte alle bösen Einflüsse von den Bewohnern fernhalten und das schien auch bitter nötig zu sein.

      Im Jahr 1848 hatten sich rumänische Bauern aus dem Landkreis Cluj in der nahen Kleinstadt Luna versammelt, um gegen die Einberufung in die ungarische Revolutionsarmee zu protestieren. Am 12. September desselben Jahres verübte diese Armee, der Geschichtsschreibung nach, unter den Aufständischen ein Massaker. Es forderte dreißig Todesopfer. Unter den Opfern dieser Bluttat war auch ein Bauernsohn aus Popeşti gewesen und seither hielt sich hartnäckig die Mär, dass es in der Gegend spuke.

      Aus dieser geschichtlich belegten Begebenheit hatte sich mit der Zeit ein regelrechter Volksglauben entwickelt. Man erzählte sich über Generationen hinweg mit einem gehörigen Schaudern, dass die Seelen der Ermordeten zwischen den Bäumen des nahe gelegenen Baciu-Waldes gefangen seien, dort bis in alle Ewigkeit ruhelos umhergehen müssten. Mit giftgrün schillernden Augen, die aus schwarzen Nebelschwaden leuchteten, machten sie angeblich die Lebenden auf ihre Qual aufmerksam.

      Wann immer überlieferte Geschichten lange genug von Mund zu Ohr weitergegeben werden, gelten sie schon nach wenigen Jahrzehnten und Generationen als Legenden. Fakten und subjektive Erinnerungen werden mit zusätzlichen Details angereichert – bis eine in sich stimmige Erzählung entsteht, alle Puzzleteile auf wundersame Weise zusammenzupassen scheinen. Triviale Randereignisse, Theorien und abenteuerliche Schlussfolgerungen von Einzelnen werden mit hinein gewoben, auch wenn sie mit der eigentlichen Story kaum etwas zu tun haben.

      Man könnte fast glauben, dass mit jedem Weitergeben ein Stückchen mehr Wahrheit darin enthalten sei, dabei ist eher das Gegenteil der Fall. Speziell das nördliche Rumänien mit seinen schroffen Hügeln, dichten Wäldern und Vampirgeschichten ist von jeher ein Land, in dem solche Legenden nicht nur die Zeiten unbeschadet überdauern, sondern in den Gehirnen quicklebendig bleiben und immer farbiger ausgeschmückt werden. Aus einer Legende kann auf diese Weise Überzeugung, wenn nicht sogar Gewissheit werden.

      So geschah es natürlich auch im Falle der ermordeten Bauernschar. Bereits kurz nach diesem furchtbaren Ereignis berichteten nahe Anwohner des Baciu-Waldes von einem unheimlichen Heulen, das vorwiegend des Nachts auftrat. Andere wollten ein diffuses Leuchten wahrgenommen haben. Es strahle zwischen den Bäumen hervor, intensiviere sich und wechsle mehrmals die Farbe von Weiß zu Grün und wieder zurück, wurde erzählt.

      Außerdem schworen die Leute Stein und Bein, dass in besagtem Waldstück häufiger Nebel auftrete als anderswo, und dass er undurchdringlicher und dunkler ausfalle. Eine logische Erklärung hatte für diese seltsame Naturerscheinung niemand parat.

      In Popeşti wagte kein Einwohner, nach Beginn der Abenddämmerung das Haus zu verlassen. Mehrere Frauen behaupteten hysterisch, mitunter eine gebeugte, durchscheinende Gestalt um die Häuser schleichen zu sehen. Sie bewege ihre Beine nicht, schwebe einfach zehn Zentimeter über dem unebenen Boden. Der Weg dieser Gestalt sei immer der Gleiche: die schnurgerade Dorfstraße entlang, dann einmal um jedes Grundstück herum – und zum Schluss verschwinde der Spuk unversehens hinter der Kirche. Danach sei stets für mehrere Wochen Ruhe.

      Zuerst hatte der Gemeindepfarrer in der sonntäglichen Messe wütend gegen diesen gotteslästerlichen Aberglauben gewettert – bis er selbst Zeuge einer solchen Heimsuchung geworden war. Seither hatte man sämtliche Fenster des Dorfes mit blickdichten Vorhängen ausgestattet, damit der mutmaßliche Wiedergänger keine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme bekam. Einige befürchteten, dass der ermordete Bauernsohn Andraş sich ansonsten an der Bevölkerung des Dorfes rächen könnte – weil man ihm in der Stunde seiner höchsten Not nicht zu Hilfe geeilt war. Die Menschen in Popeşti wähnten sich deswegen kollektiv in einer Art Erbsünde gefangen und gaben diese schwere Last an ihre jeweiligen Nachkommen weiter.

      Im Jahr 1954 hielten sich immer noch Reste hiervon im Unterbewusstsein der ortsansässigen Leute, auch wenn Angst und Aberglaube nicht mehr ganz so fest in ihrem Alltag verwurzelt waren. Selbst im höchst provinziellen Popeşti hielt die Moderne allmählich Einzug, nur eben langsamer und inkomplett. Mittlerweile wurden allerdings andere, völlig neuartige Ereignisse mit der alten Geschichte verknüpft. Und wieder schienen sich sämtliche Puzzleteile bestens zusammenzufügen …

      *

      Sobald an irgendeinem Ort etwas scheinbar Unerklärliches geschehen ist, neigen die Menschen dazu, diesen aus gebührendem Abstand mit Argusaugen zu beobachten, und zwar weltweit und unabhängig vom Kulturkreis. Jeder neuerliche Vorfall, so unbedeutend er auch sein mag, wird entsprechend interpretiert – bis er eben stimmig ins Bild passt.

      Die Bevölkerung Nordrumäniens bildete da keine Ausnahme, ganz im Gegenteil. Während jedoch in vergangenen Jahrhunderten hauptsächlich Augenzeugenberichte von grünen Geisteraugen, nächtlichem Frauenund Kinderlachen sowie merkwürdigen Lichtphänomenen die Runde gemacht hatten, ging es jetzt zunehmend um seltsame Wolkenformationen, silberglänzende, fliegende Gegenstände und mutmaßlich böswillige Aktivitäten von Fremden im Baciu-Wald.

      Wer oder was diese ominösen Fremden sein sollten, beziehungsweise, was sie dort überhaupt wollten, wusste indes niemand zu deuten. Es kursierten hierüber zwar zahllose Gerüchte, doch tragfähige Beweise fanden sich keine.

      Die einzigen Spuren, die in unregelmäßigen Zeitabständen im Waldstück des Teufels gesichtet wurden, waren partiell verkohlte Äste. Allerdings wagten sich meist bloß nichtsahnende Ortsunkundige hinein, was klammheimliche Aktivitäten von ›Fremden‹ sicher problemlos ermöglicht hätte.

      An einem wolkenverhangenen, kalten Novemberabend versorgten Dănuţa und Mihai Stanciu gerade ihre Tiere im dem Wohnhaus gegenüber liegenden Ziegenstall, als durch die breiten Ritzen des grob zusammen gezimmerten Bretterverschlags plötzlich grelle Lichtstrahlen ins Innere drangen. Sie schienen irisierend über Boden und Wände zu tanzen.

      Beunruhigt sah Mihai hoch, stutzte. Er stieß seine dicke Ehefrau grob in die Seite. Diese beugte sich soeben über die Raufe und hatte daher noch nichts bemerkt. Ihre Leibesfülle ließ jegliche Bewegung zu einem Kraftakt geraten. Mühselig richtete sie sich auf, ächzte und stöhnte dabei.

      »Schau mal her! Wo mag dieses außergewöhnlich helle Strahlen bloß herkommen?«, fragte er mit gerunzelter Stirn und stellte langsam die Heugabel in die Ecke zurück, jedoch ohne hierbei das mysteriöse Scheinen aus dem Blick zu lassen. Mit zusammen gekniffenen Augen verfolgte er, wie sich die langen Finger aus Licht ruckartig durch den Stall tasteten.

      Dănuţa streckte den Rücken, warf ihren dicken Zopf über die Schulter zurück und kratzte sich am

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