Dunkelsonne. Marie Kastner

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Dunkelsonne - Marie Kastner

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ich saß in dem kleinen Verkaufscontainer, den man schemenhaft von hier aus erkennen kann. Ich bessere mit dem Nachtwächterjob meine beschissen geringe Rente auf. Wissen Sie, ich bin ja schon einiges gewohnt. Die gottverdammten Rocker machen einen Höllenlärm mit ihrer Musik, und die Motorräder hört man natürlich auch ständig anund abfahren. Aber sowas wie heute … ! Und das ausgerechnet in unserem beschaulichen Nürnberg. Franken ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Wir sind hier doch nicht in Berlin oder Hamburg!«

      »Was ist denn passiert, und wann genau?«

      Der Zeuge kratzte sich unter seiner schwarzen Wollmütze, auf der ein aufgenähtes Emblem des Fußballvereins Greuther Fürth prangte. Mutig, damit in Nürnberg herumzulaufen.

      »Mal überlegen. Meinen letzten Rundgang auf dem Hof habe ich kurz vor ein Uhr beendet. Danach brauchte ich dringend eine Tasse Tee aus der Thermoskanne, um mich aufzuwärmen. Ich denke mal, so um fünf nach eins hörte ich die Motorräder kommen. Was ich ungewöhnlich fand, weil das wilde Treiben im Clubhaus sonst um diese Uhrzeit längst voll im Gange ist. Zehn Minuten später hörte ich den ersten Schuss, gefolgt von einer wilden Schießerei und Gebrüll. Es hörte sich an, als würde eine ganze Gruppe das Gebäude stürmen wollen.«

      »Aha. Also ist da wohl ein rivalisierendes Charter angekommen, oder? Waren die Hausherren überhaupt anwesend?«

      »Bevor die Meute anrückte, war es drüben relativ ruhig. Vielleicht so zwei oder drei Rocker könnten sich im Haus befunden haben. Genau weiß ich es aber nicht. Ich habe besseres zu tun, als dauernd diese Verbrecher zu beobachten«, meinte Schilling achselzuckend.

      Inzwischen waren die Kollegen des vernehmenden Polizisten bis zum Clubheim vorgerückt und hatten festgestellt, dass sich in der Fassade etliche Einschusslöcher befanden. Scheiben waren zerborsten. Die ebenfalls von Kugeln durchsiebte Tür stand sperrangelweit offen. Innen stellten sie wenig später fest, dass sämtliche Insignien des berüchtigten Rockerklubs entweder zerstört oder zumindest mit schwarzer Sprühfarbe besudelt worden waren. In diesen Kreisen war sowas mit einer Kriegserklärung gleichzusetzen.

      Tote oder Verletzte fanden sich bei der Durchsuchung nicht. Jedenfalls noch nicht. Die Beamten wussten: Wenn eine Fehde zwischen zwei verfeindeten Clubs erst einmal eröffnet ist, kann man jeden Tag mit einer Eskalation rechnen.

      Eine Anzeige wegen Sachbeschädigung würde trotz des hohen Schadens bei den Behörden hingegen wohl nie eingehen. Man pflegte solche Dinge in Rockerkreisen lieber unter sich zu regeln, meist mit Waffengewalt.

      Die Beamten fotografierten prophylaktisch den Tatort und zogen wieder ab.

       Montag, 17. März 2014

       Kapitel 2

      Im Hamsterrad

      »Greta, kommst du mal bitte? Du hast Kundschaft!«

      Na klar. Kaum ging man kurz in die Teeküche, um sich einen Pott Kaffee zu holen, musste auch schon die liebe Kollegin Auerbach nerven. Und das, obwohl sie inzwischen durchaus in der Lage hätte sein sollen, eine simple Kleinanzeige entgegen zu nehmen.

      Seit drei Monaten arbeitete das wasserstoffblonde Biest in derselben Abteilung der örtlichen Tageszeitung, doch außer Fingernägel lackieren, ständig Facebook checken und privat im Web surfen hatte sie scheinbar wenig gelernt. Greta Lindenhardt konnte sich durchaus denken, welche triftigen ›Argumente‹ beim Personalchef zu ihrer Einstellung geführt hatten. Selbige waren unübersehbar, drohten den Knopf am Ausschnitt ihrer hautengen Bluse weg zu sprengen. Abteilungsleiter Müller dachte leider allzu gerne mit dem Schwanz, was sich insbesondere bei der alljährlichen Weihnachtsfeier zeigte.

      »Ich bin gleich vorne!«, brüllte die Lindenhardt zurück, während sie eine Taste des Kaffeevollautomaten drückte und gleichzeitig zwei Süßstofftabletten in den Becher fallen ließ.

      Eine Minute später stellte sie das dampfende Getränk neben dem polierten Marmortresen ab, der den Publikumsverkehr von ihrem überfüllten Schreibtisch trennte.

      Zwei ältere Damen, von denen eine in der Handtasche wühlte. Aha. Todesanzeige oder entlaufene Katze, dachte sie angewidert. Immer dasselbe. Hierher in die Geschäftsstelle kamen, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, sowieso nur diejenigen Kunden, welche nicht in der Lage waren, ihre Anzeige online aufzugeben. Also zumeist alte Leute, unterbelichtete Hausfrauen oder Loser, die gegen Technik allergisch waren. Und genau dieses Klientel hatte sie jetzt, nach fünfzehn Jahren bei der Mittelfränkischen Rundschau, sowas von satt.

      Tür auf, Tür zu. Tagaus, tagein. Acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche. Ohne Aussicht auf Entkommen, denn das Reihenhaus in der Vorstadt musste noch abbezahlt werden. Die Arbeitslosenquote in Nürnberg war hoch, und mit fünfundvierzig wurde man nicht mehr überall mit offenen Armen genommen. Klar, Dirk verdiente als Finanzbeamter ganz gut – dafür betäubte er seinen Frust über diesen öden Beruf aber mit teuren Belohnungen. Ein nagelneuer BMW, exklusive Uhren und kostspielige Urlaube gehörten für ihn untrennbar zum Beamtenleben. Im Grunde genommen war er in beruflicher Hinsicht ein mindestens genauso armes Schwein wie sie selbst. Gefangen in der Ödnis eines ungeliebten Berufs, was noch gut zwanzig Jahre so weitergehen würde.

      Nastasia Auerbach wackelte gemächlich heran, reckte ihren schlanken Hals und sah ihr über die Schulter. Schwerer Parfümduft kitzelte Gretas Nase. Wie konnte man tagsüber nur Opium tragen? Routiniert nahm sie den Anzeigentext auf, zeigte den schwarz gekleideten Krähen verschiedene Designs für die Traueranzeige. Kreuz mit Rose, Rose mit Gebetsbuch, verschnörkeltes Kreuz – und so weiter. Stinklangweilig.

      Nachdem die Kundinnen gegangen waren, drehte Greta sich zu Nastasia um, die mit kuhdummen Augen in die Gegend blinzelte.

      »Die nächste Anzeige nimmst ausnahmsweise du auf, ist das klar?«, verfügte sie resolut.

      Die Blondine schmollte indigniert. Na klasse. Und der Kaffee war mittlerweile auch nur noch lauwarm.

      17:00 Uhr. Endlich. Greta Lindenhardt raffte die Papiere auf ihrem Schreibtisch zu einem Stapel zusammen, versendete noch zwei E-Mails, legte sich den schwarzen Daunenmantel über den Arm und griff nach ihrer Handtasche.

      »Bis morgen dann!« Eine Antwort der auf dem Smartphone tippenden Auerbach wartete sie gar nicht erst ab, sondern glitt aus der Glastür und sperrte ab.

      Es graupelte leicht, und das Mitte März, wo jeder schon sehnsüchtig auf den Frühling wartete. Mist, Dirk hatte letztes Wochenende auf ihrem uralten Opel Tigra twintop die Sommerreifen montiert! Sie liebte ihren metallicgelben Renner über alles, auch wenn ihr Mann sie ständig ermahnte, die anfällige Rostlaube Baujahr 1999 schleunigst loszuwerden.

      Schnellen Schrittes eilte Greta in das benachbarte Einkaufszentrum, um noch ein paar frische Zutaten für das Abendessen zu besorgen. Sie kam an den Schaufenstern eines Textildiscounters vorbei, betrachtete sich im Vorübergehen. Sie konnte sich sehen lassen, kein Zweifel. Schulterlanges, glattes braunes Haar mit blonden Strähnchen, ein ebenmäßiges Gesicht mit gerader, nicht zu großer Nase, schlanke Figur, dezentes Makeup, schicke Stiefeletten … sie sah blendend für ihr Alter aus, wenn auch bei weitem nicht so aufgetakelt und künstlich wie die blöde Auerbach.

      Greta blieb kurz stehen, betrachtete die Auslagen. Die leichten Sommerkleider in Royalblau wollten weder zu ihrer Stimmung noch zur Außentemperatur passen. Trotzdem, eine ausgedehnte Shoppingtour musste demnächst sein. Vorfreude war Trumpf. Am besten gleich am Freitag, wenn sie dank der Nachhilfestunden

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