Langeooger Dampfer. Peter Gerdes

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Langeooger Dampfer - Peter Gerdes

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Großer Vorbericht über die ›Langeooger Dampfertage‹.« Den Aufmacher hatte Marian sich längst zurechtgelegt: »Die ›Prinz Heinrich‹ erstmals im Langeooger Hafen. Spannende Geschichte über die bewegte Vergangenheit dieses Schiffs. Und darüber, wie eine Gruppe von Rentnern und anderen Freiwilligen in jahrelanger Arbeit aus einem Wrack ein seetüchtiges Schiff gemacht hat.« Er ließ eine Serie von Fotos über seinen Bildschirm laufen. »Zu diesem Thema fällt für dich bestimmt die eine oder andere Geschichte ab.«

      »Soso.« Ocko Onken stampfte in der Redaktionsstube auf und ab und tat so, als mustere er die abgelegten Ausgaben des laufenden Jahres und den Inhalt des Posteingangskörbchens. Dann verabschiedete er sich mit einem Grunzen und rumpelte die Holztreppe hinab zur Geschäftsstelle und zur Anzeigenberatung. Von dort drang der verlockende Duft frisch aufgebrühten Kaffees zu ihm in den ersten Stock. Ob die Kolleginnen diesen Köder bewusst ausgeworfen hatten?

      Marian ignorierte das Kaffeearoma und stellte sich ans halb geöffnete Fenster, sog die herrlich frische, leicht salzige Luft tief ein und genoss den geliebten Ausblick über die Dünen.

      Über die Dünen und einen Teil der Straße. Die Bewegung dort unten drängte sich ganz automatisch in sein Bewusstsein. Was war denn da los?

      Auf den ersten Blick nicht viel; ein Grüppchen Menschen, offenbar gerade am Bahnhof eingetroffen, eilte vorbei. Vier Männer, zwei Frauen, mit Taschen und Aluboxen. Keine Rucksäcke, keine Rollkoffer. Was aber wirklich ungewöhnlich war, waren die Mienen dieser Menschen: angespannt, verkniffen, entschlossen. So guckten keine Urlauber, und auch Leute, die aus dienstlichen Gründen auf die Insel kamen, standen selten so unter Stress – oder stellten ihn jedenfalls nicht so deutlich zur Schau. Das taten höchstens Insulaner zur Hochsaison. Und das da waren bestimmt keine Langeooger.

      Schon waren sie verschwunden. Was tun, überlegte Marian – hinterher?

      Das Telefon nahm ihm die Entscheidung ab. Lüppo Buss war dran. »Ich dachte, ich informiere dich gleich, ehe du es aus anderer Quelle erfährst«, sagte der Inselpolizist. »Und ehe die Blutblätter vom Festland ihre Geier schicken.«

      Schnell anschwellender Lärm verschluckte seine nächsten Worte. Ein Hubschrauber dröhnte über die kleine Redaktion hinweg, so dicht, dass Marian unwillkürlich den Kopf einzog.

      »Höhe Pirolatal. Du beeilst dich besser«, war das Letzte, was Marian hörte, als er wieder hören konnte. Dann beendete Lüppo Buss das Gespräch.

      3.

      Zuerst dachte Marian, der Inselpolizist wollte ihn heranwinken. Erst als er fast an der Absperrung war, erkannte er die Fliegenschwärme, gegen die Lüppo Buss mit seiner Dienstmütze ankämpfte wie Don Quijote gegen Windmühlen. Ebenso erfolglos.

      Auch am frühen Vormittag hatte die Sonne allerhand Kraft, der Weg durch den weichen Sand war recht weit gewesen, der schwache Seewind kühlte kaum, und Marian war nicht der Fitteste. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß, die Locken klebten ihm auf der Stirn, und von seinem struppigen Bart ging ein mörderischer Juckreiz aus. Unter seinen Achseln fühlte es sich heiß und glitschig an. Marian hatte das Gefühl, dass die beiden Frauen des Kriminalistenteams vom Festland ihn abfällig musterten.

      Umso erfreuter reagierten die Fliegen auf seine Ankunft. Marian hatte seinen Notizblock eigentlich aus anderen Gründen gezückt, jetzt musste er als Klatsche herhalten.

      Das wahre Objekt der Fliegenbegierde lag jedoch in einer Sandkuhle, von einem flüchtig aufgeworfenen Ringwall umgeben, der nach Kinderbelustigung aussah und doch alles andere war als das. Gebeugte Rücken in weißen Overalls umringten einen Leichnam. Einen männlichen, wenn Marian die rötlichen Fusseln an Kinn und Wangen richtig deutete.

      Über all dem lag ein undefinierbarer Geruch. Eindeutig unangenehm, aber so schwach der Seewind auch war, er verhinderte, dass Marian den Geruch einordnen konnte. Vage bekannt – aber woher?

      Noch mehr kam ihm bekannt vor. Seine erste Frage an Lüppo Buss blieb Marian im Halse stecken. »Wer ist – ich meine, ist das nicht … doch nicht etwa …«

      »Robin Seefeld.« Der Inselpolizist setzte sich seine Dienstmütze auf, prüfte den korrekten Sitz des Mützenschirms mit der Handkante, um sich die Kopfbedeckung im nächsten Moment in den Nacken zu schieben. Der Mückenschwarm hatte sich wieder der Kuhle zugewandt.

      »Verdammt.« Marian schlug sich den Notizblock gegen die Stirn, aber was er dort gespürt hatte, war keine Fliege gewesen, sondern eine Schweißperle. »Also deshalb. Und ich hatte mich schon gefragt …« Er verstummte.

      »Was hattest du dich gefragt?« Lüppo Buss zog die borstigen Augenbrauen über der Nasenwurzel zusammen und fixierte den Journalisten scharf. »Los, raus damit! Irgendwas Sachdienliches?«

      »Nee.« Marian schüttelte den Kopf und schluckte trocken. »Ich hatte mich nur gefragt, warum er gestern nicht dabei gewesen ist. Er als Grüner, ich hatte gedacht, da kommt er bestimmt hin.«

      »Wohin? Was meinst du?«

      »Na, zu der internationalen Umweltkonferenz gestern! Er war aber nicht dort. Und auf der Abschlusskundgebung auch nicht, sagt Ocko Onken.«

      Der Inselpolizist lachte auf, überraschend und so laut, dass der Fliegenschwarm aufstob wie Rauch. »Du meinst wohl die Abschusskundgebung!«

      Missbilligende Blicke des Tatortteams beendeten Lüppo Buss’ Heiterkeitsausbruch. Auch Marian schwieg betreten. Nur ein paar Möwen hoch über ihnen stießen unbeeindruckt ihre Schreie aus.

      Robin Seefeld also. Noch keine 24 Jahre. Gebürtiger Langeooger, auf der Insel bekannt wie ein bunter Hund. Gewitztes Kerlchen, immer schon gewesen. Als Schüler hatte er angefangen, aus Strandgut Kunstobjekte zu fertigen und an Touristen zu verkaufen; die meiste Arbeit hatte er dabei darauf verwandt, sich fantasievolle Namen für die Fundstücke auszudenken. Später, als der Besuch des Internatsgymnasiums in Esens seine Anwesenheit auf der Insel einschränkte, hatte er jüngere Kinder dafür bezahlt, die Strände Langeoogs nach geeignetem Plunder abzusuchen. Gering bezahlt, gemessen an seinen Erträgen. Die hatten Neider auf den Plan gerufen; immerhin gab es Händler auf der Insel, die ähnliche Geschäfte professionell betrieben. Und Steuern zahlten. Wer von denen Robin Seefeld verpfiffen hatte, kam nie heraus. Vielleicht, weil Lüppo Buss die Anzeige verschleppte und Fusselbart Robin längst andere Einkommensquellen gefunden hatte. Nach dem Abitur hatte Seefeld ein Studium in Oldenburg aufgenommen. Was genau? Marian konnte sich nicht erinnern. Irgendwas mit Umwelt? Oder doch eher BWL, was all die studierten, die nichts mit sich anzufangen wussten? Obwohl, das traf auf Robin eher nicht zu.

      Hatte nicht auf ihn zugetroffen, korrigierte sich Marian. Robin Seefeld war tot, dort drüben lag seine Leiche. Und stank. Ja, das konnte man riechen, deutlich sogar, wenn der Wind eine kleine Pause einlegte. Nicht nur als Fliege.

      Marian hatte schon früher Leichen gerochen. Dieser Geruch war irgendwie – anders.

      »Wie lange liegt er da schon?«, fragte er.

      Der Inselpolizist zuckte mit den Achseln. »Ein bis zwei Tage, grob geschätzt. Auf die nähere Eingrenzung warte ich noch.« Mit einem Nicken deutete er auf eine der beiden weiß gekleideten Frauen. Sie hatte sich die Kapuze ihres Einwegoveralls so eng ums Gesicht geschnürt, dass selbst Unterlippe und Augenbrauen darin verschwanden. Unter ihrer Nase glitzerte es. Schweiß oder Heilpflanzenöl?

      »Wurde er umgebracht?«, fragte Marian.

      »Was denkst du denn?«, schnauzte Lüppo Buss. »Glaubst du, der hat sich selber im Sand

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