Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift

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Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten - Jonathan Swift

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behandelte alle die gewöhnlichen Gemeinplätze europäischer Moralisten und zeigte, welch ein kleines, hilfloses und verächtliches Tier der Mensch, seiner eigenen Natur überlassen, sei, wie er sich nicht in einem rauhen Klima schützen und gegen die Wut wilder Tiere verteidigen könne; wie sehr ihn das eine Geschöpf an Kraft, das andere an Schnelligkeit, das dritte an Vorsicht, das vierte im Fleiße übertreffe. Er fügte hinzu: Die Natur sei in diesem letzten Zeitalter ganz entartet und könne jetzt, in Vergleich mit alten Zeiten, nur kleine Mißgeburten hervorbringen. Man müsse vernünftigerweise annehmen, das Menschengeschlecht sei nicht allein ursprünglich weit größer gewesen, sondern es habe in alten Zeiten auch Riesen gegeben; so wie dies durch Geschichte und Tradition behauptet werde, so sei es durch die ungeheuren Knochen und Schädel erwiesen, die man durch Zufall in den verschiedenen Teilen des Königreichs ausgrabe und deren Größe das gewöhnliche zusammengeschrumpfte Menschengeschlecht unserer Tage bei weitem übersteige. Der Verfasser glaubte, sogar die Naturgesetze erforderten, daß wir im Anfange größer und stärker gebaut und dem Untergange bei jedem Zufalle nicht so ausgesetzt gewesen wären, zum Beispiel durch einen vom Dache herunterfallenden Ziegel, durch kleine, von bösen Buben geworfene Steine oder durch Hineinfallen in ein Loch. Durch diese Beweisführung kam der Verfasser auf die moralische Anwendung, die im gewöhnlichen Leben nützlich sein könne, deren Wiederholung hier jedoch unnütz ist. Was mich betrifft, so konnte ich den Gedanken nicht unterdrücken, das Talent, moralische Vorlesungen zu halten oder vielmehr Unzufriedenheit und Ärger gleichsam im Zanke mit der Natur zu äußern, sei doch allgemein verbreitet. Ich glaube, man wird auch bei uns diese Zänkereien ebenso unbegründet finden wie bei jenem Volke.

      Was die Militärangelegenheiten von Brobdingnag betrifft, so besteht die königliche Armee aus 176000 Mann Infanterie und 32000 Mann Kavallerie, wenn nämlich ein Heer den Namen einer Armee verdient, das aus Geschäftsleuten verschiedener Städte und aus den Bauern des Landes zusammengesetzt und von den höheren Ständen ohne Sold oder Belohnung befehligt wird. Die Truppen sind zwar gut exerziert und stehen unter guter Disziplin, allein darin sah ich kein großes Verdienst. Dies ist nämlich eine ganz natürliche Folge, da jeder Pächter von seinem Gutsherrn und jeder Bürger von den angesehensten Leuten seiner Stadt befehligt wird, die nach Art der Republik Venedig durch eine geheime Abstimmung gewählt werden.

      Ich habe häufig die Miliz von Lorbgrulgrud zum Exerzieren ausrücken sehen, und diese Waffenübungen wurden bei der Stadt auf einem großen Felde, von zwanzig Quadratmeilen Umfang, abgehalten. Die Miliz betrug nicht mehr als 25000 Mann Infanterie und 6000 Mann Kavallerie. Es war mir aber unmöglich, ihre Zahl nach dem Boden, den sie einnahm, zu bestimmen. Ein Reiter auf einem großen Pferde mochte ungefähr neunzig Fuß hoch sein. Ich habe gesehen, wie diese ganze Masse Kavallerie auf Kommando ihre Säbel zog und in der Luft schwang. Die Einbildungskraft kann nichts so Großartiges, Überraschendes und Erstaunliches ersinnen. Es schien, als ob zehntausend Blitze auf einmal von jedem Teile des Himmels herabführen.

      Ich wurde neugierig, weshalb dieser Fürst, dessen Gebiet von jedem anderen abgeschlossen ist, eine Armee halte und sein Volk an militärische Disziplin gewöhne; bald aber erfuhr ich den Grund sowohl durch Gespräch wie durch Lesen der Geschichtschreiber von Brobdingnag. Viele Menschenalter hindurch litt das Volk an derselben Krankheit, der das Menschengeschlecht überall unterworfen ist; der Adel strebte oft nach Gewalt, das Volk nach Freiheit und der König nach unumschränkter Macht. Alle diese Umstände, die freilich glücklicherweise durch die Gesetze des Königreichs gemildert wurden, bewirkten mitunter, daß eine der drei Parteien das Recht verletzte und daß Bürgerkriege entstanden. Der letzte wurde von dem Großvater des regierenden Königs glücklicherweise durch einen allgemeinen Vergleich beendet, und die Miliz, die damals durch Übereinkommen aller errichtet wurde, ist seitdem fortwährend im strengsten Dienst erhalten worden.

      Achtes Kapitel

      Der König und die Königin reisen an die Grenzen. Der Verfasser begleitet sie; ein genauer Bericht von der Weise, wie er das Land verläßt. Er kehrt nach England zurück.

      Ich hegte stets die feste Überzeugung, daß ich dereinst meine Freiheit wiedererlangen würde, obgleich es mir unmöglich war, die Mittel auszusinnen oder einen Plan, der gelingen könnte, zu dem Zwecke zu entwerfen. Das Schiff, worin ich anlangte, war das erste, das an die Küste verschlagen wurde, und der König hatte strengen Befehl gegeben, ein zweites, das wieder ankommen möchte, ans Ufer zu bringen und mit aller Mannschaft in Körben nach Lorbgrulgrud zu transportieren. Er wünschte sehr, mir ein Weib meiner Größe verschaffen zu können, damit ich die Rasse fortpflanzte; ich glaubte aber, ich wäre lieber gestorben, als daß ich schmählicherweise eine Nachkommenschaft hinterlassen hätte, die man wie zahme Kanarienvögel in Käfigen verwahrt und mit der Zeit als Merkwürdigkeiten an Personen von Stande verkauft haben würde. Ich wurde allerdings sehr gütig behandelt; ich war der Günstling eines großen Herrscherpaares und das Entzücken eines ganzen Hofes, allein ich stand mit allen Personen auf einem Fuße, welcher der Würde des Menschengeschlechts nicht geziemte. Auch konnte ich nie meine teure Familie in England vergessen. Und dann wünschte ich auch, unter Leuten zu leben, mit denen ich als meinesgleichen umgehen, und daß ich in den Straßen und Feldern ohne Furcht, wie ein Frosch oder junger Hund zertreten zu werden, umherspazieren könnte. Meine Befreiung kam jedoch schneller, als ich erwartet hatte, und in sehr ungewöhnlicher Weise. Die ganze Geschichte, mit allen Einzelheiten, will ich hier getreulich berichten. Ich befand mich jetzt zwei Jahre in Brobdingnag, und im Anfang des dritten begleitete ich mit Glumdalclitch den König und die Königin auf einer Reise nach der Südküste des Königreichs. Wie gewöhnlich, wurde ich in meiner Reiseschachtel mitgenommen, die, wie ich bereits erwähnt habe, ein sehr bequemes Zimmer von zwölf Fuß im Umfange war. Ich ließ darin eine Hängematte mit seidenen Fäden an den vier Ecken der Decke befestigen, um dadurch die Heftigkeit der Erschütterung zu mildern, wenn mich ein Diener nach meinem Wunsche zu Pferde trug. In dieser Hängematte pflegte ich auf der Reise oft zu schlafen. In der Decke meines Zimmers, jedoch nicht gerade über meiner Hängematte, ließ ich von dem Tischler ein Loch von einem Quadratfuß Breite einschneiden, damit ich während des Schlafes bei heißem Wetter frische Luft genieße; dieses Loch konnte ich nach Belieben mit einem in einer Rinne vorwärts und rückwärts verschiebbaren Brette schließen.

      Als wir die Reise beendet hatten, war es dem Könige angenehm, einige Tage in einem Palaste in Flanflasnic, einer neun Stunden vom Meeresufer liegenden Stadt, zuzubringen. Glumdalclitch und ich waren sehr ermüdet; ich hatte mich leicht erkältet, das arme Mädchen aber war so krank, daß sie das Zimmer hüten mußte. Ich wünschte das Meer zu sehen, durch das ich allein zur Freiheit gelangen konnte, wenn diese mir jemals beschieden sein sollte. Deshalb behauptete ich, mich schlimmer zu befinden, als es wirklich der Fall war, und bat um die Erlaubnis, mit einem Pagen, den ich sehr liebte und dem ich schon mehrere Male anvertraut worden war, die frische Seeluft genießen zu dürfen. Nie werde ich vergessen, mit welchem Widerstreben Glumdalclitch ihre Einwilligung gab. Sie schärfte dem Pagen die äußerste Sorgfalt ein und brach in eine Tränenflut aus, als ob sie die baldigen Ereignisse geahnt hätte; der Knabe trug mich in der Schachtel ungefähr eine halbe Stunde weit von dem Palaste an das Meerufer. Dort befahl ich ihm, mich niederzusetzen, zog ein Schiebefenster auf und warf manchen sehnsuchtsvollen, melancholischen Blick auf die Fluten. Ich befand mich ja nicht wohl und sagte deshalb dem Pagen, ich wünsche in meiner Hängematte ein wenig zu schlafen, was mir, wie ich hoffe, gut bekommen werde. Ich ging hinein, und der Knabe ließ das Schiebefenster herunter, um die Kälte abzuhalten. Gleich darauf schlief ich ein. Wahrscheinlich dachte der Page, ein Unfall könne sich nicht ereignen, und ging fort, um unter den Felsen Vogeleier zu suchen. Ich sah nämlich aus meinem Fenster, wie er unter den Klippen suchte und ein- oder zweimal etwas aufnahm. Genug, ich wurde plötzlich durch ein heftiges Ziehen an dem Ringe erweckt, der an dem Deckel meiner Schachtel, um sie bequemer transportieren zu können, befestigt war. Ich fühlte, wie meine Schachtel sehr hoch in die Luft emporgehoben und dann mit wunderbarer Schnelligkeit in horizontaler Richtung weiter fortgetragen wurde. Die erste Erschütterung hätte mich beinahe aus meiner Hängematte geschleudert, allein die spätere Bewegung war ziemlich sanft. Ich schrie mehreremal so laut wie möglich, allein dies half mir nichts; ich sah durch meine Fenster, aber erblickte nichts als Himmel und

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