Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift

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Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten - Jonathan Swift

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Füllen dürfen kein Korn Hafer berühren, mit Ausnahme gewisser Tage, bis sie das achtzehnte Jahr erreicht haben; Milch erhalten sie nur selten; im Sommer grasen sie zwei Stunden des Morgens und dieselbe Zeit am Abend, wobei sie von ihren Eltern beaufsichtigt werden. Den Dienern ist nicht mehr als die Hälfte dieser Zeit zugestanden, und ein großer Teil des Grases, wovon sie sich nähren, wird nach Hause gebracht. Sie essen dieses in passenden Stunden, wenn man sie am besten bei der Arbeit entbehren kann.

      Mäßigkeit, Fleiß, Körperbewegung und Reinlichkeit werden den Füllen beider Geschlechter als immerwährende Lehren gegeben. Auch hielt es mein Herr für ein unnatürliches Verfahren, daß wir den weiblichen Personen unserer Art eine andere Erziehung als den männlichen geben, mit Ausnahme einiger Punkte, welche die Verwaltung des Hauswesens betreffen. Er bemerkte mit vollkommenem Recht, die Hälfte unserer Staatsbürger sei deshalb zu nichts anderem zu gebrauchen als zum Hervorbringen von Kindern. Der Umstand jedoch, daß man die Erziehung der Kinder solchen nutzlosen Personen anvertraue, sei ein noch größerer Beweis unserer tierischen Natur.

      Die Hauyhnhnms erziehen ihre Jugend zur Kraft, Schnelligkeit und Abhärtung; sie müssen auf steilen Anhöhen und steinigem Boden öfters Wettrennen laufen. Sind die Füllen in Schweiß geraten, so müssen sie sich bis über die Ohren in einen Teich oder Fluß tauchen. Viermal des Jahres kommt die Jugend eines bestimmten Distrikts zusammen, um ihre Fortschritte im Laufen, Springen und anderen Beweisen ihrer Fertigkeit und Behendigkeit zu zeigen; der Sieger oder die Siegerin wird dabei mit einem Lobgedicht belohnt. Bei dieser Festlichkeit treiben die Bedienten eine Herde Yähus auf das Feld, die mit Heu, Hafer und Milch beladen sind, zur Bewirtung der Hauyhnhnms bestimmt. Dann aber werden diese Tiere sogleich wieder zurückgetrieben, damit sie der Gesellschaft nicht lästig werden.

      Alle vier Jahre wird im Frühlingsäquinoktium eine Repräsentantenversammlung der ganzen Nation gehalten auf einer Ebene, die ungefähr zehn Stunden von unserem Hause entfernt liegt. Hier untersuchen die Hauyhnhnms den Zustand der verschiedenen Distrikte, ob sie Überfluß an Heu, Hafer, Kühen oder Yähus besitzen oder daran Mangel leiden. Findet sich irgendwo ein Mangel (ein Fall, der jedoch nicht häufig vorkommt), so wird er sogleich durch einmütig gewährte Beisteuer wieder ausgeglichen. Hier werden auch die Regulierungen hinsichtlich der Kinder festgesetzt; zum Beispiel, wenn ein Hauyhnhnm zwei männliche Kinder hat, so vertauscht er eins mit einem anderen, der zwei weibliche besitzt; ist ferner ein Kind durch Zufall verlorengegangen und die Mutter bereits alt, so wird beschlossen, welcher Distrikt ein anderes Kind aufziehen soll, um den Verlust zu ersetzen.

      Neuntes Kapitel

      Eine große Debatte in der allgemeinen Versammlung der Hauyhnhnms und was darin beschlossen wird. Die Gelehrsamkeit der Hauyhnhnms. Ihre Gebäude. Ihre Begräbnisart. Die Mangelhaftigkeit ihrer Sprache.

      Einmütigkeit herrscht allgemein in den Entscheidungen der Versammlungen der Hauyhnhnms, sogar dann, wenn die Mitglieder mit verschiedenen Ansichten zusammenkommen, denn kein Hauyhnhnm schämt sich, zur besseren Einsicht und Vernunft bekehrt zu werden.

      Eine dieser großen Versammlungen wurde zu meiner Zeit, ungefähr drei Monate vor meiner Abreise, gehalten; mein Herr, als Repräsentant seines Distrikts, nahm daran teil. In dieser Versammlung wurde die alte Debatte wieder aufgenommen, die beinahe die einzige in dem Lande ist. Mein Herr gab mir darüber nach seiner Rückkehr einen sehr ausführlichen Bericht.

      Die Frage betraf die Vertilgung der Yähus von der Erde. Ein Parlamentsmitglied sprach dafür und führte mehrere gewichtige Gründe für seine Meinung an. Es behauptete: So wie die Yähus die schmutzigsten, unruhigsten und häßlichsten Tiere seien, welche die Natur jemals hervorgebracht habe, so zeigten sie sich auch störrisch, ungelehrig und boshaft. Heimlich sögen sie Milch aus den Eutern der Kühe, die den Hauyhnhnms gehörten, töteten und fräßen ihre Katzen, zerträten Hafer und Gras, wenn man nicht ein genaues Auge auf sie habe, und begingen tausend andere Ungehörigkeiten. Der Redner führte dann die allgemeine Tradition an.

      Yähus habe es nicht von jeher in seinem Vaterlande gegeben. Vor längerer Zeit seien zwei dieser Tiere auf einem Berge erschienen. Ob sie von der Hitze der Sonne aus verfaultem Morast und Schlamm oder aus dem Schlick und dem Schaum der See entstanden seien, bleibe ungewiß; die Yähus hätten eine Nachkommenschaft gezeugt, die bald so zahlreich geworden sei, daß sie die ganze Nation angreifen konnte; die Hauyhnhnms, um das Übel loszuwerden, hätten eine allgemeine Jagd angestellt und zuletzt die ganze Herde eingeschlossen; die älteren seien getötet worden; jeder Hauyhnhnm habe zwei Junge in seinem Stall gehalten und sie zu einem solchen Grade von Zahmheit, wie sie ein von Natur so wildes Tier nur erlangen könne, dadurch gebracht, daß er sie zum Ziehen und Lasttragen verwandt habe.

      Diese Tradition scheine wahr zu sein, denn jene Geschöpfe konnten nicht Ylnhiamshy (Ureinwohner) des Landes sein, weil die Hauyhnhnms wegen des heftigen Hasses, den sie wie andere Tiere mit vollem Rechte gegen die Yähus hegten, unmöglich zu der von ihnen tatsächlich erreichten Höhe hätten gelangen können; wären Yähus die Ureinwohner, so wären die Hauyhnhnms wahrscheinlich ausgerottet worden. Die Einwohner hätten hierauf eine besondere Vorliebe für den Dienst der Yähus gefaßt und dadurch unvorsichtigerweise die Fortpflanzung der Esel vernachlässigt, die artige, weit ordentlichere und zahme, leicht zu bewachende Tiere seien, die auch keinen unangenehmen Geruch besäßen. Sie seien ferner auch stark genug zur Arbeit, obgleich sie den Yähus an Behendigkeit nachstünden; sei auch ihr Geschrei kein angenehmer Schall, so müsse man es doch dem furchtbaren Geheul der Yähus vorziehen.

      Mehrere andere sprachen ihre Ansicht in derselben Weise aus, worauf mein Herr der Versammlung einen Vorschlag machte, wofür ich ihm in der Tat einen Wink gegeben hatte. Er gestand die Wahrheit der Tradition zu, die das ehrenwerte Parlamentsmitglied, das soeben gesprochen, angeführt habe. Jedoch die beiden Yähus, die man zuerst im Lande erblickte, müßten auf dem Meere hierher verschlagen und von ihren Gefährten verlassen worden sein. Sie hätten sich auf die Gebirge zurückgezogen, seien dort allmählich entartet und wilder als die Menschen geworden, von wo sie herkamen. »Den Grund zu dieser Behauptung«, fuhr der andere fort, »sehe ich in dem Umstande, daß ich jetzt einen wunderbaren Yähu besitze« – damit war ich gemeint –; »die meisten von euch haben wohl schon davon gehört und viele ihn auch gesehen« – der Redner erzählte dann die Art, wie er mich gefunden habe. »Sein Körper ist mit einer künstlichen Zusammensetzung von Häuten und Haaren anderer Tiere bedeckt; er hat seine eigene Sprache, versteht jedoch auch die unsere. Er hat mir die Begebenheiten erzählt, die ihn hierherbrachten. Ich habe ihn auch ohne Bedeckung gesehen. Er ist ein vollkommener Yähu in jedem Körperteile, jedoch von weißer Farbe, weniger haarig und besitzt keine Klauen. Er hat sich bemüht, mich zu überreden, daß die Yähus in seinem Vaterlande die regierenden und vernünftigen Tiere sind und die Hauyhnhnms zu ihrem Dienste gebrauchen. Er hat alle Eigenschaften eines Yähu, ist aber durch einen Anflug von Vernunft ein wenig verfeinert; dieser ist jedoch in demselben Grade geringer als unsere Vernunft wie die der Yähus seines Vaterlandes im Vergleich mit der unsrigen. Er hat mir auch unter anderem einen Gebrauch davon erzählt, wonach die Hauyhnhnms in ihrer Jugend verschnitten werden, um sie zahmer zu machen, und diese Operation ist leicht und sicher. Auch ist es ja keine Schande, von Tieren zu lernen; Fleiß lernt man von der Ameise, das Bauen von der Schwalbe« – so übersetze ich das Wort Leihanhh, obgleich dieser Vogel etwas größer ist als der erwähnte. »So läßt sich diese Erfindung bei den jüngeren Yähus anwenden, die ohnedies leichter zu behandeln und zu gebrauchen sind. Dadurch wird das ganze Geschlecht ohne Tötung aufhören. Zugleich müssen aber die Hauyhnhnms die Zucht der Esel befördern, die in jeder Hinsicht wertvollere Tiere sind und zugleich den Vorteil gewähren, daß man sie schon im fünften Jahre gebrauchen kann, während dies bei den Yähus erst im zwölften möglich ist.«

      Dies war alles, was mir mein Herr über den Vorgang in der Ratsversammlung damals sagen wollte. Er hatte die Güte, einen Umstand zu verhehlen, der sich auf mich bezog und dessen unheilvolle Wirkung ich bald empfand, wie der Leser am gehörigen Orte erfahren wird und wovon ich alle meine späteren Unglücksfälle herleite.

      Die

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