Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Jörg Olbrich
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»Selbstverständlich«, antwortete von Thurn. »Schließlich seid Ihr der Regent dieser Stadt.«
***
»Was ist passiert?«, fragte Philipp Fabricius und schaute verwirrt in das Gesicht einer ihm unbekannten jungen Frau, die über ihn gebeugt stand. »Wo bin ich hier? Wer seid Ihr?«
»Ihr stellt viele Fragen auf einmal«, antwortete die Unbekannte tadelnd. »Ich bin Magdalena Lava. Ihr seid hier in Sicherheit. Mehr braucht Ihr im Moment nicht zu wissen.«
»Wie lange habe ich geschlafen?«
»Einen ganzen Tag. Es ist fast Abend.«
Philipp sah sich in dem Raum, in dem er untergebracht war, um. Neben dem Bett stand eine schlichte Holztruhe, ansonsten war das Zimmer leer, aber sehr sauber. Nur langsam kehrten seine Erinnerungen wieder zurück. Die schrecklichen Szenen, die sich in der Prager Burg abgespielt hatten, nahmen in seinem Geist Gestalt an. Plötzlich fiel ihm alles wieder ein. Der Anschlag auf die Statthalter und ihn selbst, seine Flucht aus der Stadt. Der Kutscher musste ihn in ein Gasthaus gebracht haben. Sicher hatte der Mann Angst gehabt, dass ihm sein Fahrgast unterwegs verstarb und hatte die Reise deshalb unterbrochen.
»Ich muss so schnell wie möglich weiter«, sagte er mit müder Stimme. Erst jetzt merkte er, wie ausgetrocknet sein Mund war. Obwohl er in einem Bett lag und man ihn dick zugedeckt hatte, fror er entsetzlich. Egal wie schwer ihm aber der weitere Weg nach Wien fallen würde, er durfte nicht hierbleiben.
»Ihr müsst zunächst wieder zu Kräften kommen«, entgegnete Magdalena mit entschlossener Stimme, die keinen Widerspruch duldete. »Ich werde Euch nicht aus diesem Zimmer herauslassen. Zumindest heute nicht.«
»Ich habe eine wichtige Nachricht, die so schnell wie möglich in Wien ankommen muss. Wenn mein Auftrag erfüllt ist, kann ich mich immer noch ausruhen.«
»Nein. Ihr werdet mindestens noch eine Nacht in diesem Bett bleiben. Tot werdet Ihr Eure Nachricht nicht übermitteln können.«
Ein Blick in die Augen der jungen Frau reichte Philipp aus, um zu erkennen, wie ernst es ihr mit ihren Worten war. Ihm fiel auf, wie schön Magdalena war. Sie hatte lange braune Haare und ihre ebenfalls braunen Augen schienen unergründlich zu sein. Er schätzte, dass sie etwa so alt war wie er selbst. Höchstens ein Jahr jünger.
Philipp sah Magdalena weiter an. Er spürte, dass er sich sehr leicht in das zarte Gesicht mit dem herzlichen Lächeln verlieben könnte, wusste aber auch, dass dafür nicht der richtige Zeitpunkt war. In Prag hatte er sich nie viel aus den jungen Frauen gemacht. Seine Karriere als Sekretär war immer das einzig Wichtige für ihn gewesen. Jetzt hatte er das Gefühl, einen Engel vor sich zu haben.
Er versuchte sich aufzusetzen, legte sich aber sofort wieder zurück auf das Kissen, als sein Körper an fast allen Stellen zu schmerzen begann.
»Seid Ihr immer noch der Meinung, dass Ihr heute weiterreisen wollt?«, fragte Magdalena und sah ihren Gast mitfühlend an.
»Es geht nicht darum, was ich will. Ich muss so schnell wie möglich nach Wien. Mein Name ist übrigens Philipp Fabricius.«
»Ich weiß. Das hat mir der Kutscher bereits gesagt.«
»Wo ist er?«
»Unten im Schankraum.«
»Könnt Ihr ihm sagen, dass er die Pferde einspannen soll?«
»Nein. Ihr werdet heute nicht mehr abreisen. Es wird bald dunkel und dann ist die Fahrt viel zu gefährlich. Wir leben in unsicheren Zeiten. Sicher wollt Ihr nicht mit irgendwelchen Wegelagerern darüber streiten, ob sie Euch weiterfahren lassen oder nicht. Schon gar nicht in Eurem Zustand. Ich werde Euch jetzt eine Suppe holen. Wenn Ihr nicht mehr im Bett liegt, wenn ich wiederkomme, binde ich Euch daran fest.«
Magdalena wartete Philipps Antwort nicht ab und verließ den Raum. Der Sekretär nutzte die Gelegenheit, seinen Körper näher zu untersuchen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er bis auf ein paar Verbände völlig unbekleidet war. Er konnte nur hoffen, dass es der Kutscher gewesen war, der ihn ausgezogen hatte und nicht Magdalena. Danach fragen würde Philipp allerdings nicht, seine Lage war peinlich genug.
Trotz seiner beginnenden Kopfschmerzen und der immer noch großen Müdigkeit zwang sich Philipp dazu, wach zu bleiben. Ihm war klar, dass er höchstens eine Tagesreise von Prag entfernt war. Er war also noch lange nicht außer Gefahr. Magdalena musste ihm mehr über sich erzählen. Er wollte nicht befürchten müssen, dass sie ihn nach einem falschen Wort an einen protestantischen Adeligen verriet.
Die junge Frau kehrte schneller zurück, als Philipp erwartet hatte. In der Hand hielt sie eine Schale mit einer dampfenden Flüssigkeit.
»Ich habe Euch eine Hühnerbrühe warm gemacht.«
»Ich habe keinen Hunger.«
»Ihr müsst etwas essen, wenn Ihr wieder zu Kräften kommen wollt.«
»Kann ich bitte zunächst einen Becher Wasser bekommen?«
»Natürlich.«
Philipp setzte sich leicht auf, und Magdalena legte das Kissen so zurecht, dass er sich mit dem Kopf darauf abstützen konnte. Dann hielt sie ihm einen Becher mit Wasser an die Lippen.
»Danke«, sagte Philipp, nachdem er ein paar kleine Schlucke getrunken hatte. »Erzählt mir, wo ich hier bin.«
»Wir sind im Gasthaus meiner Eltern. Es liegt etwas abseits der Handelsroute, wird aber häufig von Reisenden besucht. Im Moment seid Ihr und Euer Kutscher die einzigen Gäste.«
»Warum seid Ihr noch hier?«
»Wie meint Ihr das?«
»Eine so hübsche Frau hat doch sicher zahlreiche Verehrer. Warum seid Ihr bei Euren Eltern geblieben?«
»Weil sie mich brauchen. Außerdem war bisher kein Mann hier, der es wert gewesen wäre, mit ihm fortzugehen. Ich bin katholisch erzogen und werde nicht mit dem erstbesten Kerl mitgehen, der mich umwirbt. Und jetzt wird gegessen.«
Philipp musste innerlich lächeln, als er sah, dass Magdalena leicht errötet war. Dabei hatte er sie mit seinen Fragen nicht kokettieren wollen. Er wusste jetzt aber, dass sie den richtigen Glauben hatte und ihn sicher nicht an die Protestanten verraten würde. Die Wirtstochter nahm einen Löffel mit Suppe und hielt ihn an seinen Mund. Die Brühe war warm, aber nicht zu heiß. Philipp spürte schnell, wie gut es ihm tat, etwas davon zu essen. Als die Schale zur Hälfte leer war, konnte er nicht mehr.
»Ihr müsst jetzt schlafen«, erklärte Magdalena bestimmt. »Ich werde zwischendurch immer wieder nach Euch schauen. Wenn das Fieber morgen verschwunden ist, könnt Ihr Eure Reise fortsetzen.«
***
»Den Kerl muss uns die Heilige Jungfrau Maria persönlich geschickt haben«, sagte Jakub Lava und rieb sich die schwieligen Hände.
»Wie kommst du darauf?«
»Er wird uns unsere Sorgen nehmen, mein Kind.«
Magdalena saß mit ihren Eltern in der Küche beim Essen. Es gab einen Gemüseeintopf mit einem