Religion – Eine Zukunft für die Zukunft. Buchwald Anand

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Religion – Eine Zukunft für die Zukunft - Buchwald Anand

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Für mich stellen Liebe und Mitgefühl eine allgemeine, eine universelle Religion dar. Man braucht dafür keine Tempel und keine Kirche, ja nicht einmal unbedingt einen Glauben; wenn man einfach nur versucht, ein menschliches Wesen zu sein, mit einem warmen Herzen und einem Lächeln, das genügt.

       Dalai Lama

      4. Kapitel

      Die Religion als Organismus – Der Körper

      Wenn wir die Religion mit einem Wesen, mit einem Organismus vergleichen, was durchaus legitim ist, da sie sich entwickeln, wachsen, verändern und sterben kann, dann entspricht der Körper dieses Organismus ihrer äußeren Struktur. Je kraftvoller eine Religion in der Welt in Erscheinung tritt, sei es durch äußeren Einfluss, durch die globale Verbreitung oder durch die schiere Zahl ihrer Anhänger, dann geschieht dies meist durch eine ausgeprägte körperliche Entwicklung und Präsenz.

       Diese Analogie wirft natürlich Fragen auf: Was ist Teil dieser körperlichen Ebene? Wie ist sie aufgebaut und organisiert? Was ist ihre Aufgabe? Funktioniert der Körper immer einwandfrei? Wie und durch wen wird dieser Körper gelenkt? Wie sieht die Schnittstelle zur nächsten Ebene aus, zur Ebene des Lebens?

       Nun, der Körper ist eine recht äußerliche Angelegenheit, und darum gehört zu ihm alles, was nach außen hin sichtbar ist und ihm Struktur gibt. Dazu zählt die formelle Religionsbezeichnung, durch die sich eine Religion ganz formell von anderen Religionen unterscheidet und die ihr einen Ort im religiösen Beziehungsgeflecht zuweist. Genau genommen gibt es mit der Religion an sich noch einen Superorganismus, der allerdings keine kraftvolle und wohldefinierte Angelegenheit darstellt, sondern eher ein Gebilde mit einer Autoimmunkrankheit.

       Der Superorganismus Religion definiert sich durch den Glauben an etwas, das größer ist als wir es sind, dem wir in der ein oder anderen Form unsere Existenz verdanken und das meist auch irgendwie Interesse an uns hat, so wie auch Eltern meist an der Entwicklung ihrer Kinder interessiert sind. Und wie in jeder irdischen Familie, ist auch in dieser die Beziehung von Kindern und Eltern und die Beziehung der Kinder (und Enkel und Urenkel) untereinander individuell sehr unterschiedlich und längst nicht immer spannungsfrei. Das Elter (oder die Eltern) ist die schöpferische Urmacht, das Große Bewusstsein, die Gottheit oder ein Clan von Gottheiten oder übernatürlichen Wesen. Die Kinder in dieser Familie sind die Religionen und die Vorstellungen, die sie von ihrem Elter haben, was ihrer Beziehung zu ihm entspricht. Hier finden sich helfende, gütige, beobachtende, verständnisvolle, neutrale, desinteressierte, fordernde, rachsüchtige, eifersüchtige, grausame und zornige Gottesbilder, die allesamt sehr menschlich geprägt sind. Die Spanne reicht von Gottheiten, die uns die Hand reichen und uns zu sich emporziehen wollen bis zu solchen, die diktatorisch eine absolute Unterwerfung fordern.

       Die einzelnen Religionen sind Ausdruck unserer Beziehung zum Göttlichen und in ihrer Ausgestaltung überwiegend menschengemacht, und sie sind Kinder des Superorganismus Religion, der unsere grundlegende und ideale Beziehung zu dieser Urmacht darstellt und dem Göttlichen in seiner Unformuliertheit näher steht als jede Einzelreligion.

       Wir haben hier also eine provisorische Hierarchie: Ganz oben befindet sich Gott, dann kommt lange nichts, und dann kommt die Religion als Superorganismus mit den einzelnen Religionen als seinen Kindern. Grob gesagt sind diese Kinder die ethnische oder Naturreligion, der Polytheismus und der Monotheismus, die sich ihrerseits wieder in Kinder (z. B. das Christentum) und Kindeskinder (hier u. a. Orthodoxie, Katholizismus und Protestantismus) usw. verzweigen. Hinzu kommen die Sozialreligion des Konfuzianismus und die eher spirituellen Religionen Buddhismus und Daoismus mit ihren jeweiligen Kindern und Enkeln. Den meisten Unfrieden gibt es hier bei den monotheistischen Religionen.

       Wie in nahezu jeder Familie gibt es Zank und Streit, Unverständnis und verschiedene Auffassungen, besorgte Eltern und vor allem zankende Kinder und Kindeskinder. Man kann diese Analogie natürlich nicht allzu weit führen, denn der Abstand zu dieser Urmacht und die augenscheinlichen Unterschiede unserer Natur und der Natur des Göttlichen sind dafür zu groß und ausgeprägt, und es scheint auch nicht vorgesehen oder möglich zu sein, dass die Kinder in einem Ausmaß erwachsen werden, dass sie einen gleichberechtigten Platz als Gott neben Gott einnehmen.

       Dieser Unfrieden rührt daher, dass nahezu jede Religion für sich in Anspruch nimmt, über die einzig legitime und allzeit gültige Verkündung und Interpretation des göttlichen Willens zu verfügen und nicht verstehen kann, dass nicht jedes menschliche Wesen mit Beginn der Bewusstwerdung sofort zu ihr konvertiert. Nun kann man sicherlich Gottes Einfluss bei der Bildung der Religionen nicht gänzlich leugnen, aber da die Religionen ziemlich unterschiedlich ausgefallen sind und noch nie an unterschiedlichen Orten auf der Erde zwei identische Religionen unabhängig voneinander entstanden sind, ist dieser Einfluss eben nur ein Einfluss, beziehungsweise wurde dieser, wie im Kapitel über das Transformsyndrom noch erläutert wird, durch den Menschen entstellt. Und wenn man dann noch bedenkt, dass die menschlichen Völker und Kulturen und Auffassungen sehr unterschiedlich sind und der Mensch an sich im Verlauf seiner Geschichte auch eine bisweilen gewaltige Entwicklung seines Bewusstseins durchlaufen hat und immer noch durchläuft, und Gott vielleicht versucht, uns an jedem Ort, in jeder Kultur und zu jeder Zeit genau das zu vermitteln, was wir für unsere Entwicklung und für unser religiöses Verständnis gerade benötigen, dann ist die Vorstellung einer einzigen und absolut wahren und ewigen Religion schon absurd und genau genommen blasphemisch, da wir dieser göttlichen Urmacht damit praktisch diktieren, wie sie und ihre Beziehung zu uns für immer und ewig zu sein hat. Das ist eine zutiefst menschliche Sichtweise, und darum sind auch die Religionen überwiegend menschliche Gebilde mit einem möglichen göttlichen Kern, der wahrscheinlich in jeder Religion einen anderen Aspekt des Göttlichen widerspiegelt.

       Damit die Religion ihre Aufgabe, die darin bestehen müsste, den Menschen näher zu dieser Urmacht zu führen, besser erfüllen kann, müsste sie nach diesem Kern in sich und in den anderen Religionen suchen und auf diese Weise den Superorganismus Religion mit sprudelndem Leben erfüllen. Dann ist die Religion kein Gegeneinander mehr, sondern ein freudiges Miteinander, das bereit ist, die Stagnation hinter sich zu lassen und stattdessen Fortschritte zu machen, die den Menschen individuell und global weiterhelfen werden.

       Der körperliche Kern einer Religion wird durch die heiligen Texte gebildet, auf die sich jede Religion beruft, seien sie nun schriftlich fixiert oder mündlich überliefert, wobei vor allem die heiligen Schriften als von Gott inspiriert oder diktiert gelten und somit oftmals einen Nimbus der Unantastbarkeit haben, während Überlieferungen sich im Laufe der Zeit verändern und, im Positiven wie im Negativen, an die Entwicklung anpassen können und so, zumindest potenziell, für den moderierenden Einfluss Gottes offen sind.

       Die ältesten dieser Schriften dürften die heiligen Texte des Hinduismus sein, die Veden und die Upanishaden, die als „gehört“ gelten, also als direkt von Gott übermittelt. Sie illustrieren augenfällig die bereits angesprochene Tatsache, dass sich der Mensch und seine Kultur stetig entwickeln und umformen, während das niedergeschriebene Wort unveränderlich bleibt. Diese Schriften sind voller Bilder und Symbole, die vielleicht zur Zeit ihrer Entstehung eine klare Sprache darstellten, weil sie im Bewusstsein der damals aktuellen Kultur verankert waren, nur hat sich das Bewusstsein im Laufe der Jahrtausende gewandelt, und die Bedeutung dieser Bilder wird heute nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt verstanden, vor allem, was den spirituellen Gehalt angeht. Hier hat Sri Aurobindo mit seinem Verständnis für eine Übersetzung in aktuelle Begrifflichkeiten und Bilder gesorgt.

       Was den Buddhismus betrifft, so hat Buddha selbst, der ja eine historische Person war, seine Lehre vermutlich nie als Religion bezeichnet, und manche Buddhisten machen das auch heute nicht. Buddha hat sich in seiner Lehre nie auf Gott bezogen, und ihr Gehalt ist trotz vieler ritueller Elemente, die zum Körper einer Religion gehören, überwiegend spirituell. Aber man kann die Erleuchtung, die er am Anfang seines Lebens erfuhr, durchaus als

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