Religion – Eine Zukunft für die Zukunft. Buchwald Anand
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Die Texte des Judentums, die zum Teil auch für das Christentum und den Islam von Bedeutung sind, sind überwiegend Berichte der Geschichte des israelischen Volkes und der Begegnung mit dem Willen Gottes, die irgendwann erlebt, erzählt und aufgezeichnet wurden. Einzig die Zehn Gebote ragen hier als direktes Wort Gottes heraus, wenngleich die fünf Bücher Moses, die Tora, als direkt und vielleicht sogar physisch als von Gott übergeben gelten. Andererseits gibt es mit dem Talmud und einer Tradition der zeitgemäßen Interpretation einen pragmatischen Einfluss, der die nicht-orthodoxen Bereiche des Judentums vor völliger Versteinerung bewahrt.
Die Schriften des Christentums wurden aus einer größeren Sammlung von Texten von einem Konzil Jahrhunderte nach Christus zusammengestellt. Sie enthalten den jüdischen Tanach und im Neuen Testament Erzählungen über das Leben Jesu und das Wirken der Apostel. Die Texte gelten allgemein als von Gott inspiriert, werden aber auch vereinzelt als direktes Wort Gottes gedeutet, wogegen allerdings die Tatsache spricht, dass es von jedem Text verschiedene Versionen gibt. Dadurch gibt es einen gewissen, wenn auch engen Spielraum für abweichende Meinungen und Neubewertungen und somit für Evolution.
Der Islam hat Teile der Bibel übernommen, betrachtet diese allerdings als bisweilen vom Menschen verfälscht. Er stützt sich vor allem auf den vom Propheten Mohammed als direktes Wort Gottes niedergeschriebenen Koran, an dem darum nicht zu rütteln ist. Doch trotz dieses umfassenden Anspruchs auf Allein- und Ewigkeitsgültigkeit, der nur durch die Ankunft des Mahdi in ferner Zukunft etwas relativiert wird, müssen auch die Schriften des Islam interpretiert und ihre Deutung dem Wandel der Zeit und des Bewusstseins angepasst werden, womit er sich manchmal sehr schwer tut.
Ein weiterer Punkt der religiösen Körperlichkeit ist die Religionsfreiheit. Hier muss man zunächst zwischen der Freiheit von Religion und der freien Wahl der Religionszugehörigkeit unterscheiden. Freiheit von Religion bedeutet dabei nicht nur das Freisein von Religion, was nicht automatisch Atheismus oder Antitheismus bedeutet, sondern auch die Möglichkeit, eine Religion ablegen und/oder eine andere Religion wählen zu können. Diese Möglichkeiten bietet eigentlich keine Religion, denn mit der Geburt ist man unweigerlich Mitglied der elterlichen Religion und kann diese auch nicht wirklich ablegen. Einzig beim Christentum und vielleicht der einen oder anderen kleineren Religion gibt es mit der Taufe eine eigene Aufnahmezeremonie, die dem Kind aber für gewöhnlich unmittelbar nach der Geburt angediehen oder auferlegt wird.
Es gibt also in dieser Hinsicht keine wirkliche Religionsfreiheit. Man wird in eine Religion hineingeboren und verbleibt in dieser, auch wenn es formell meist die staatliche Möglichkeit gibt, eine Religion zu verlassen und religionslos zu sein. Das ist aber eine Formalität, die nur rechtlich bindend ist. In seltenen Fällen kann die Apostasie, also der Abfall vom Glauben, in Ländern mit einer islamischen Staatsreligion zur Todesstrafe führen, obwohl der Koran diese nicht vorsieht, und obwohl der Islam sogar eine Unterscheidung zwischen der Annahme der Religion und der Annahme des Glaubens kennt. Die meisten Religionen kennen aber Abläufe und Zeremonien für die Aufnahme eines neuen Gläubigen. Hierbei ist zu beobachten, dass Konvertiten häufig besonders eifrige Verfechter ihrer neuen Religion sind, was man bisweilen durchaus darauf zurückzuführen kann, dass man eine bewusste Entscheidung getroffen hat, oder dass sie gar zum Fundamentalismus neigen, was vielleicht Anzeichen von Unsicherheit sind oder das Gefühl, sich beweisen zu müssen.
Dann gibt es in diesem Zusammenhang noch das Phänomen der Staatsreligion. Hier muss man zwischen zwei Formen unterscheiden, eine staatliche Bevorzugung einer Religion, ohne dabei die Religionsfreiheit einzuschränken, wie das bei einigen christlich geprägten Ländern der Fall ist, und eine enge Verknüpfung von Staat und Religion, wobei die Religion einen massiven Einfluss auf die Staatsführung und die Gesetzgebung hat, wie es in einigen islamischen Ländern der Fall ist. Hier begreift die Religion sich als einzige Grundlage des Menschseins und den Staat, die Welt und die gesamte Lebensführung als ihre ureigenste Domäne. Darum gibt es hier keine nennenswerte Religionsfreiheit, und Mitglieder anderer Religionen werden zwar in geringem Maße geduldet, haben aber oft nicht die gleichen Rechte.
Man kann also feststellen, dass es nirgendwo auf der Erde eine wirkliche Religionsfreiheit gibt, denn die verwehende kommunistische Ideologie ist in ihrer Ablehnung der Religion ebenso gefangen wie die Menschen, die in eine Religion und eine religiöse Umgebung hineingeboren werden in dieser gefangen sind. Dadurch ist man immer in der einen oder anderen Richtung voreingenommen, und darum wird man auch nicht angehalten, sich mit der Religion an sich und den Inhalten und dem Charakter der einzelnen Religionen auseinanderzusetzen und eine individuell passende Religion anzunehmen, der Religion an sich gewogen zu sein oder sie abzulehnen und sich dem Atheismus oder der über die Religion hinausweisenden Spiritualität zuzuwenden. Freiheit bedeutet, das Wissen und die Möglichkeit der unvoreingenommenen und uneingeschränkten Wahl zu besitzen.
Um diese Freiheit zu gewährleisten, sollten Kinder von Geburt an religionslos aufwachsen und ein humanistisches Wertesystem vermittelt bekommen, das ja mit den Grundwerten der meisten Religionen einigermaßen konform geht, wenn man mal von der unwürdigen Behandlung der Geschlechtsunterschiede bei vielen Religionen absieht. Außerdem sollten im Ethikunterricht der Atheismus und die einzelnen Religionen mit ihren Stärken und Schwächen ausführlich dargestellt werden, ebenso wie die im Bewusstseinsrad über sie hinausführende Spiritualität und die Bewusstseinsforschung. Dann erst kann der Mensch ab dem Zeitpunkt des Erwachsenwerdens eine einigermaßen informierte und/oder eine Entscheidung des Herzens treffen, die ihn in seiner Entwicklung voranbringen kann.
Gegen eine solche Regelung würden die Religionen sicherlich Sturm laufen, weil sie das Potenzial hat, den bisweilen aufgeblähten Körper, der aus den Zellen ihrer Mitglieder besteht, schrumpfen zu lassen, aber objektiv betrachtet, wenn man den körperlichen Aspekt beiseite lässt und den zentralen Seelenaspekt hervorhebt, sollten sie diese eigentlich begrüßen, denn sie sorgt dafür, dass zwar die Quantität der jeweiligen Gemeinschaft der Gläubigen geringer wird, aber ihre Qualität, und durch diese Verschlankung auch ihre Ausstrahlungskraft, zunimmt, denn diese neuen Gläubigen haben sich freiwillig und aus eigenem Antrieb für das religiöse Leben entschieden und sind wahrscheinlich auch eher bereit, sich mit den Kernpunkten des Glaubens zu beschäftigen und ein aktives religiöses Leben zu führen und sich auf diese Weise auch gegenseitig beim Aufstieg zu neuen Höhen zu unterstützen. Das sollte für jede Religion, die sich nicht nur als Körper und Leben mit einem untergeordneten Geist und einer nicht präsenten Seele betrachtet, ein ausgesprochen wünschenswertes Resultat sein.
Aber im Moment scheint der Fokus einer jeden Religion auf ihrer Körperlichkeit zu liegen, weshalb dies vielleicht noch lange ein frommer Wunsch bleiben könnte. Zu dieser Körperlichkeit gehören neben der alles zusammenhaltenden Haut der Religion auch das Skelett und die Zellen. Die Zellen, das ist klar, werden von ihren formellen Mitgliedern gebildet, wobei die Religion vor allem auf Masse setzt. Hier ist keine ausgewogene Gestalt wichtig, sondern eine möglichst umfangreiche, um im Verdrängungswettkampf und Einfluss die Nase vorn zu haben. Die Menschen näher zu Gott zu bringen, ist nicht wichtig für den Körper, nur der äußere Schein und der Selbsterhaltungstrieb eines jeden Organismus.
Das Skelett, dass diesen Körper stützt und für zielgerichtete Bewegungen hilfreich ist, wird durch die Hierarchie bereitgestellt. Hierarchie bedeutet, dass jede Religion eine innere, hierarchisch geordnete Struktur besitzt, eine Stufenleiter, die bestimmt, wer was und wie viel zu sagen hat. Viele Religionen haben eine recht flache Hierarchie und/oder sind dezentral aufgestellt. Hier haben die unteren Ränge vergleichsweise viel Einfluss und eine größere Freiheit bei der Auslegung der Lehre, so dass man fast von Unorganisiertheit sprechen könnte. Trotzdem gibt es aufgrund der Erwartungen der Gemeinden, der vergleichbaren Ausgestaltung des Amtes, des gemeinsamen theologischen Körpers und eines nicht zu unterschätzenden Konformitätsdrucks keine allzu großen