Blütenträume. Robert Krieg
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»Na klar, aber wie soll das gehen, der Zaun ist viel zu hoch.«
»Es gibt einen Weg. Der ist nicht ganz ungefährlich. Aber dir traue ich das zu.« Der ältere Junge zeigte auf die breiten Arme der Kastanie, die auf der schmalsten Stelle des Hofes genau zwischen dem Haus und dem Zaun stand.
»Guck mal nach oben. Merkst du was? Da im zweiten Stock liegt unser Zimmer. Und siehst du, wie nah der eine Zweig an unser Fenster reicht?«
Dem kleinen Schulz ging ein Licht auf. Auf der anderen Seite reichte die Kastanie mit ihren oberen Ästen über den Zaun hinüber.
»Wir müssen nur vom Fenster aus auf den Ast steigen, dann …«
»Springen meinst du wohl eher«, wandte der Kleinere ein.
»Na ja, du vielleicht, ich komm’ da schon ran. Ich klettere zuerst rüber, dann helfe ich dir.«
»Und wie kommen wir auf der anderen Seite runter? Das ist zu hoch zum springen!«
»Mach’ dir darüber mal keine Sorgen. Wir verknoten unsere Bettlaken miteinander und machen uns daraus einen Strick.«
Schulzi war hellauf begeistert. Wohl oder übel mussten sie die beiden anderen Zimmergenossen in den Fluchtplan mit einweihen. Einer wollte mitmachen. Der vierte Junge traute sich nicht und hoffte zudem auf seine baldige Entlassung. Er versprach aber absolutes Stillschweigen.
Er sah ihnen ängstlich zu, als sie in der folgenden Nacht wie auf ein verabredetes Zeichen hin flink aufstanden, sich lautlos anzogen und die Bettlaken – er musste seins auch hergeben – miteinander verknüpften.
»Das ist jetzt lang genug«, flüsterte der Älteste.
»Ich steig’ als erster raus. Wenn ich auf dem Baum bin, werft ihr mir unser hübsches Seilchen zu!« Vorsichtig öffnete er das Fenster und spähte hinaus. Draußen war alles ruhig. Er hockte sich auf den äußeren Fenstersims und schwang sich von dort mühelos auf den nächsten größeren Ast der Kastanie, der weich unter ihm nachgab. Er fand schnell einen Halt und winkte den anderen, sie sollten die Bettlaken, die sie zu einem Bündel zusammengerollt hatten, zu ihm herüberwerfen. Dann glitt der andere Junge hinüber. Dieter wagte sich als letzter. Er musste springen und verließ sich dabei ganz auf den ältesten Jungen, der ihn sicher packte und in den Baum hineinzog. Die Zweige, die ihm ins Gesicht schlugen, dufteten nach Freiheit.
»Das war Nummer Eins. Jetzt kommt der krönende Abschluss«, flüsterte der Älteste.
Behände wie Katzen kletterten sie durch die Kastanie auf den größten Ast, der knapp über dem etwa vier Meter hohen Zaun weit in die Freiheit ragte. Sie befestigten ihren provisorischen Strick sicher an dem Ast und ließen sich – so schnell es ging – daran herunter. Augenblicke später hatte sie die Dunkelheit der Nacht verschluckt, zurück blieben die Bettlaken, die hinter dem Zaun schwach schimmerten. Im Morgengrauen nahm sie ein Milchwagen mit. Der Fahrer war wortkarg und kaute auf seiner erloschenen Pfeife herum, die er unablässig vom einem Mundwinkel in den anderen schob. Sie erzählten ihm, sie seien Vettern und müssten zu einem dringenden Familienbesuch in der nächsten Stadt. Glücklicherweise war es Samstag, und der Verdacht, dass sie die Schule schwänzten, konnte nicht aufkommen. Die Flucht war geglückt, aber wie ging es jetzt weiter?
Am frühen Vormittag lungerten sie mit hungrigen Mägen in der städtischen Markthalle herum, in der Hoffnung, dass eine mitleidige Händlerseele ihnen etwas zum Essen zustecken würde. Dieter wollte sich so schnell wie möglich nach Leipzig durchschlagen. Das ging am einfachsten mit der Eisenbahn, aber für die Fahrkarte brauchte er Geld. Es war Monatsanfang und die Hausfrauen drängelten sich an einem Metzgerstand, der magere Schweinelendchen – eine seltene Delikatesse – feilbot. Glatte, beringte, nackte, weiße, faltige, braune Arme streckten sich nach vorn und forderten gierig einen Anteil. Vor Schulzis Nase hing eine halb offene Einkaufstasche, aus der ein pralles Portemonnaie zum Zugreifen einlud. Der Junge sandte schnell ein Stoßgebet zum Himmel, versenkte sekundenschnell seine Hand in die verführerische Tasche, und ehe die biedere Frau irgendetwas bemerkte – sie war nur mit der Schweinelende beschäftigt – war er zwischen den anderen Ständen verschwunden. Im Portemonnaie steckten 120 Mark, das war der Viertel Monatslohn ihres Mannes. Hastig zählte er jeweils vierzig Mark für seine Fluchthelfer ab, seinen Anteil versteckte er unter dem Hemd. Am verabredeten Treffpunkt war die Freude groß und wenig später stoben die drei Jungen in unterschiedliche Richtungen davon. Doch die wiedererlangte Freiheit währte nicht lang. Die Volkspolizei stöberte ihn schon bald bei seiner Mutter auf. Vergeblich bat sie darum, ihren Sohn bei sich behalten zu dürfen. »Er ist schwer erziehbar und gehört in ein Heim!« war die Auskunft.
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