Solo für Sopran. Peter Gerdes

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Solo für Sopran - Peter Gerdes

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starrten sie verständnislos an. Selbst Heiden, dessen Gedanken in den letzten Minuten ganz andere Wege gegangen waren. Nur Lüppo Buss wusste genau, was die Lehrerin meinte. Und er musste zugeben, dass der Zusammenhang mehr als offenkundig war. Ein junges Mädchen verschwunden, ein Sittlichkeitsverbrecher aufgetaucht, zwei eindeutig zuzuordnende Fundstücke in der Nähe des Ortes entdeckt, wo der Täter sein Unwesen trieb.

      Kalter Schweiß brach ihm aus.

      Wieder öffnete er den Mund. Wieder kam er nicht zu Wort, denn erneut entstand Unruhe. Sehr heftige diesmal, denn der Mann, der sich jetzt seinen Weg von der Tür her durch das inzwischen zum Bersten vollgepfropfte Büro bahnte, war alles andere als klein und schmächtig. Vielmehr war er groß und dick, beinahe ein Koloss, spärlich bekleidet mit Badelatschen, dunklen Shorts und weißem Unterhemd, und er schien keinerlei Scheu vor dem Einsatz seiner Ellbogen zu haben.

      Die rote Dame schrie auf: »Das ist er, das ist er! Der Lustmörder! Hilfe, zu Hilfe, so haltet ihn doch fest!«

      Der Mann jedoch, der neben ihr stand und in dem Lüppo Buss ihren Ehemann Hermann vermutete, schüttelte nachdrücklich den Kopf und legte ihr die Hand auf die sonnenverbrannte, rosa schimmernde Schulter. Ein Schmerzensschrei stoppte ihr entsetztes Gezeter.

      »Das ist er nicht«, sagte der mutmaßliche Hermann. »Ganz bestimmt nicht. Er sieht nur so ähnlich aus.«

      Der große, dicke Mann hatte sich inzwischen bis zum Schreibtisch durchgetankt. Die rote Dame streifte er nur mit einem skeptischen Blick, dann wandte er sich Lüppo Buss zu. »Was ist das eigentlich für eine Insel hier?«, herrschte er ihn an. »Was ist das für ein Strand? Wissen Sie überhaupt, wie oft ich in Italien Badeurlaub gemacht habe? Und in Südfrankreich? Und nie, niemals hat mich dort jemand beklaut. Aber hier, auf Langeoog, im ach so friedlichen Ostfriesland! Da dreht man sich nur einmal kurz um, und was ist?«

      Genau in diesem Augenblick platzte Lüppo Buss der Kragen. »Ja, und was ist? Was ist!?«, brüllte er los, den Kopf in den Nacken gelegt, um dem dicken Kerl in die wasserblauen Augen starren zu können. »Was glauben Sie wohl, wie gespannt ich darauf warte, dass Sie mir sagen, was hier ist! Na und, was ist nun?! Jetzt will ich es aber wissen. Und das eine sage ich Ihnen, wenn Sie mich hier wegen nichts und wieder nichts von meinen dringenden Dienstgeschäften abhalten, dann machen Sie sich bloß auf was gefasst!«

      Die ganze kompakte Masse Mensch im Langeooger Polizeibüro hielt den Atem an. Selbst Leopold Heiden zeigte plötzlich wieder Interesse, entfaltete seine Arme und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, froh, die kommende Auseinandersetzung als Zuschauer in der ersten Reihe miterleben zu dürfen.

      Der dicke Neuankömmling aber brüllte nicht zurück. Vielmehr sagte er in ruhigem Ton: »Sorry, das konnte ich ja nicht ahnen. Tut mir leid, ich kann warten. Geht ja um nichts Wichtiges, nur um ein paar Klamotten, die mir am Strand gestohlen worden sind. T-Shirt, Badehose und Laken, so etwas eben.«

      »Eine orange Badehose?« Das war das kleine Mädchen, Bianca hieß sie wohl. »So ’ne ganz große?«

      »Ja«, sagte der Mann und schaute ungläubig auf das Mädchen hinab. »Ich meine, orange war sie. Hast du etwa … ?«

      »Stopp«, sagte Lüppo Buss laut, und er sagte es mit Nachdruck. Augenblicklich trat Schweigen ein. »Ab jetzt redet nur noch, wer gefragt wird, klar? Und zwar von mir. Keiner verlässt mein Büro, ehe ich nicht haarklein weiß, was hier läuft und was womit zusammenhängt. Und mit Ihnen hier fange ich an. Wer sind Sie eigentlich?«

      »Ich?« Der dicke Mann klopfte seine Brustregion ab, wo aber nur Feinripp zu ertasten war, dann die Rückseite seiner kurzen Hose, und brachte ein dunkles Etui zum Vorschein. Wieder rieselte Sand auf den Schreibtisch, als er die Plastikhülle aufklappte und einen Ausweis zeigte. »Mein Name ist Stahnke. Kriminalhauptkommissar. Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann … ?«

      Er stutzte, weil sein Blick auf die blauweiß gestreiften Boxershorts gefallen war, die zusammengeknüllt vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. »Was ist denn das?«, murmelte er, klappte seinen Ausweis zusammen und schob die Plastikhülle unter den Bund des Kleidungsstücks, um es prüfend anzuheben. Ein dunkler Fleck, bisher von den Falten fast verborgen, wurde sichtbar.

      »Schon gesehen?«, wandte sich der Dicke wieder an Lüppo Buss. »Da ist Blut dran.«

      8.

      »Ach Mensch, ich kann mich immer so schlecht entscheiden.« Wiebke Meyers knochiger Zeigefinger zuckte zwischen den bunten Abbildungen der Eiskarte hin und her wie der Mouse-Cursor in einem Computerspiel. »Bananensplit? Spaghettieis? Oder hier, Amarettobecher, vielleicht mal was mit Alk?« Sie kicherte ungehemmt.

      Stephanie Venema kicherte mit. »Nimm doch einfach alles zusammen, das kannst du dir doch locker leisten.«

      »Jetzt fang du doch nicht auch noch an«, maulte Wiebke. »Bei mir setzt nun mal nichts an, da kann ich essen, so viel ich will. Kenne viele, die mich darum beneiden. Aber zu dürr bin ich doch nicht, oder?« Sie visierte Stephanie aus zusammengekniffenen Äuglein an: »Oder wie? Hä? Hä?!«

      »Nein, natürlich nicht. Du bist nur ganz toll schlank«, bestätigte Stephanie friedfertig und wie gewünscht.

      »He, du hast eine Sekunde zu lange gezögert. Das hab ich genau gemerkt. Also findest du mich doch zu dürr, ja? Gib’s nur zu, lügen ist zwecklos. Dürr und hässlich. Sag doch gleich, dass ich nie einen Kerl abkriege! Dann kann ich ja auch ins Wasser gehen. Oder mich vor den nächsten Zug werfen.«

      Ihr Gesicht verzog sich zu einer faltigen Leidensmiene, die Mundwinkel sanken tief herab, und die hochgewölbte Unterlippe pendelte im Luftzug ihrer hechelnden Atemzüge vor und zurück. Etwa drei Sekunden lang, dann prustete Wiebke los.

      Auch Stephanie wieherte. »Selbstmord wegen Untergewicht! Ausgerechnet Hilke! So was Bescheuertes, da können auch nur Lehrer drauf kommen. Etwas Angesagteres als mager zu sein gibt es doch gar nicht.«

      »Außerdem haben die hier überhaupt keine richtigen Züge. Nur die Inselbahn.«

      »Und die ist so langsam, da kannste dich nicht davor werfen. Höchstens wegschmeißen!«

      Der italienische Ober erschien und lächelte milde auf die beiden giggelnden Teenager herab. Wiebke entschied sich nach einigem weiteren Zieren doch für einen Bananensplit; Stephanie bestellte, wohl unter dem Eindruck ihrer eigenen kalorienbezogenen Worte, nur einen Milchkaffee.

      Dann fragte sie, nun wieder ganz ernst: »Aber was ist denn nun wirklich mit Hilke Smit? Hast du vielleicht ’ne Ahnung, wo sie stecken könnte?«

      Wiebke zuckte die schmalen Schultern. »Wer weiß. Sie wollte doch so gerne ins Watt, weißt du nicht mehr? Eine Wattwanderung machen, nur mal eben ein paar Kilometer raus, hat sie gesagt. Das war noch auf der Fähre, du weißt doch, Langeoog III, das Ding, das so elegant aussieht wie ein zertretener Schuhkarton. Ich erinnere mich genau. So ein Ausflug ins Watt soll ja nicht ungefährlich sein, wenn man sich nicht auskennt, wegen der Flut, die kommt nämlich schneller als man denkt, und weil man die Entfernungen so schlecht abschätzen kann. Außerdem gibt es da diese Dinger, in denen man ersaufen kann, wie heißen die noch? Spülies?«

      »Priele«, korrigierte Stephanie. Wieder prusteten beide gleichzeitig los.

      Der Ober trat an ihren Tisch und servierte das Bestellte, lächelte nachsichtig über die sich immer noch kringelnde Wiebke, während sein Blick deutlich länger und auch wohlgefälliger auf Stephanies aparter Erscheinung ruhte. Das hellhäutige Mädchen errötete schlagartig, als habe

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