EU-Whistleblower-Richtlinie kompakt. Wolfgang Kapek
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1 Die neue EU-Whistleblower-Richtlinie
Diana Gretzer
1 Die neue EU-Whistleblower-Richtlinie
1.1 Bedeutung der Whistleblower-Richtlinie
Meldungen sind wichtig, um Rechtsverstöße ans Licht zu bringen. Vor allem auch, um interne Prozesse dahingehend zu optimieren, dass weiteren Missständen vorgebeugt wird. Dabei hat die Rolle von Whistleblowern in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Welche Brisanz diesem Thema zukommt, verdeutlichen vor allem medial bekanntgewordene Whistleblowing-Fälle, denn ohne die entsprechenden Meldungen wären sämtliche Verstöße erst gar nicht öffentlich geworden.
Aufgrund des bis dato nur beschränkt gewährten Schutzes standen der Meldungserstattung die Furcht vor nachteiligen persönlichen und beruflichen Konsequenzen entgegen, wodurch es zu einer geringen Anzahl an Meldungen kam. Für Unternehmen ist dies insofern nachteilig, als dass sie von vermeintlichen Missständen oftmals erst dann Kenntnis erlangen, wenn Behörden bereits ermitteln. Es macht für Unternehmen einen erheblichen Unterschied, ob ein Hinweisgeber zunächst unternehmensintern eine Meldung erstattet oder ob er sich direkt an die zuständige Behörde oder die Öffentlichkeit wendet. Wird der interne Weg umgangen, wird dem Unternehmen eine vorzeitige und schadensmindernde interne Aufklärung verwehrt. (Compliance-)Verstöße können zu beachtlichen monetären Schäden führen, was auch eine Studie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2017 verdeutlicht.[1] Es ist daher umso wichtiger, dass Unternehmen interne Vorkehrungen treffen, um potentiellen Hinweisgebern ausreichende und vor allem attraktive Möglichkeiten zu gewähren, Meldungen in erster Linie intern zu erstatten.
Bislang gab es auf Unionsebene keinen einheitlichen Rechtsschutz für Hinweisgeber. Vielmehr war es den Mitgliedsstaaten selbst überlassen, entsprechende Regelungen in das nationale Recht aufzunehmen. Dies resultierte nicht nur in schwerer Auffindbarkeit entsprechender Bestimmungen sowie Rechtsunsicherheit seitens der Whistleblower, sondern insbesondere im Fehlen eines allgemeinen, gesetzlich vorgesehenen Schutzsystems. Partieller Schutz – in bestimmten Wirtschaftszweigen oder für gewisse Kategorien von Arbeitnehmern – war nicht ausreichend, um Hinweisgeber zur Meldungserstattung zu ermutigen.
Vor diesem Hintergrund verfolgte auch die Gesetzgebung auf Ebene der Europäischen Union (EU) bereits seit dem Jahr 2014 das Ziel, einen gemeinsamen Mindeststandard zur Gewährleistung eines wirksamen Hinweisgeberschutzes zu erlassen. Dies wurde mit der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (kurz: Whistleblower-RL), realisiert. Sie basiert auf dem Grundgedanken, dass durch Whistleblower gewonnene Informationen massiv zur Aufdeckung und Verfolgung von Rechtsverstößen beitragen können. Das erklärte Ziel der Whistleblower-RL ist es also, einen unionsweit einheitlichen Mindeststandard zum Schutz von Whistleblowern zu schaffen.
1.2 Inkrafttreten
Dem Unionsgesetzgeber kommt aufgrund des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eine Harmonisierungskompetenz über diverse Rechtsgebiete zu. Gestützt auf diese Rechtsgrundlage wurde die Whistleblower-RL am 7. Oktober 2019 vom Europäischen Rat verabschiedet und ist seit dem 16. Dezember 2019 in Kraft.
Die Mitgliedsstaaten der EU haben nun zwei Jahre Zeit, um die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Somit ist vorgesehen, dass mit Wirkung zum 17. Dezember 2021 der nationale Gesetzgeber rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen hat, welche es Whistleblowern ermöglichen, den vorgesehenen Schutz in Anspruch zu nehmen.
Abweichend von dieser allgemeinen Umsetzungsverpflichtung, haben die nationalen Gesetzgeber jedoch auch eine Erleichterung vorzusehen: Die nationale Umsetzung muss vorsehen, dass juristische Personen des privaten Sektors, die 50 bis 249 Arbeitnehmer beschäftigen, bis zum 17. Dezember 2023 Zeit haben, Meldekanäle einzurichten.[2] Kleine und mittlere Unternehmen (kurz: KMU) haben somit zwar eine Schonfrist hinsichtlich der Implementierung von Whistleblowingsystemen erhalten, jedoch ist es auch für sie zum jetzigen Zeitpunkt schon notwendig, entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen.
1.3 Bisherige Rechtslage
Insbesondere im Bereich der Finanzdienstleistungen enthielten einige Rechtsakte der Union bereits detaillierte Vorschriften zum Schutz von Hinweisgebern. Die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen sahen ähnliche Regelungen vor. Diese sind jedoch von Uneinheitlichkeit geprägt und beziehen sich meist nur auf spezielle Bereiche.
1.3.1 Nationale Grundlagen
In Österreich sind Hinweisgebersysteme bereits bekannt und werden häufig genutzt, sind diese doch schon seit mehreren Jahren bei einigen Behörden im Einsatz, so etwa bei
+Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (kurz: WKStA), gemäß § 2a (6) StAG:
7.148 Meldungen zum Stichtag 31.12.2018[3] (insgesamte Anzahl der Meldungen seit der Implementierung im Jahr 2013),
+Finanzmarktaufsichtsbehörde (kurz: FMA), gemäß § 99 g (2) BWG:
263 Meldungen im Jahr 2019[4],
+Bundeswettbewerbsbehörde (kurz: BWB), gemäß § 11b (6) WettbG:
39 Meldungen im Jahr 2018[5].
Eine branchenunabhängige allgemeine Pflicht für Unternehmen zur Einrichtung von Hinweisgebersystemen gab es bislang nicht. Lediglich einzelne Rechtsnormen sehen vor, dass unternehmensinterne Stellen einzurichten sind, bei denen Mitarbeiter Verstöße gegen bestimmte Gesetze melden können. So bspw. § 99g Bankwesengesetz, welcher Kreditinstitute dazu verpflichtet, Hinweisgebersysteme einzurichten und vorsieht, die Anonymität der Meldenden zu wahren sowie diese vor Vergeltungsmaßnahmen zu schützen.
1.3.2 Internationale Grundlagen
Auch in anderen Ländern gab es bereits Rechtsnormen, die Ähnlichkeiten zu jenen der Whistleblower-RL aufweisen. Im Folgenden wird ein kurzer beispielhafter Überblick über entsprechende Länder und Bestimmungen gegeben.
Deutschland: Im deutschen Corporate Governance Kodex für börsennotierte AGs lässt sich eine Verpflichtung zur Einrichtung einer Stelle zur Meldung von Rechtsverstößen für Mitarbeiter und Dritte finden.
Frankreich: Das französische Antikorruptionsgesetz SAPIN II verpflichtet Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern eine Meldestelle für Whistleblower einzurichten. Es ist für Schutz vor Strafverfolgungen und der Wahrung der Anonymität zu sorgen.
Slowakei: Mit dem Gesetz über bestimmte, mit Anzeige der gesellschaftswidrigen Tätigkeit zusammenhängenden Maßnahmen (č. 54/2019) verfügt die Slowakei seit 2015 (novelliert 2019) über ein umfassendes Regelwerk zum Thema Whistleblowing. Durch den weiten Schutzbereich und der Einrichtung einer unabhängigen Zentralbehörde gilt sie als unionsweiter Vorreiter.
USA: Der Sarbanes-Oxley Act[6] trägt den an US-Börsen gelisteten Unternehmen sowie deren Tochterunternehmen, die Einrichtung von Whistleblower-Hotlines auf. Damit verbunden ist ein genereller Schutz von Whistleblowern.
Durch die neue Whistleblower-RL wird die bereits anerkannte Bedeutung dieses Themas nun endgültig