Diese schrecklich schönen Jahre. Susanne Frohlich

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Diese schrecklich schönen Jahre - Susanne  Frohlich

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      Aber ich gebe zu: Manchmal denke ich trotzdem über die Anschaffung einer Voodoo-Puppe nach. Eine, die so aussieht, wie mein Nachbar. Und ein paar Nadeln, die ich immer in das Ding stecken kann, sobald er mich wieder einparkt oder seine stinkende Mülltonne vor meine Tür stellt. Dann fällt mir Regine ein. Vor mehr als zehn Jahren schon wurde sie geschieden. Von Stefan, der sie wirklich mies behandelt hat. Seitdem nimmt sie übel. Aktiv, indem sie jedem, der es nicht wissen will, davon erzählt. Ja, auch neuen Männern, was nicht besonders gut ankommt (und nebenbei auch einer der Gründe sein könnte, weshalb sie immer noch Single ist). Passiv, indem sie Stefans Leben aus der Ferne verfolgt. Immer in Erwartung, dass das Schicksal ihn bestraft für das, „was er mir angetan hat“. Tut es aber nicht. Nicht mal mit einem schlechten Gewissen. Stefan hat sich ja nicht mal für Regines Befinden interessiert, als sie noch zusammen waren. Warum sollte er jetzt damit beginnen? Er hat sie schon längst nicht mehr auf seinem Radar, während sie ihm sogar erlaubt, auch zukünftige Beziehungen zu beeinflussen. „Ich kann keinem Mann mehr vertrauen!“, sagt sie immer.

      Es gibt längst viele Studien, die bestätigen, was hier passiert: dass Nichtverzeihen auch ein Akt der Selbstbestrafung ist und eng mit dem Selbstmitleid verpartnert. Dem überhaupt größten Bremsklotz im Leben. Auch gesundheitlich ist Nachtragen nicht zu empfehlen. Es fördert Bluthochdruck, Migräne, Depressionen und Schlafstörungen. Umgekehrt reduziert Verzeihen sämtliche Stresssymptome von Kopf- und Magenschmerzen bis hin zu Müdigkeit und Schwindel. Studienteilnehmer, die über eineinhalb Monate lang je 90 Minuten pro Woche an einem „Vergebungsunterricht“ teilnahmen, waren aber nicht bloß körperlich, sondern auch seelisch stabiler. Noch Monate nach dem Kurs fühlten sich Männer wie Frauen vitaler und optimistischer. Wie gesagt, ich finde das auch manchmal schwer. Aber da jeder von uns auf die ein oder andere Art sehr viel Toleranz verbraucht – erstaunlicherweise oft die am meisten, die am wenigsten bereit sind, etwas davon zurückzugeben –, ist es ja außerdem ein schöner Gedanke, dass einem vielleicht auch einfach mal verziehen wird. Es sind ja nicht immer nur die anderen die Bösen. Nachsicht ist überhaupt ein mindestens so wichtiges Accessoire für die mittleren Jahre wie der siebenfache Vergrößerungsspiegel im Bad.

      Und ewig grüßt das Murmeltier

      Das Leben ist kein Ponyhof. Das braucht man gerade berufstätigen Frauen nicht zu sagen. Sie verdienen – bei gleicher Qualifikation – immer noch weit weniger als Männer. Und zum Ausgleich arbeiten sie dann doppelt so viel im Haushalt. Umso mehr übrigens, je länger sie verheiratet sind – so eine Studie der Uni Bamberg. Was die Geschlechter aber eint: dass man sich vorher immer nicht vorzustellen vermag, wie wahnsinnig lange man später ein und dieselbe Sache tun wird. Routine – das ist auch so ein Ballaststoff in den mittleren Jahren. Und man wird sofort sehr, sehr müde, wenn man mal eben überschlägt, wie oft man als Krankenschwester noch Katheter legen oder Kissen aufschütteln wird oder sich als Friseurin die immer gleichen Urlaubsgeschichten anhören muss. Gar nicht zu reden vom Dauerfrust über einen unfähigen und/oder cholerischen Chef. Mit einem Job verhält es sich im günstigsten Fall wie mit der Liebe. Zu Beginn ist alles neu und aufregend. Man ist begeistert, steckt viel Energie in die Sache, genießt die Herausforderung und springt jeden Morgen voller Tatendrang aus dem Bett. Früher oder später verflüchtigt sich das Hochgefühl.

      Langeweile schleicht sich ein, gleichzeitig hat man schon das Maximale dessen erreicht, was möglich ist. Das wären dann die idealen Voraussetzungen, endlich seiner wahren Bestimmung zu folgen: also Schauspielerin zu werden oder Schriftstellerin oder endlich einen Senfladen zu eröffnen oder eine kleine Boutique mit all den Dingen, die man selbst gern kauft – kurz: ein sinnstiftendes Leben zu führen, in dem die Work-Life-Balance aber so was von stimmt.

      Ohne Moos nix los

      Im Prinzip wäre nichts dagegen einzuwenden, aber solange man noch von Euros lebt und nicht von schönen Ideen, gilt es zunächst einmal an das Naheliegendste, an das Einkommen, zu denken. Ich kenne ausreichend Frauen, die einen Neuanfang gewagt haben – und mittlerweile für weniger Geld mehr denn je arbeiten müssen.

      Es lohnt sich deshalb, mit Frauen zu sprechen, die spät noch genau das zu ihrem Beruf gemacht haben, wovon andere träumen. Aber Vorsicht, es könnte sein, dass die Schauspielerin, die sich auf Provinzbühnen und mit Werbung für eine Haftcreme durchschlägt, anfängt zu weinen, wenn sie hört, dass Sie Ihre feste Stelle mit Urlaubsanspruch, Weihnachtsgeld, geregelten Arbeitszeiten und der Aussicht auf eine Rente gegen etwas eintauschen wollen, das einen dazu zwingt, noch mit 84 Jahren Zeitungen auszutragen. Hilfreich auch, sich einfach einmal im Hochsommer einen ganzen Tag lang in einen von diesen hübschen kleinen Läden zu stellen, von denen Frauen so träumen. Nur um zu erleben, wie unfassbar öde es sein kann, nicht mal eben für eine Stunde wenigstens ins Eiscafé gehen zu können.

      Die Liste der vermeintlich idealen Beschäftigungen, um sich endlich selbst zu verwirklichen, ist enorm lang. Seltsam nur, dass über jedem dieser vermeintlichen Traumjobs der Satz schwebt, der vermutlich sowieso eigens für Frauen erfunden wurde: „Geld ist nicht alles.“ Man müsste schon Barbie oder Barbara Becker sein. Dann könnte man immer noch Rennfahrerin, Schmuckdesignerin, Astronautin oder Pilates-Model werden. Alle, die von ihrer Arbeit leben müssen, die eine Rente brauchen, vielleicht sogar noch eine Familie finanziell zu versorgen haben, sollten ihre Pläne einem gnadenlosen Realitäts-Check unterziehen. Wenn man sich dann immer noch entscheidet, etwa Psychologie zu studieren, obwohl man befürchten muss, nach dem Abschluss keine Stelle zu finden – Chapeau! Wenn man glaubt, dass die Welt auf eine weitere Familienaufstellerin oder Aura-Soma-Beraterin oder Heilpraktikerin gewartet hat, könnte man allerdings ein ziemliches Fiasko erleben.

      Wieso nicht einfach nebenbei das ausleben, was da noch an unentdeckten Talenten und unerfüllten Sehnsüchten in einem schlummert? Eine Freundin schreibt neben ihrem Job in einer Behörde hier in Frankfurt leidenschaftlich gern gute Kurzgeschichten. Eine andere singt in einem Chor. Und eine Kollegin verbringt ihre gesamte Freizeit in ihrem Atelier, wo sie ausschließlich männliche Akte malt. Es hat auch etwas sehr Befreiendes, sich den Spaß an manchen Dingen nicht dadurch zu verderben, dass man damit dringend Geld verdienen muss.

      Später ist früher, als man denkt

      Eigentlich kann man ohnehin froh sein, mit über 40 überhaupt noch einen Job zu haben, selbst wenn er einen langweilt. Ich kenne einen privaten Stammtisch von Frauen aus der Werbebranche. Als er gegründet wurde, waren die meisten Teilnehmerinnen um die 30. Jetzt sind sie Anfang 40 und bis auf zwei Frauen haben alle ihre Jobs verloren. Einige wenige sind nach längerem Suchen in anderen Agenturen untergekommen. Die überwiegende Mehrheit jedoch versucht sich mangels Alternativen als Selbstständige durchzuschlagen. Die Kampagnen für die Produkte, die ihre und meine Generation jetzt angeblich so dringend braucht – gegen Altersflecken, für mehr Spannkraft der Haut, gegen Rückenbeschwerden und Haarausfall – werden nun von Jüngeren entworfen. Von Frauen, die wie schon ihre Vorgängerinnen glauben, dass man sie, wenn sie nur richtig tüchtig sind, immer weiter nach oben an die Spitze befördern wird. Bis sie Kinder kriegen oder älter werden. Gut, man hätte sie mit 30 einmal fragen können: „Sag mal, wie viele deiner Vorgesetzten sind eigentlich Frauen?“ Oder: „Was denkst du, wie soll das weitergehen, wenn du mal mehr als ein freies Wochenende im Monat brauchst?“

      Aber irgendwie funktioniert das mit der Erfahrungsvermittlung unter Frauen nicht auf diese Weise. Also nicht so, dass die Jüngeren gebannt an den Lippen der Älteren hängen, um von deren Erfahrungen zu profitieren. Die Jüngeren denken, was wir auch gedacht haben, als wir so alt waren wie sie: dass bei ihnen alles anders sein wird. Die Männer, die Arbeitswelt, ihre Zukunft. Ihre Liebsten werden selbstverständlich mit Freude beim Putzen, Kochen, Aufräumen und bei der Wäsche helfen und zwischendurch den Boden anbeten, auf dem wir wandeln.

      Sie werden sehr gern eine Auszeit nehmen, um ihre Kinder beim Großwerden zu begleiten. Im Beruf wird es so vielversprechend weitergehen, wie es begonnen hat. Man wird gefördert und geschätzt. Den reichen Erfahrungsschatz, den man

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