Die Lehren der Zeugen Jehovas. Lothar Gassmann
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Als auch diese Prophezeiung auf das Jahr 1925 nicht eintraf, sagte Rutherford : „Ich habe mich lächerlich gemacht“ (engl. Originaltext: „I know I made an ass of myself“) („Wachtturm“ vom 25.12.1984, S. 26; zitiert nach: Franz 1991, S. 136). 1925 wird in „Wachtturm-Kreisen“ ähnlich wie 1914 als „Jahr der Prüfung“ bezeichnet – aus leicht erkennbaren Gründen. Rutherford selber verzichtete von da an auf ähnliche Festlegungen – was nicht ausschloss, dass seine Nachfolger später seinen Fehler wiederholten.
Unter den zahlreichen Neuerungen, die Rutherford einführte, war die grundlegende Verpflichtung jedes Bibelforschers zum Haus-zu-Haus-Dienst, die Errichtung eigener Rundfunk-Stationen, die Abschaffung vieler als „heidnisch“ geltender Bräuche und Feste (Kreuzsymbol, Weihnachten, Ostern, Geburtstag u.a.) und vor allem die Propagierung der immer sektiererische Züge annehmenden Bibelforscher als das neue Heilsvolk der „Zeugen Jehovas“, das nun an die Stelle des alttestamentlichen Gottesvolkes Israel, aber auch der christlichen Kirchen treten sollte. Unter Rutherford erlangten die Zeugen Jehovas im Wesentlichen ihr heutiges Gepräge.
1931 fand der entscheidende Kongress in Columbus/Ohio statt, der die neue Richtung bestimmen sollte. Auf diesem Kongress wurde die Wachtturm-Gesellschaft von Rutherford zur endzeitlichen Heilsgemeinde erhoben. Hier nahm sie den Namen „Jehovas Zeugen“ an, und zwar in Anlehnung an Jesaja 43, 10-12, wo es heißt:“Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr wisst und mir glaubt und erkennt, dass ich`s bin. Vor mir ist kein Gott gemacht, so wird auch nach mir keiner sein. Ich, ich bin der Herr, und außer mir ist kein Heiland. Ich habe es verkündigt und habe euch geholfen und hab`s euch sagen lassen; und es war kein fremder Gott unter euch. Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr, und ich bin Gott.“
Auf die Einladung zu diesem Kongress hatte Rutherford ohne weitere Erklärung zwei geheimnisvolle Großbuchstaben drucken lassen: JW. Erst auf dem Kongress wurde das Geheimnis gelüftet. In seinem von Zehntausenden mit donnerndem Applaus aufgenommenen Vortrag verkündete er den neuen Namen „Jehovahs Witnesses“ („Jehovas Zeugen“). Nachdem in einer Resolution alle anderen Namen („Ernste Bibelforscher“, „Russelliten“ etc.) als ungenügend bezeichnet worden waren, hieß es weiter:
„… dass wir, erkauft durch das teure Blut unsres Herrn und Erlösers, gerechtfertigt und gezeugt durch Jehova Gott und berufen zu seinem Königreiche, ohne Zaudern erklären, dass wir Jehova Gott und seinem Königreiche untertan und ergeben sind; dass wir Knechte Jehovas sind, beauftragt, in seinem Namen und seinem Gebot gehorchend, ein Werk zu tun, das Zeugnis Jesu Christi zu überbringen und den Menschen bekanntzumachen, dass Jehova der wahre und allmächtige Gott ist; weshalb wir mit Freuden den Namen, den der Mund des Herrn genannt hat, annehmen und wünschen, unter folgendem Namen bekannt zu sein und also genannt zu werden: Jehovas Zeugen (Jesaja 43:10-12 …)“ (JZ, S. 156).
Und dann wurde mit aller Bestimmtheit ausgeführt:
„Als Jehovas Zeugen ist unser einziger und ausschließlicher Wunsch, seinen Geboten völlig gehorsam zu sein; bekanntzumachen, dass er der allein wahre und allmächtige Gott ist; dass sein Wort wahr und dass sein Name aller Lehre und allen Ruhmes würdig ist; dass Christus Gottes König ist, den er auf seinen Thron der Vollmacht gesetzt hat; dass sein Königreich nun gekommen ist und wir im Gehorsam gegen die Gebote des Herrn diese gute Kunde als Bekenntnis oder Zeugnis den Nationen bekanntmachen müssen und die Herrscher und das Volk über Satans grausame und bedrückende Organisation, besonders unter Hinweis auf die ´Christenheit`, den gräulichsten Teil seiner sichtbaren Organisation, aufklären und ihnen Gottes Vorhaben, die satanische Organisation binnen kurzem zu zermalmen, ankündigen müssen, nach welchem großen Zerstörungswerk Christus, der König, den gehorsamen Menschen der Erde rasch Frieden, Wohlfahrt, Freiheit und Gesundheit, Glück und ewiges Leben bringen wird; dass Gottes Königreich die Hoffnung der Welt ist, außer der es keine andre Hoffnung gibt, und dass diese Botschaft durch die überbracht werden muss, die als Jehovas Zeugen kenntlich gemacht worden sind“ (JZ, S. 157).
Mit dem Kongress von Columbus im Jahre 1931 war die Selbstverabsolutierung der Gruppe um Rutherford zu ihrem Höhepunkt gelangt. Der Sektencharakter, der sich vor allem in der Exklusiv-Setzung der eigenen Gruppe oder Position zeigt, trat spätestens von da an in kaum zu überbietender Deutlichkeit hervor. So gelten die „Zeugen Jehovas“ bis heute als Paradebeispiel einer Sekte. Der Sektenexperte Kurt Hutten schreibt in seinem Standardwerk Seher, Grübler, Enthusiasten:
„Die darin ausgesprochene Selbstverabsolutierung war mit einer schroffen Verwerfung aller anderen christlichen Gemeinschaften verbunden. Zu Russells Zeiten war die Bezeichnung ´Bibelforscher` eingeführt worden als Ausweis dafür, dass man eine überdenominationelle Bewegung sein wolle. Es wurde betont, ´dass wir nicht sektiererisch sind – dass wir alle als Brüder und Glieder der Kirche, der Kirche Christi, der Kirche Gottes anerkennen, welche die volle Weihung zur Selbstaufopferung beweisen und in den Fußstapfen unseres Erlösers nachfolgen`. Rutherford machte Schluss mit solchen gesamtkirchlichen Gefühlen. Er zerriss das Band. So bekam die Organisation die typischen Züge der Sekte“ (Hutten 1982, S. 87 f.).
Der Umgang mit totalitären Systemen
In Rutherfords Präsidentenzeit fielen harte Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus und anderen totalitären Systemen. Allein in Deutschland gingen während der Hitler-Diktatur ca. 6.000 Wachtturm-Anhänger für ihre Überzeugung in die Gefängnisse und Konzentrationslager. Etwa 1.000 von ihnen fanden dort den Tod (vgl. „Wachtturm“ vom 1.7.1979, S. 8).Trotz dieser bewundernswert konsequenten Haltung der einzelnen Zeugen Jehovas darf nicht übersehen werden, dass das Verhalten der Wachtturm-Gesellschaft anfangs ambivalent war. In einem Schreiben der deutschen Wachtturm-Zentrale an den „sehr verehrten“ Reichskanzler Adolf Hitler vom Juni 1933, der 1994 im deutschen und amerikanischen „Jahrbuch“ der Wachtturm-Gesellschaft abgedruckt wurde und somit offiziellen Charakter besaß (vgl. ACV 4/94, S. 16), hatte es u.a. geheißen:
„Das Brooklyner Präsidium der Watch Tower-Gesellschaft ist und war seit jeher in hervorragendem Maße deutschfreundlich. Aus diesem Grunde wurden im Jahre 1918 der Präsident der Gesellschaft und die sieben Glieder des Direktoriums in Amerika zu 80 Jahren Zuchthaus verurteilt, weil der Präsident sich weigerte, zwei von ihm in Amerika geleitete Zeitschriften zur Kriegspropaganda gegen Deutschland zu gebrauchen. Diese zwei Zeitschriften ´The Watch Tower` und ´Bible Student` waren die beiden einzigen Zeitschriften Amerikas, die eine Kriegspropaganda gegen Deutschland verweigerten und darum während des Krieges in Amerika auch verboten und unterdrückt wurden. In gleicher Weise hat sich das Präsidium unserer Gesellschaft in den letzten Monaten nicht nur geweigert, an der Gräuelpropaganda gegen Deutschland teilzunehmen, sondern hat sogar dagegen Stellung genommen, wie dies auch in der beigefügten Erklärung unterstrichen wird durch den Hinweis, dass die Kreise, welche diese Gräuelpropaganda in Amerika leiteten (Geschäftsjuden und Katholiken), dort auch die rigorosesten Verfolger der Arbeit unserer Gesellschaft und ihres Präsidiums sind. Durch diese und andere in der Erklärung enthaltenen Feststellungen soll die Zurückweisung der Verleumdung, Bibelforscher würden durch die Juden unterstützt, erfolgen…
Weiter wurde auf dieser Konferenz der fünftausend Delegierten – wie in der Erklärung ausgedrückt – festgestellt, dass die Bibelforscher Deutschlands für dieselben hohen ethischen Ziele und Ideale kämpfen, welche die nationale Regierung des Deutschen Reiches bezüglich des Verhältnisses des Menschen zu Gott proklamierte, nämlich: Ehrlichkeit des Geschöpfes gegenüber dem Schöpfer! Auf der Konferenz wurde festgestellt, dass in dem Verhältnis der Bibelforscher Deutschlands zur nationalen Regierung des Deutschen Reiches keinerlei Gegensätze vorliegen, sondern dass im Gegenteil – bezüglich der rein religiösen, unpolitischen Ziele und Bestrebungen der Bibelforscher – zu sagen ist, dass diese in völliger