Fotografie als Methode. Maja Jerrentrup

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Fotografie als Methode - Maja Jerrentrup страница 3

Fotografie als Methode - Maja Jerrentrup

Скачать книгу

und dass ihr Besitz demokratischer geregelt werden kann. Außerdem impliziert dies die Möglichkeit ganz unterschiedlicher Erscheinungsformen je nach Größe und Trägermaterial und weist auch in die Richtung einer prinzipiellen Unabgeschlossenheit: Auch alte Fotos können in neue Bedeutungszusammenhänge gestellt werden, indem man sie etwa neu anordnet, auf andere Trägermaterialien druckt oder neu bearbeitet.

       Ein weiterer Aspekt zum Wesen der Fotografie, der für unseren Kontext wichtig ist, liegt in den Wechselwirkungen, die Fotografie, Gesellschaft und Kultur eingehen: Fotografie prägt in besonderem Maße unsere Art, uns ein Bild von der Welt zu machen. Sie legt fest, was normal, schön oder hässlich ist (vgl. Jäger 2009: 14 f.) und suggeriert uns Macht oder Besitz. Allerdings bestimmt auch der kulturelle Kontext, wie die Fotografie wahrgenommen wird: Entsprechend fühlen sich zum Beispiel Menschen vor der Kamera je nach Kultur tendenziell geehrt oder eher gedemütigt.

      Für das Folgende bleibt festzuhalten, dass der Begriff „Fotografie“ ein weites Feld bezeichnet und stets trotz der impliziten Statik („Standbild“) Dynamik beinhaltet – Fotografie wird immer wieder unterschiedlich bewertet, ist nie wirklich abgeschlossen, zirkuliert, verändert sich in ihrer Technik und Bedeutung.

      Wenn man eine Methode im Sinne von „Medium“ definiert – ein (Ver-)Mittler (vgl. Linthout 2004: 54), der zu einer Erkenntnis oder noch allgemeiner zu einer neuen Situation führen kann – ist es offensichtlich: Fotografie kann auch eine Methode sein, und möglicherweise eine besonders fähige, weil sie für fast jeden zugänglich ist und vielleicht oft nachvollziehbarer als andere Methoden.

      In seiner Etymologie auf das altgriechische „μέθοδος = Nachgehen, Verfolgen“ rückführbar meint „Methode“ in seiner Grundbedeutung den Weg, auf dem man sein Ziel verfolgt: „Wenn man sich mit Methoden beschäftigt, steht das ‚wie‘ im Mittelpunkt“ (Galuske 2013: 28).

      Allerdings wird der Begriff „,Methode‘ […] ebenso selbstverständlich wie unreflektiert gebraucht. Daraus ergibt sich ein diffuses Bedeutungsfeld“ (Konegen und Sondergeld 1989: 11). Oft erscheint er synonym für eine Technik beziehungsweise ein Instrument, für eine Theorie, Disziplin oder Wissenschaft, oder wird mit Methodologie, der Wissenschaft zu wissenschaftlichen Methoden vermengt. Dennoch können all diese Verwendungen auch ihre Berechtigung haben: Manche Theorien oder Disziplinen etwa definieren sich u.a. auch über ihre Methoden, die Ethnologie beispielsweise über die „Teilnehmende Beobachtung“ als einer Methode, die sie von anderen Disziplinen, die sich mit „Kultur“ beschäftigen, (tendenziell) abhebt. Und wann immer man in einem wissenschaftlichen Kontext seine Methoden erläutert und reflektiert, kommt Methodologie ins Spiel.

      Wie es schon anklingt, soll hier einer sehr allgemeinen Definition gefolgt werden: Methode meint in diesem Kontext ein „nach Mittel und Zweck planmäßiges ( = methodisches) Verfahren, das zu […] Fertigkeit bei der Lösung theoretischer und praktischer Aufgaben führt (technische Methoden, Arbeitsmethoden, Werbemethoden, Erziehungsmethoden, Methoden der Wissenschaft)“ (Mittelstraß 1984: 876), oder, noch grundsätzlicher, ist eine Methode „eine bewusst gewählte Verhaltensweise zur Erreichung eines bestimmten Zieles“ (Schilling 1993: 65). Dabei gilt dem heutigen Methodenverständnis zufolge selbstverständlich, dass „wissenschaftliche Methoden […] genauso wenig neutral [sind] wie alle anderen Mittel bzw. Medien“ (Tuschling 2020: 173). Bestimmten Methoden liegen Meinungen, Ideologien oder Theorien zugrunde. Wer zum Beispiel davon ausgeht, dass die gerade erwähnte Teilnehmende Beobachtung eine je nach Situation sinnvolle Herangehensweise darstellt, geht auch davon aus, dass es prinzipiell möglich ist, die Perspektive anderer Menschen zu einem gewissen Maße zu übernehmen, dass Menschen also nicht aufgrund ihrer Kultur so grundverschieden sind, dass eine Perspektivübernahme völlig undenkbar wäre. Außerdem wird auch angenommen, dass es ebenso möglich ist, eine professionelle Distanz wahren zu können. Ganz abgesehen von der Umsetzbarkeit geht man ferner davon aus, dass diese Methode im Sinne des (Erkenntnis-)Ziels zu besseren Ergebnissen führen kann als eine andere – besser im Sinne von vertiefter, zeiteffektiver, repräsentativer, handlungsrelevanter oder vieles mehr.

      Auch in den Bereichen, die Fotografie als Methode nutzen, liegt ebendem eine Entscheidung zugrunde: Es gäbe oftmals auch alternative Methoden, die vielleicht auf anderen Überzeugungen, Menschenbildern, Theorien oder allgemeiner, Grundannahmen beruhen.

      Außerdem spielen sich die im Folgenden beschriebenen Methoden auf recht unterschiedlichen Ebenen ab: Manche von ihnen sind eher grundsätzliche Überlegungen zur Herangehensweise, andere lassen sich hingegen klar formulieren und in Handlungsanweisungen gießen. Manche von ihnen sind längst etabliert, vielleicht aber neuerlich infrage gestellt, andere reflektieren neue Sichtweisen.

      Die Fotografie als ein (Ver-)Mittler und damit im weitesten Sinne als eine Methode – nicht (nur) im wissenschaftlichen, sondern im weiteren Sinne – zu verstehen, impliziert, den Fokus auf einen Prozess zu legen. Dieser Prozess kann, muss aber nicht im Fotografieren selbst liegen, sondern auch im Vorbereiten, Rezipieren, Interpretieren, Verinnerlichen etc. Mit Blick auf „Fotografie als Methode“ ergeben sich also ganz unterschiedliche Blickwinkel.

      Vermischt sich hier bisweilen „Gegenstand“ und „Methode“? Tatsächlich, so muss man sagen, sind „Gegenstand“ und „Methode“ in diesem Buch oft nicht ganz trennscharf. Eigentlich müsste man auch verschiedene Arten von Gegenständen berücksichtigen: Fotografie ist zwar selbst ein Gegenstand, der auf verschiedene Weise eingesetzt oder analysiert wird, aber letztlich bezieht sich die Fragestellung oder Zielsetzung oft nicht auf den Gegenstand „Fotografie“, sondern auf andere, sehr vielfältige Aspekte, beispielsweise das Verstehen gesellschaftlicher Zusammenhänge, das Lernen oder das Stärken des Selbstwertgefühls.

      Auf verschiedene Weise lässt sich das Thema „Fotografie als Methode“ systematisieren:

      Die vielleicht offensichtlichste Systematisierung unterscheidet die Arbeit mit Fotos oder über Fotos, sowie mit dem Fotografieren oder über das Fotografieren. Die Varianten „mit“ erscheinen der Idee, Fotografie als Methode zu betrachten durchaus näher, aber gehen bisweilen mit dem „über“ einher. Auch über die Fotografie oder das Fotografieren zu arbeiten bedeutet ferner nicht zwangsläufig, vor allem etwas über die Natur der Fotografie/ des Fotografierens erfahren zu wollen, sondern beispielsweise über die Analyse einer Fotografie oder einer fotografischen Praktik etwas über ihre Bedeutung in Kultur und Gesellschaft herauszufinden, damit also etwas über die menschliche Lebensgestaltung zu erschließen – letztlich handelt es sich also bisweilen auch hier eben doch um ein „mit“.

      Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das fotografische Material zu betrachten. Oft wird hier von nur drei Kategorien ausgegangen, “researcher-found visual material”, “researcher-created visual data” und “respondent-generated visual data” (vgl. Spencer 2011), allerdings möchte ich hier ein etwas differenzierteres System vorstellen, das den verschiedenen Facetten gerechter wird und zudem auch die nicht-(rein)-wissenschaftlichen Methoden besser aufgreift:

       Bestehende Fotografien ohne Fokus auf die Quelle: Hierbei handelt es sich beispielsweise um historische Fotografien, um Bilder aus Zeitschriften oder um Werbefotografien. Neben der naturwissenschaftlichen Analyse oder der Betrachtung als Beweis geht es hier häufig darum, mit Hilfe der bestehenden Fotografien etwas über Traditionen, Normen und Werte in Gesellschaften herauszufinden (vgl. Pauwels 2015: 17).

      Besonders bietet sich dies bei historischer Forschung an, weil hier andere Methoden wie Interviews oft nicht mehr möglich sind. Aber auch rezente Kulturen lassen sich auf diese Weise analysieren (vgl. Jerrentrup 2010). Oft geht es um ein größeres, für die Fragestellung als repräsentativ geltendes Sample, dem man mit Hilfe von Kategorisierungen, zum Beispiel durch Inhaltsanalysen begegnen

Скачать книгу