Krähenflüstern. Regine Kölpin
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Regine Kölpin
Krähenflüstern
Ostfrieslandkrimi
Zum Autor
Regine Kölpin ist 1964 in Oberhausen geboren, lebt seit dem 5. Lebensjahr an der Nordseeküste und schreibt Romane und Geschichten unterschiedlicher Genres. Sie ist auch als Herausgeberin tätig und an verschiedenen Musik- und Bühnenproduktionen beteiligt. Außerdem hat sie etliche Kurztexte publiziert. Regine Kölpin ist verheiratet mit dem Musiker Frank Kölpin. Sie haben 5 erwachsene Kinder, mehrere Enkel und leben in einem kleinen Dorf an der Nordsee. In ihrer Freizeit vereisen sie gern mit ihrem Wohnmobil, um sich für neue Projekte inspirieren zu lassen. Dabei haben sie auch Usedom entdeckt und lieben gelernt. Ihre Lesungen gestaltet die Autorin oft mit dem Gitarrenduo »Rostfrei«. Mehr unter www.regine-koelpin.de
Impressum
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sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
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Alle Rechte vorbehalten
(Originalausgabe erschienen 2007 im Leda-Verlag)
Herstellung: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: Katrin Lahmer
unter Verwendung eines Fotos von: © Andreas / stock.adobe.com
ISBN 978-3-8392-6444-7
Freitag, 10.2.
Elfriede Lambacher legte sich eine Decke über die Beine. Es zog. Dieser stürmische Ostwind fegte nicht nur lautstark über den Jadebusen, er drang auch durch die feinsten Poren der Wände in die Häuser. Elfriede rührte in ihrer Tasse und sah auf die Uhr. Gleich musste Hubert kommen, wie jeden Tag.
Sie trank den Nachmittagstee stets zusammen mit ihrem Sohn und nahm ihn nicht mit den anderen Heimbewohnern im Speisesaal ein. Ihre Mitmenschen gingen ihr auf die Nerven, deshalb hatte sie auch keinen engeren Kontakt zu irgendjemandem.
Elfriede sah ungeduldig auf die Uhr. Hubert hätte längst hier sein müssen, er kam immer auf die Minute pünktlich. Der Löffel klirrte überlaut, als sie ihn auf die Untertasse zurücklegte. Sie würde den Tee nicht trinken. Nicht allein.
Ungehalten rollte sie mit dem Rollstuhl zentimeterweise hin und her. Hubert gehörte einfach des Nachmittags an ihre Seite. Es war gut, dass er es normalerweise auch so sah. Sie hatten schließlich viel Zeit nachzuholen. Und sie hatten nur sich.
Elfriede kurvte zu der überdimensionalen Fensterfront. Die bescherte ihr zwar eine erstklassige Sicht auf den Jadebusen, aber ließ im Sommer auch die Sonne aufdringlich ins Zimmer scheinen. Jetzt vermittelte sie ihr das Gefühl, inmitten dieses Sturmes zu sitzen, der selbst die vorwitzigen Silbermöwen aus der Bahn warf.
Der Jadebusen war weiß von der aufgewühlten Gischt und die Wellen donnerten bedrohlich ans Ufer. Sie leckten teilweise schon an dem Betonweg, auf dem sie sonst mit Hubert spazieren fuhr.
Elfriede verzog das Gesicht. Laufen konnte sie seit drei Jahren nicht mehr. Seitdem sie ihr die Beine oberhalb des Knies abgenommen und sie zu einem hilflosen Krüppel gemacht hatten. Wie gern wäre sie nur noch einmal auf eigenen Füßen dort entlangspaziert. Nur ein einziges Mal. Eine Windböe donnerte gegen die Scheibe. Elfriede sackte ergeben in ihrem Rollstuhl zusammen.
Im Heim war es heute außergewöhnlich ruhig. Keine Schritte auf dem Flur, kein Geschirrklappern störte. Vielleicht hatte ihr Donnerwetter, das sie in der letzten Woche beim Geschäftsführer abgelassen hatte, ja doch Wirkung gezeigt.
Das einzige Geräusch war dieses Windgetöse, das jetzt von dem lauten Klingeln des Telefons zerhackt wurde. Elfriede rollte zum Tisch. Dort stand ein altmodisches Gerät, überzogen mit rot-samtigem Stoff. »Ja?«, sagte sie unwirsch.
»Hallo, Mutter! Mein Auto ist kaputt. Ein Reifen zerstochen. Ich komme heute nicht«, sagte Hubert.
Elfriede ließ den Hörer kommentarlos auf die Gabel sinken.
Er könnte den Bus nehmen, dachte sie. Aber er tut es nicht. Er tut es einfach nicht.
Es war das erste Mal, dass er nicht kam. Resigniert rollte sie zum Fenster zurück und verfolgte weiter das Spiel des Windes mit den Wellen, bis das Hinausschauen durch die aufkommende Dunkelheit zu anstrengend wurde.
Der Tee stand schal, mit einer feinen, dünnen Haut bedeckt, auf dem Tischchen. Das Marmeladentöpfchen der Zwischenmahlzeit war unberührt.
Elfriede wusste, dass es wegen ihres Diabetes nicht gut war, das Brot stehen zu lassen, zumal sie schon das Mittagessen kaum angerührt hatte. Es war völlig versalzen gewesen, aber anscheinend hatte nur sie das gemerkt; den anderen schmeckte es. Elfriede war bekannt für ihr ständiges Genörgel, wurde nicht mehr ernst genommen.
Sie starrte stumpf gegen die Scheibe, die noch immer leise unter den Windböen ächzte, dann nickte sie ein.
Nach einer Weile schreckte Elfriede hoch, das Zimmer lag völlig im Dunkeln. Sie merkte, dass ihre Hände leicht zitterten und ihre Bluse feucht war. Sie musste die Schwester rufen.
Gerade als Elfriede zum Lichtschalter rollen wollte, klackte die Tür. Nur leise – sicher hatte die Pflegerin schon ein schlechtes Gewissen, weil sie sich so lange nicht hatte blicken lassen. Aber wahrscheinlich dachte sie, dass Hubert bei ihr sei. Wie jeden Nachmittag.
»Schwester, Sie waren lange nicht da und mir geht es nicht gut. Mein Sohn ist nämlich gar nicht gekommen!«, sagte Elfriede in schneidendem Ton. Das ging immer, egal wie sie sich fühlte.