Wut und Wellen. Peter Gerdes

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wut und Wellen - Peter Gerdes страница 6

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Wut und Wellen - Peter Gerdes

Скачать книгу

»Eine Wache habt ihr also nicht an Bord gelassen? So, wie man das eigentlich macht, wenn man ein Boot an einer unbewachten Stelle zurücklässt? Zumal so ein wertvolles, der Beschreibung nach?«

      Der Koch starrte Lüppo Buss an und breitete hilflos die Hände aus. Offenbar hatte er von solchen Gepflogenheiten noch nie zuvor gehört.

      »Na gut.« Der Oberkommissar schüttelte den Kopf. »Ich leite die Anzeige weiter nach Wittmund, die sind dafür zuständig. Eine Beschreibung des Bootes geht umgehend raus. Die Kollegen werden sich in allen einschlägigen Jachthäfen und Marinas umschauen oder zumindest nachfragen. Die Hafenmeister wissen ja immer am besten, wenn irgendwo fremde Boote auftauchen.« Demonstrativ klappte er seinen Notizblock zu. Für ihn war das Gespräch beendet.

      Der Koch aber zögerte noch. »Was meinen Sie, wann … ich meine, wie sind denn die Chancen, dass das Boot wieder auftaucht?«

      Lüppo Buss zuckte die Achseln. »Falls es bloß ein Dumme-Jungen-Streich war, wenn sich also jemand das Boot nur für eine Spritztour ausgeliehen hat, dann wird es sicher schnell gefunden werden. Die Frage ist dann nur, in welchem Zustand. Aber wenn es sich hier um einen planvollen Diebstahl gehandelt hat, dann, schätze ich, ist das gute Stück futsch. Es sei denn, der Autobahnpolizei gelingt noch ein Zugriff.«

      Jannik Bartels’ Augen rundeten sich noch mehr. »Autobahn …?!«

      Lüppo Buss schüttelte den Kopf; diesmal fiel es ihm nicht schwer, milde zu bleiben. »Professionelle Bootsdiebe schippern nicht mal eben in der Gegend rum. Die packen ihre Beute auf einen Trailer, und dann ab dafür, so schnell es geht. Zum Abnehmer. Meistens Richtung Osten.« Der Inselpolizist wusste das auch erst seit Kurzem. Während einer verordneten Fortbildungsmaßnahme hatte er sich einen Vortrag ausgesucht, dessen Thema ihm am wenigsten weltfremd vorgekommen war. Aber das ging den kleinen Koch hier ja nichts an.

      Jannik Bartels verabschiedete sich und ging. Lüppo Buss blieb gerade genug Zeit, seine Meldung nach Wittmund abzusetzen, da öffnete sich die Tür zu seinem Büro bereits wieder. Eine Frau mit hennarot gefärbten Haaren erschien; sie trug ein erdbeerrotes Top, einen scharlachroten Wickelrock um die ausladenden Hüften, eine magentarote Umhängetasche und einen himbeerrosa Sonnenbrand auf den Schultern. Lüppo Buss hatte ein deutliches Déjà-vu-Gefühl, das er jedoch nicht zuordnen konnte.

      Er begrüßte die Besucherin und nickte ihr aufmunternd zu.

      »Ich will mich beschweren«, sprudelte die Frau los, ohne den Gruß zu erwidern. »Das ist ja lebensgefährlich, also echt, unglaublich. Mein Hermann ist die ganze Nacht nicht vom Lokus runtergekommen. Total schlecht geht es ihm. Und jetzt traut er sich immer noch nicht vor die Tür. Dabei haben wir doch nur eine Woche gebucht, mehr Urlaub hat Hermann nicht gekriegt, weil, der Laden brummt ja zu Hause, da kann er nicht weg, so einfach. Also, so was gibt es doch wohl nicht! Wie können Sie so etwas zulassen?«

      »Was soll ich zugelassen haben?«, fragte Lüppo Buss entgeistert. »Kurze Buchungszeiten? Gute Geschäftslage? Oder dass Ihr Mann die Toilette blockiert?« Er verschränkte die muskulösen Unterarme vor der Brust.

      »Wat?« Die rote Dame musterte ihn wie ein Insekt in ihrer Roten Grütze. »Wat soll dat denn? Haben Sie denn überhaupt nicht verstanden, was ich Ihnen gerade erzählt habe?«

      »Offen gestanden, nein«, antwortete Lüppo Buss. »Vielleicht versuchen Sie es einfach noch einmal. Was, bitte, ist denn der eigentliche Grund Ihrer Beschwerde?«

      »Na, die Marmelade«, erwiderte die rote Dame prompt. »Diese orangene.«

      »Sie wollen sich bei mir über Orangenmarmelade beschweren? Meinen Sie denn, dass die Polizei dafür die richtige Adresse ist?« Jetzt sollten die von der Kurverwaltung mich mal sehen, dachte der Oberkommissar. Mehr Verständnis und Höflichkeit gegenüber Kurgästen geht ja wohl nicht, schon gar nicht gegenüber so durchgeknallten.

      »Nee«, sagte die Besucherin. »Sanddorn.«

      »Wat?« Unwillkürlich imitierte der Inselpolizist den Tonfall der Frau. Stammte sie aus dem Ruhrpott?

      »Na, Sanddorn, nicht Orange. Diese Sanddornmarmelade, die es hier gibt, die ist doch orange.« Die Besucherin nickte ernsthaft.

      Lüppo Buss stellte sich die verschiedenen, einander beißenden Rottöne, in denen die Dame leuchtete, kombiniert mit Sanddorn-Orange vor und konnte ein Schaudern nur mühsam unterdrücken. »Sanddornmarmelade also. Und die schmeckt Ihnen nicht?« Er sprach jetzt nicht mehr nur höflich, sondern übervorsichtig, wie mit einer Verrückten. Kam zur Polizei, weil ihr die Marmelade nicht schmeckte, also wirklich!

      »Natürlich schmeckt uns die«, antwortete die rote Dame. »Ganz vorzüglich schmeckt uns die. Darum ja.«

      Lüppo Buss verstand jetzt gar nichts mehr. »Darum ja – was?«, fragte er hilflos. »Darum wollen Sie sich beschweren?«

      »Darum essen wir die ja so gerne! Und darum hat sich Hermann auch gleich zwei Brote damit geschmiert, obwohl er sonst gar nicht so gerne süß mag, schon gar nicht abends. Aber diesmal, zwei Brote, mit dick Marmelade drauf, weil sie doch so lecker schmeckt, hat er gesagt, diese einheimische Sorte aus dem Geschäft, wo wir vorher noch nie waren. Tja, und das war’s dann.«

      Der Oberkommissar merkte, dass ihm der Unterkiefer herab hing, und sorgte für Abhilfe. Gleichzeitig kam ihm ein Gedanke, wie in diese grotesk anmutenden Ausführungen vielleicht doch noch Sinn hineinzubekommen wäre. »Sie meinen, die neue Marmeladensorte ist Ihrem Hermann nicht gut bekommen? Dass er davon einen Flotten gekriegt hat?« Stolz auf sein Kombinationsvermögen und seinen guten Willen, blickte er die rote Dame erwartungsvoll an.

      »Was heißt hier, nicht bekommen!«, schnauzte die zurück. »Hermann hat einen Magen aus Eisen, das gibt es gar nicht, dass dem etwas nicht bekommt! Außerdem, Sanddorn haben wir früher schon gegessen, da gab es noch nie Probleme. Nee, nee, mit Bekommen hat das nichts zu tun.«

      »Sondern?« Lüppo Buss spürte seine Selbstbeherrschung dahinschwinden und beschränkte sich daher auf dieses eine Wort.

      »Sondern? Merken Sie denn überhaupt nichts?« Die rote Dame ging hoch wie eine Leuchtrakete. »Gift! Mit Gift hat das was zu tun! Hier will uns einer vergiften! Bei meinem Hermann hätte das beinahe schon geklappt, wenn der nicht so ›ne eiserne Konstitution hätte.« Mit diesen Worten zog sie eine Plastiktüte aus ihrer magentaroten Umhängetasche und platzierte sie auf Lüppo Buss’ polierter Kirschholzfurnier-Schreibtischplatte.

      Die Tüte war pink.

      Der Oberkommissar merkte, wie sich sein Magen zusammenzog. »Und da drin ist …«

      »Genau.« Die rote Dame nickte eifrig. »Die Sanddornmarmelade mit dem Gift. Vielmehr, der Rest davon.«

      »Und Sie meinen, die soll ich jetzt …«

      »Erraten. Ins Labor, zur Untersuchung. So geht das doch, nicht? Sieht man ja immer im ›Tatort‹.« Sie blickte sich suchend um: »Wo haben Sie denn hier eigentlich Ihr Labor?«

      Der Inselpolizist räusperte sich umständlich. »Das Labor? Tja, wissen Sie, Frau … wie war doch gleich Ihr Name?«

      »Salewsky«, erwiderte die rote Dame und knallte einen Personalausweis neben die pinkfarbene Tüte. »Ingeborg Salewsky. Ich dachte schon, Sie würden mich überhaupt nicht mehr danach fragen. Immerhin mache ich hier ja eine offizielle Anzeige.«

      »Eine Anzeige?« Lüppo Buss, der sich Namen und Anschrift notierte,

Скачать книгу