Wut und Wellen. Peter Gerdes

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Wut und Wellen - Peter Gerdes

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Giftzeugs verkauft haben! Wie heißen die denn noch … ich glaube, Tütjer oder so ähnlich. Jedenfalls heißt der Laden so.«

      »Tuitjers Eck meinen Sie?« Der Oberkommissar kannte das Geschäft, das immer noch den Namen seines verstorbenen Gründers führte. »Mal im Ernst, glauben Sie wirklich, dass jemand Ihnen Böses wollte? Bestimmt ist das alles nur ein unglücklicher Zufall. Ihr Hermann hat gestern sicher noch irgendetwas anderes gegessen, das ihm nicht bekommen ist. Oder getrunken. Reden Sie doch noch einmal mit ihm, sprechen Sie alles durch. Bestimmt gibt es für das Unwohlsein Ihres Gatten eine harmlose Erklärung.«

      Die rote Dame sprang auf, so ungestüm, dass der Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, hinter ihr zu Boden krachte. »Wollen Sie mich eigentlich nicht verstehen?«, zischte sie den Inselpolizisten an. »Oder können Sie bloß nicht? Hier geht es nicht einfach um einen verdorbenen Magen, hier geht es um einen Giftanschlag. Jemand hat es auf uns abgesehen. Und vielleicht auch noch auf andere. Was muss denn noch alles passieren, dass Sie endlich mal Ihren Hintern hochkriegen?« Sie grabschte nach ihrem Ausweis und stopfte ihn in die Umhängetasche. »Aber warten Sie nur, Sie werden schon sehen. Wenn Sie mich nicht ernst nehmen in meiner Not, die Presse wird das schon tun! Da gehe ich jetzt nämlich hin. Zur Presse, jawohl. Die wird Ihnen schon Dampf machen.«

      Damit rauschte sie hinaus und schmetterte die Tür hinter sich ins Schloss.

      Lüppo Buss schaute ihr kopfschüttelnd nach. Leute gab es! Also wirklich. Ein Mordanschlag, einfach so, mit Marmelade frisch aus dem Laden, ohne einen Anlass oder ein erkennbares Motiv. Nee, Leute. Was die Frau sich so alles einbildete. Na ja, Einbildung war ja auch eine Form von Bildung.

      Dann begann er zu grübeln. Sein Blick ruhte auf der pinkfarbenen Plastiktüte, die auf seinem Schreibtisch zurückgeblieben war.

      6.

      Waldemar Wallmanns Haus war richtig eindrucksvoll, fand Stahnke. Viel zu geräumig für einen alleinstehenden Mann. Noch ziemlich neu. Gartentor aus Schmiedeeisen, Gehwegplatten aus Travertin, Fensterrahmen aus Kupfer. Vorgarten von kundiger Hand angelegt und offensichtlich professionell gepflegt. Imposanter Eingangsbereich, drinnen wie draußen. Schicker Flur, mehr Empfangshalle als Korridor. Garderobe vollkommen leer. Großzügiges Wohnzimmer, spärlich, aber edel möbliert. Keineswegs der plumpe Protz, den der Hauptkommissar erwartet hatte. Waldemar Wallmann schien Geschmack gehabt zu haben. Oder er hatte sich Leute mit Geschmack leisten können.

      Vorurteilsalarm, dachte Stahnke. Vorsicht. Ein dunkelhäutiger Mercedesfahrer muss nicht automatisch ein Drogendealer sein. Und ein wohlhabender Russlanddeutscher kein unter dem Goldlack primitiv gebliebener Proll. Ist das klar, Alter?

      Aber das war es gar nicht. Vielmehr das andere: Chef einer Zeitarbeitsfirma. Personal Flexibility, wie das schon klang! Ausbeuter. Moderner Sklavenhalter. Profitierte von der Angst der Arbeitgeber vor der wankelmütigen Konjunktur. Und vor allem von der Unsicherheit der Arbeitnehmer. So einer konnte doch nur ein mieses Schwein sein. Und hatte gefälligst auch so zu wohnen. In einem sauteuren, geleckt sauberen, aber gefälligst ekelhaft geschmacklosen Schweinestall.

      Da also steckte das Vorurteil. Weg mit dir, dachte Stahnke, du störst bei der Arbeit!

      Schade eigentlich, überlegte er weiter, denn dieses Vorurteil war ihm lieb geworden. Wohl durch den Umgang mit Sina, für die »Ausbeutung« noch ein Schimpfwort war und »Solidarität« mehr als der Name einer polnischen Gewerkschaft. Und natürlich mit Marian Godehau, diesem unverbesserlichen Robin Hood im Blätterwald.

      Der Hauptkommissar schnaubte ärgerlich. Musste dieser Name denn jetzt unbedingt in seinem Hirn auftauchen, ungebeten wie Marian selbst auf Langeoog?

      Er hörte Schritte im Flur. Kramer erschien. »Es gibt eine Putzfrau«, verkündete er und wedelte mit einem Notizzettel. »Oder auch eine Art Haushälterin. Die Nachbarn wussten Namen und Adresse.« Er grinste. »Hier scheint man überhaupt eine ganze Menge übereinander zu wissen. Was manche Leute so alles beobachten – davon könnten sich unsere Fahnder noch eine Scheibe abschneiden.«

      »Uns soll’s doch nur recht sein«, sagte Stahnke. Insgeheim aber war er doch froh, nicht mit solch neugieriger Nachbarschaft gesegnet zu sein. Jedenfalls nahm er das an. Wissen konnte er es natürlich nicht, dazu war er in seiner knapp bemessenen Zeit im eigenen Heim nicht aufmerksam genug.

      »Und? Was hast du inzwischen herausgefunden?«

      Stahnke blickte seinen Kollegen erstaunt an. Herausgefunden? Er hatte die Atmosphäre dieses Hauses auf sich wirken lassen, das war doch viel wichtiger. Musste man Kramer sowas etwa erklären?

      Anscheinend nicht. Wortlos wandte sich der Oberkommissar ab und begann die restlichen Räume des Hauses zu inspizieren.

      Stahnkes Handy ertönte. Sinas Nummer erschien auf dem Display.

      »Hallo, Insulanerin.«

      »Hallo, du Verschwindefix.« Sina klang gut gelaunt. Leise Hintergrundgeräusche verrieten, dass sie vom Haus Waterkant aus anrief. Stahnke kannte diese Klinik für Essgestörte gut, hatte er doch selbst einige Zeit darin zugebracht. Dienstlich zwar und mit speziellem Auftrag, aber um den Schein zu wahren, hatte er sich trotzdem einem Therapieprogramm unterwerfen müssen. Eine zunächst lästige, aber doch sehr lehrreiche Erfahrung, von der er immer noch profitierte.

      »Ging nicht anders, der Job rief. Kennst du ja. Freie Tage sind bei uns nur unverbindliche Vorschläge.«

      »Ohne Gewähr, ich weiß. Da bin ich hier direkt noch gut dran.« Sie lachte ironisch. »Kannst du schon absehen, wann du wieder nach Langeoog kommst?«

      »Schwer zu sagen. Mordfall. Noch haben wir rein gar nichts in der Hand.« Er seufzte. »Ich fürchte, in den nächsten Tagen werde ich hier wohl nicht abkömmlich sein. In der heißen Phase kann ich Kramer und die anderen schlecht alleine lassen.«

      »Verstehe.« Sina klang eher sachlich als gebührend enttäuscht. Stahnke verspürte einen kleinen Stich. »Dann sehen wir uns also erst nächste Woche.«

      »Kannst du denn nicht am Wochenende nach Leer rüberkommen?«, fragte er.

      »Lohnt nicht, muss am Sonntag schon wieder arbeiten«, antwortete sie. »Und vorher, am Freitag, wieder spät. Da würde ich dann den halben Samstag auf der Fähre und im Auto hocken. Nee, das muss ich nicht haben. Da mache ich mir lieber einen schönen Solo-Tag.«

      »Verstehe.« Das sagte Stahnkes Verstand. Sein Bauchgefühl wollte etwas ganz anderes erwidern, kam aber nicht zu Wort. »Was schwebt dir denn vor? Touristenprogramm mit Strand, essen gehen und so?«

      »Essen gehen bestimmt. Mein Oberarzt hat einen Tisch in Thormählens neuem Feinschmeckerlokal bestellt, und weil noch ein Platz übrig war, hat er mich mit eingeladen«, verkündete Sina fröhlich.

      Wieder ein Stich, diesmal schmerzhafter. Hatte er diese pennälerhafte Eifersucht denn noch immer nicht im Griff? Offenbar nicht. Hoffentlich setzte es jetzt nicht auch bei ihm einen Stich pro Lebensjahr, schoss es im durch den Kopf. Das wären nämlich erheblich mehr als 36.

      »Na, dann wünsche ich mal guten Hunger«, erwiderte er leichthin. »Hoffentlich wird man in solch einem Gourmettempel überhaupt satt. Ohne davon pleite zu gehen, meine ich.«

      »Ach, hast du auch mitgekriegt, was hier so geredet wird? Aber lass mal, so schlimm kann das wohl nicht werden, wir sind hier ja nicht auf Sylt. Wird doch nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.« Sie lachte hell. »So, ich muss Schluss machen. Neue Kundschaft eingetroffen. Mach’s gut,

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