Mami Staffel 1 – Familienroman. Gisela Reutling

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Mami Staffel 1 – Familienroman - Gisela Reutling Mami Staffel

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      »Ich auch«, überschrie seine Schwester ihn.

      »Ihr steht uns nur im Weg«, beschied der Vater energisch und schämte sich sogar, als er ihre enttäuschten Gesichter sah. Er wäre so gern eine kurze Weile mit der Fremden allein gewesen. Er hatte plötzlich das Gefühl, sie unbedingt näher kennenlernen zu müssen. Er wollte so viel wie möglich von ihr wissen.

      »Na kommt«, nickte er ergeben und wandte sich zur Tür. »Vier Hände können wir bestimmt gut gebrauchen.«

      Er konnte es einfach nicht ertragen, wenn seine Kinder traurig waren. Er warf einen Blick auf das Mädchen und stutzte. Ja, konnte sie denn Gedanken lesen oder hatte sie die Gabe, ihn zu durchschauen?

      Ihre Art, ihn anzusehen, irritierte ihn und machte ihn doch gleichzeitig froh.

      Wie selbstverständlich legte sie ihre Arme um die Schultern der Kinder.

      »An die Arbeit«, rief sie fröhlich. Er mußte sich abwenden. Trauer und Hoffnungslosigkeit über­schwemmten ihn. Die schwar­ze Wolke, die ihn seit dem Tod seiner Frau gefangen hielt, war wieder über ihm und drohte ihn zu ersticken.

      »Ist das Ihr Arbeitszimmer? Es ist der hellste Raum im Haus. Mit seinen vier großen Fenstern, die bis zum Boden reichen, ist er beinahe so hell wie ein Atelier.«

      Er drehte sich erstaunt zu ihr zurück.

      »Kennen Sie denn dieses Haus?« Dabei betrachtete er das Bild mit Schmerz und Freude. Sie war ja selbst noch fast ein Kind, ein junges Mädchen, und strahlte doch so viel Mütterlichkeit und Wärme aus. Warum konnte sie nicht hierbleiben? Warum zeigte der Himmel ihm ein Mädchen, das in der Lage war, ihn aus seiner Traurigkeit zu befreien, wenn er es zuließ, daß sie wieder verschwand?

      »Ja«, lachte Marie-Luise vergnügt, »das ist keine Hexerei.« Sie gab Doris einen zärtlichen Klaps. »Ich war schon einige Male in diesem Haus, ein Bekannter wohnte hier.«

      »Ach wirklich.« Er fühlte sich gekränkt und wunderte sich über das ärgerliche Gefühl, das sein Herz streifte. Warum sollte sie den Schauspieler nicht kennen? Er war doch nicht etwa eifersüchtig?

      Aber seine gute Laune kam zurück, als er endlich mitarbeitete. Sie öffneten Kisten und Kartons, er stand auf der Leiter, und die drei reichten ihm die Bücher an, die er in die Regale stellte.

      »Kein Buch aufschlagen«, warnte das Mädchen, das die Sonne ins Haus getragen hatte. »Ich kenne das. Wenn ich ein Buch aufschlage, bin ich rettungslos verloren.«

      »Papa auch«, nickte Doris altklug. »Er vergiß dann alles. Mama hat sich manchmal darüber geärgert. Weißt du noch, Papa, als du ein Buch aus dem Arbeitszimmer holen solltest und überhaupt nicht wiederkamst?«

      »Ja, wie könnte ich die Zeit vergessen«, murmelte der Mann und wandte sich ab.

      Aber in Marie-Luises Nähe hielt sich Traurigkeit nicht lange. Nicht umsonst war sie der Liebling aller am Theater, selbst die Kolleginnen neideten ihr nichts.

      »Mensch, das sieht ja schon toll aus«, staunte Thomas nach einer Weile und sah sich zufrieden in dem großen Zimmer um. »Wenn wir das Zimmer fertig haben, könnten wir eigentlich in mein Zimmer gehen.«

      »Wir müssen Marie-Luise erst einmal fragen, ob sie noch Zeit hat. Vermißt Sie niemand?«

      Er wollte etwas ganz anderes wissen, aber die Frage nach einem Freund oder Ehemann wagte er natürlich nicht zu stellen.

      »Mein Reitlehrer«, nickte sie vergnügt und strich mit einer anmutigen Bewegung das Haar aus der Stirn. »Aber ihn habe ich schon angerufen, ich habe Ihr Telefon benutzt. Er hätte sonst vermutlich einen Suchtrupp losgeschickt.«

      Sie musterte ihn aus spitzbübischen Augen. Vermutlich konnte sie wirklich Gedanken lesen, als wäre sie eine Hexe. Und das war sie wohl auch. Sie schien ja sogar seine Kinder verzaubert zu haben. Von ihm selbst ganz zu schweigen. Sie hatte es fertig gebracht, für Augenblicke seine Traurigkeit zu verscheuchen. Er sah, wie schön das Zimmer war, in dem er in Zukunft arbeiten würde. Er sah den Garten, in dem er sich betätigen wollte, er sah sogar den Himmel, der herrlich blau war und bespickt mit lustigen weißen Wolken. Und die Bäume, seine Bäume sahen aus, als wollten sie die Kronen in den Himmel recken.

      »Ich bin fertig.« Trudes gutmütige Stimme holt Max aus seinen Träumen. »Was soll ich jetzt tun?«

      »Hier ist eine Wäschekiste.« Marie-Luise sah fragend auf den Mann. »Vielleicht zeigen Sie Trude, wohin die Wäsche gelegt werden soll. Wir drei gehen in die Küche und backen Eierkuchen, einverstanden?«

      »Super«, krähte Thomas, und Doris schmiegte sich zärtlich an sie.

      Es war doch nicht möglich, daß ein Mann auf seine eigenen Kinder eifersüchtig war! Mit langem Gesicht sah er ihnen nach und wäre ihnen am liebsten nachgerannt.

      Erst Trudes Räuspern brachte ihn in die Wirklichkeit zurück.

      *

      Sie saßen im Garten. Marie-Luise hatte den Holztisch mit einer blauen Decke geschmückt. Die Eierkuchen waren süß und locker, genauso, wie er sie liebte.

      »Wo haben Sie denn die Prei­ßel­beeren aufgetrieben?« staunte er.

      »Ich hab sie gefunden.« Doris balancierte ihre hoch beladene Gabel zum Mund.

      »Trude hat die Lebensmittel wunderbar übersichtlich in den Schrank gestellt«, lobte Marie-Luise das junge Mädchen. »Sie sind wirklich eine Perle, Trude. Erzählen Sie mal«, forderte sie sie liebenswürdig auf, »ist das Ihre erste Stelle?« Man spürte, daß hinter der Frage keine Neugier steckte, es interessierte sie wirklich. Max Gilberg aber nicht, dabei hätte er dafür Interesse haben sollen. Er hätte viel lieber mehr von Marie-Luise erfahren. Es durfte nicht sein, daß er sie aus den Augen verlor.

      »Bis zur vorigen Woche habe ich in einer Familie mit sechs Kindern gearbeitet«, erzählte Trude, ohne das Essen zu unterbrechen. »Die Arbeit war gar nicht so schlimm, sie hat mir nichts ausgemacht, aber die Nächte waren furchtbar. Kann ich mir noch einen Pfannkuchen nehmen? Also, immer schrie ein Kind des Nachts. Die Frau war auch total fertig. Jetzt haben sie zwei Mädchen eingestellt, beide für halbe Tage. Und die lösen sich ab, mal bleibt die eine des Nachts, mal die andere. So wird es gehen. Aber ich brauche eine Ganztagsstelle, ich brauche das Geld, ich muß nämlich für meine Mutter sorgen, die bekommt nur eine kleine Rente.«

      »Jetzt erzählen Sie von sich«, bat Max Gilberg. Ihm war, als müßte er bei dieser Bitte seinen ganzen Mut zusammennehmen. Dabei war er wirklich weder schüchtern noch gehemmt.

      »Ich bin nicht interessant, aber von Ihnen würde ich gern etwas erfahren«, bat sie liebenswürdig. »Wo haben Sie bis jetzt gewohnt? Warum sind Sie in unsere kleine Stadt gezogen?«

      »Papa ist versetzt worden«, erklärte Thomas rasch. Er legte die Hände auf seinen Magen. »Ich kann nicht mehr, ich platze gleich. Das waren die leckersten Eierkuchen in meinem ganzen Leben. Kannst du die heute abend nicht noch einmal backen?«

      Sie lachte wieder. Was für prachtvolle Zähne sie besaß! Alles an diesem Mädchen berührte den Mann angenehm.

      »Papa ist Werbefachmann«, prahlte Doris. »Ein wahnsinnig tüchtiger, das kannst du glauben.«

      »Doris«,

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