Mami Staffel 1 – Familienroman. Gisela Reutling
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Читать онлайн книгу Mami Staffel 1 – Familienroman - Gisela Reutling страница 4
»Ja, mein Liebling?«
»Meinst du, daß die mal immer bei uns bleiben wird?«
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Julia und legte ihre Wange auf das weiche Kinderhaar.
»Mal hab ich gesehen, daß Papa ihr einen Kuß gegeben hat, wie sie wieder ging, so an einem Morgen war das«, sagte Florian nachdenklich.
Julia schloß die Augen. Natürlich hatte Alexander schon wieder eine neue Geliebte. Sie mußte damit rechnen, daß er sie auch heiraten würde. Und dann? Unerträglicher Gedanke, daß eine andere Frau Rechte an ihrem Florian haben sollte.
»Magst du sie?« würgte sie hervor.
»Ooch, geht so«, dehnte er die Worte. »Sie heißt Jennifer. Komischer Name, ne? Und sie hat einen gaanz langen Wagen. Amerikanisch, sagt Annick. So ist sie ja ganz nett. Doch, Mami, ist sie nie.«
Dieses Kind! Florian würde auch das akzeptieren, wie er alles akzeptierte, was über ihn beschlossen wurde. Nicht aus Kleinmut oder Schüchternheit, sondern weil er unbefangen und seiner selbst sicher blieb.
Ich habe ihn geboren, aber er hat nicht viel von mir, dachte Julia. Das brannte und tat weh.
Nur – war es nicht viel besser so, als wenn er sehr empfindsam wäre und leiden würde, hielt sie sich selber vor. Dann hätte seine Seele doch Schaden genommen, allein bei der Szene im Gerichtssaal, und allem, was ihr folgte. So war die Verletzung bald verheilt, er hatte sich wieder zurechtgefunden in seinem veränderten jungen Leben.
Als sie Florian diesmal gehen lassen mußte, waren es viele Tage bis zum nächsten Wiedersehen. Das letzte Wochenende des Monats gehörte ihr nicht. Monatlich dreimal, ihr Ex-Mann hielt sich strikt daran.
Julia versuchte wieder etwas zu arbeiten. Der Leiter des regionalen Kinderfunks hatte schon nachgefragt, ob nicht bald wieder etwas käme. Geschichten von Julia, unter diesem Titel lief die Sendung, waren doch beliebt gewesen. Warum blieben sie aus?
Aber, ach, es fehlte die phantasievolle Heiterkeit, die sie früher ausgezeichnet und die kleinen Zuhörer zum Lachen und Freuen gebracht hatte.
Ein Blatt nach dem anderen wanderte in den Papierkorb.
Julia starrte zum Fenster hinaus. War nun auch das versiegt? Das einzige, was ihren leergewordenen Tag noch einen Inhalt geben konnte?
Um sich nicht von einer wachsenden Deprimiertheit niederzwingen zu lassen, beschloß sie schließlich, wegzugehen. Wohin? Das wußte sie nicht. Irgendwohin. Laufen, müde werden. Vielleicht würde sie auch einmal nach Anettes Wohnung sehen, obwohl sie sich erst vor einer Woche davon überzeugt hatte, daß alles in Ordnung war.
Ziellos ging Julia durch die Straßen, solche, die ihr bekannt waren, und andere, es kam nicht darauf an. Sie durchquerte eine Anlage, wo junge Mütter ihre Kinderwagen schoben, kleine Buben und Mädchen spielten am Weiher und fütterten die Enten. Unversehens befand sie sich in der Platanen-Allee, an deren anderem Ende die Rodenbach-Villa stand.
Nein, dorthin sollte sie ihre Schritte nicht führen. Sie wollte nicht um das Haus herumstreichen, sie würde sich nicht demütigen. Trotzdem zog es sie weiter. Wenigstens ein paar Meter noch, ein paar Meter näher zu Florian, getrieben von übermächtiger Sehnsucht nach ihm.
Dann, noch von fern, erblickte sie die kleine Gestalt. Ihr Herz klopfte schneller. Ja, das war er doch, ihr Florian! Vor der Villa, auf der Straße dribbelte er einen Ball vor sich her. Julia beschleunigte ihre Schritte…
»Mami«, sagte er, als sie vor ihm stand. Er zwinkerte ein bißchen, so überrascht war er.
»Bist du denn allein?« fragte sie hastig und schaute sich um.
»Annick ist noch mal reingegangen, sie hat etwas vergessen. Kommst du mich holen?« Mit leuchtenden Augen sah er zu ihr empor.
»Ja – komm schnell, wir laufen weg, dort, zu dem Omnibus, siehst du –« Und sie nahm sein Händchen und lief mit ihm davon. Er konnte ganz tüchtig rennen, ihr Florian. Er nahm das Ganze als ein Spiel, er lachte.
Sie war jeden Moment gewärtig, Stimmen und sie verfolgende Schritte hinter sich zu hören. Aber es blieb alles still.
Hier war die Endhaltestelle der Linie 5. Julia hob Florian hinein in den Bus, und, kaum daß auch sie eingestiegen war, fuhr er schon
los.
»Auweia«, machte Florian und hatte ein Lausbubenlachen über seinem ganzen Gesicht, »da wird die Annick aber gucken, wenn ich auf einmal nicht mehr da bin. Wir wollten nämlich auf’n Spielplatz gehen. Mit dir Busfahren ist viel schöner.« Vergnügt rutschte er auf seinem Sitz hin und her.
Immer noch klopfte Julia das Herz bis in den Hals hinein. Wozu hatte sie sich da nur hinreißen lassen! Es war auf einmal ein übermächtiger Zwang in ihr gewesen, der jede Besinnung ausgeschaltet hatte.
Ich bin seine Mutter, hielt sie sich trotzig vor. Hatte seine Mutter nicht jedes Recht der Welt auf ihr Kind?
In der Stadt mußten sie umsteigen, dort nahmen sie die Straßenbahn. Als sie wieder ausstiegen, sah Florian sich um.
»Hier sind wir aber doch gar nicht zu Hause«, sagte er.
»Wir gehen nicht nach Hause, Schatz«, erklärte ihm seine Mutter. »Wir gehen in die Wohnung von Anette.«
Florian riß die Augen auf. »Du hast mir aber doch erzählt, die wär’ in Amerika. Ist sie da schon wieder nicht mehr?«
»Doch. Darum haben wir die Wohnung auch ganz für uns allein.«
»Oh, ich weiß, da tun wir uns jetzt verstecken, ja?« Er fand das ungeheuer spannend, und er machte »Sssst«, als der Lift mit ihnen in den 8. Stock sauste. War das ein Abenteuer! Der Papa war sowieso nicht da, der war zwei Tage verreist. Nämlich mit der Jennifer, wie er seiner Mama berichtete.
Anettes Wohnung bestand aus einem einzigen großen Raum mit einer Nische, die durch einen Vorhang abgeteilt war. Dahinter befand sich ein breites Bett. Florian warf sich rücklings darauf und strampelte mit den Beinen.
»Ich spiel mit meiner Mama Verstecken!« jubelte er.
Julia stand vor dem Telefon, sie atmete schwer. Sie konnte sich vorstellen, was jetzt in der Villa Rodenbach los war. Nach einem kurzen Zögern nahm sie den Hörer auf und wählte die Nummer.
Schon nach dem ersten Klingelzeichen meldete sich eine aufgeregte Stimme, die sie als die ihrer Schwiegermutter erkannte.
»Hier ist Julia. Florian ist bei mir«, sagte Julia und legte auf.
Zu der Wohnung gehörte noch ein Duschraum und eine Küche, gerade nur so groß, daß man sich darin umdrehen konnte. Der Kühlschrank war natürlich abgeschaltet, der Hängeschrank über dem Bord mit dem Geschirr war leer.
»Wir müssen einkaufen gehen, Florian, sonst haben wir nichts zu essen.«
Ihr Söhnchen war sofort bereit, er bemächtigte sich Anettes Einkaufsbeutel, der am Haken hing.
Vom Gang zweigten mehrere Türen ab, dahinter war es still. Auch im Lift war niemand. In diesem großen Apartmenthaus lebten zumeist Singles,