Mami Staffel 1 – Familienroman. Gisela Reutling

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Mami Staffel 1 – Familienroman - Gisela Reutling Mami Staffel

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nein«, sagte Julia.

      »Ich bin bald wieder bei dir«, Florian rieb den blonden Kopf an ihrem Arm, »aber dann in unserer richtigen Wohnung, und da spielen wir mit dem Kasper, aber ganz lange.«

      »Jetzt komm schon!« Sein Vater zog ihn zu sich. An der Tür wandte er sich zu seiner geschiedenen Frau um, die ihn keines Wortes gewürdigt hatte. »Daß du dir so etwas nicht noch einmal einfallen läßt«, äußerte er drohend. »Es würde dir schlecht bekommen, denn dann würde ich zu anderen Mitteln greifen. Nimm dich in acht.«

      Als sie allein war, ließ Julia den Tränen freien Lauf, die sie zurückgedrängt hatte. Danach fühlte sie sich leer und apathisch. Aber sie gab dem Verlangen nicht nach, sich einfach sinken zu lassen und nicht mehr aufzustehen, wie sie es am liebsten getan hätte.

      Sie brachte die Wohnung in Ordnung, zog die Bettwäsche ab, um sie bei sich zu waschen, und packte die Lebensmittelvorräte wieder ein, die noch reichlich vorhanden waren. Sie war eben doch eine Phantastin, daß sie hatte annehmen können, es würde noch ein paar Tage gutgehen.

      Dann schloß sie ab und fuhr nach Hause, wo nichts und niemand sie erwartete. Zerknüllte Blätter, die Schreibmaschine noch aufgedeckt, so, wie sie vor wenigen Tagen vor ihr davongelaufen war…

      *

      »Wenn du nicht mit willst, dann gehe ich eben allein«, sagte Kerstin und zupfte an dem glitzernden Etwas, das an ihrer hübschen Figur herabhing. Kleid konnte man es wohl kaum nennen. Es war ein Stück Stoff, das etwa drei Handbreit über ihrem Knie endete. »Wie du siehst, habe ich mich schon für die Party angezogen. Es ist neu. Wie findest du es?« Sie machte ein Drehung um sich selbst.

      »Reizend«, sagte Mathias, denn das wollte sie doch hören. Im Grunde mochte er diese superkurzen Sachen nicht. Er war kein Spießer, und Kerstin konnte sie sich auch leisten mit ihren schlanken Beinen. Trotzdem fand er, daß etwas mehr Verhüllung eine junge Frau reizvoller machte als diese Zurschaustellung.

      »Also?« Sie legte den Kopf mit dem kastanienrot gefärbten, modisch gekräuselten Haar in den Nacken und warf ihm einen herausfordernden Blick zu. »Was ist nun?«

      Mathias Walden seufzte leicht auf. Er hatte eine anstrengende Woche hinter sich, und er hatte sich auf ein ruhiges Wochenende gefreut. Daß eine Party auf dem Programm stand, hatte er total vergessen. »Kerstin«, begann er begütigend, »hab doch Verständnis dafür, daß ich heute keinen Sinn für Partygeschwätz habe, mit all dem jungen Volk, das sich da zusammenfindet und tanzen und ausgelassen sein will.«

      »Du redest wie ein alter Mann«, schmollte Kerstin und spazierte auf ihren hohen Plateausohlen im Zimmer auf und ab.

      Ein humorvolles Lächeln ging um Mathias’ Mund. »Na ja, ich bin immerhin dreiunddreißig, da braucht man anscheinend schon ab und zu seine Ruhe und Entspannung.«

      »Aber wenn es darum ginge, mich in ein todlangweiliges Konzert zu schleppen, da könntest du das wahnsinnigste Gewirr von Tönen ertragen, und Pauken und Trompeten würden dir auch nichts ausmachen«, hielt sie ihm hitzig vor.

      Mathias lachte laut auf. Im Anfang ihrer Bekanntschaft hatte ihm Kerstin vorgeflunkert, ebenfalls Interesse an klassischer Musik zu haben. Also hatte er sie in ein Symphoniekonzert mitgenommen, später in eine Wagner-Oper. Sie mußte Höllenqualen ausgestanden haben. Erst an einem dritten Abend, mit einem berühmten Sänger, der Lieder von Richard Strauß zu Gehör brachte, war er aufmerksam geworden. Da war seine hübsche Freundin nämlich einfach eingeschlafen, ihr Kopf an seine Schulter gesunken.

      Hinterher hatte sie ihm kleinlaut eingestanden, daß sie mit dieser Art von Musik nichts, aber auch gar nichts anfangen könnte, ja, sie sogar ziemlich fürchterlich fand.

      »Ach, du liebes Opferlamm, warum hast du mir das denn nicht gleich gesagt«, hatte er sie eher amüsiert gefragt.

      Weil sie ihm doch in allem gefallen wollte, war ihre Antwort gewesen.

      »Jetzt lachst du«, tat sie gekränkt. »Du nimmst mich eben nicht ernst.«

      Mathias streckte seinen Arm nach ihr aus. »Komm mal her, mein Mädchen.«

      Bereitwillig folgte sie seiner Aufforderung. Sie setzte sich auf seinen Schoß und legte den Arm um seinen Nacken. Er gab ihr einen freundschaftlichen Kuß auf die Wange.

      »Du gehst jetzt schön zu deiner Party, da kennst du eine Menge Leute und wirst dich gut amüsieren. Und morgen abend gehen wir dann schick essen, ja?« Er wollte sie doch dafür entschädigen, daß er sie heute enttäuschte.

      »Ins Colombi?« fragte sie interessiert.

      »Meinetwegen auch ins Colombi.« Das war ein teures und sehr elegantes Hotelrestaurant, das Kerstin mächtig imponierte. Seine Hand glitt über ihren seidenbestrumpften Schenkel. »Nun dürfte das dann hier ein paar Zentimeter mehr bedeckt sein«, fügte er vorsichtig hinzu.

      »Okay, ich werde mich als Dame verkleiden, Herr Dr. Walden«, versprach sie übermütig und sprang auf. »Also tschüs dann, bis morgen. Ich ruf dich vorher noch an.«

      Mathias nahm ein Buch zur Hand, als sie fort war. Aber er las nur wenige Zeilen, dann ließ er es wieder sinken.

      Kerstin… Seit ungefähr einem dreiviertel Jahr dauerte nun ihre Beziehung. Manchmal fragte er sich schon, wohin das eigentlich führen sollte. Sie war neun Jahre jünger als er, was nicht unbedingt ein Problem gewesen wäre, wenn es sich um Liebe handelte. Man konnte nicht eine Liebe gegen eine andere eintauschen.

      Kerstin hatte er beim Tennisspielen kennengelernt. Es war eine Sportart, die er zum Ausgleich seiner Bürotätigkeit betrieb. Ihr helles Lachen war ihm aufgefallen, ihr Schwung, ihre Fröhlichkeit. All dies war ihm zu jener Zeit abgegangen.

      Sie hatte seine Nähe gesucht, ja, sie hatte ihm sehr deutlich gezeigt, daß er ihr als Mann gefiel. Es war schon erstaunlich, wie junge Frauen heutzutage die Initiative ergriffen. Sie vermochte ihn aufzuheitern, und sie ging auf ihn ein, wenn sie sich gelegentlich im Clubhaus bei einem Drink unterhielten. Als Angestellter in einem großen Reisebüro wurden ihr für den Urlaub Flüge in ferne Länder geboten, darüber konnte sie in amüsanter Weise erzählen. Es war nie langweillig mit ihr.

      Schließlich hatte er genommen, was sich ihm verführerisch und bereitwillig anbot: Einen roten Mund, der sicher schon oft geküßt worden war, ein junges Geschöpf, das nur darauf wartete, daß er es endlich in seine Arme nahm.

      Und diese hübsche Liaison linderte doch tatsächlich den Schmerz um Francescas Verlust, füllte die Leere wieder aus, die ihr Fortgang hinterlassen hatte.

      Francesca hatte er geliebt. Er hätte alles darum gegeben, sie zu halten. Aber sie war in ihr Heimatland Brasilien zurückgekehrt, nachdem sie, als angehende Ärztin, ein Praktikum an der hiesigen Universitätsklinik gemacht hatte. Sie hatte ihren Aufenthalt seinetwegen noch verlängert, bis sie sich endlich doch losreißen mußte.

      »Ich kann nicht hier leben, Mathias«, hatte sie, ein Kind des Südens, verzweifelt gesagt. »Es ist kalt hier. Auch die Menschen sind kalt. Sie bauen Mauern um sich auf, in ihren Herzen, ihren Köpfen. Laß mich gehen.«

      Schwer war der Abschied für beide gewesen. Ein Abschied, der endgültig sein sollte. Francesca hatte es so gewollt. Er mußte sich damit abfinden.

      War es nicht seltsam, daß ihm im Hin und Her seiner Gedanken die schmale dunkelhaarige Frau in den Sinn kam,

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