Kleopatra. Alfred Schirokauer
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»Übrigens Misthaufen –« er leckt mit belegter Zunge die Lippen – »Alexandria ist schöner, auch hygienischer. Sicher. Das ist der Vorzug neuer, planmäßig angelegter Städte, die hingestellt, nicht naturgewachsen sind. Rom ist Rom!«
Er stellt den Pokal auf den Tisch, daß es knallt. Beim Klang seiner Stimme, die sehr tief ist und rein, wunderbar beherrscht und kultiviert, schwindet der Groll aus dem länglichen schmalen Oval ihres Gesichts. Leidenschaft flammt auf. »Gajus, was schert mich Rom und Alexandrien als Stadt in diesem Augenblick! Sei nicht so abgeklärt. Du marterst mich. Erzähl, wie es war!«
Sie steht ganz dicht bei ihm, lehnt an seine Knie. Er wischt mit der gehöhlten Hand über Stirn und Gesicht.
»Ein Fehlschlag. Als ich auf das Forum kam, war die Säule noch umkrönt. Einige jubelten mir zu. Riefen: »Heil dem König.« Meist bezahlte Subjekte. Aber die andern schwiegen dumpf. Ich fühlte sofort das Fiasko. Da riß Marullus, der Volkstribun, das Diadem von der Säule. Laut klatschte alles Beifall. Ich stand mit meinem Pferde nun mitten in der Menge. Riß die Toga auf, bot dem Volke meinen Hals und rief: »Stoße zu, wer will.« Er lacht leise auf. »Da wichen alle zurück.«
Er schweigt, lehnt sich im Sessel zurück, im Gedenken der Szene versunken.
Sie tritt von ihm fort, setzt sich ihm gegenüber. Die frühe Dämmerung der Märzmitte steht in dem Zimmer. Aus dem Halbdunkel glänzt wächsern seine Stirn. Wie ein flackerndes Irrlicht leuchtet ihr Gesicht.
»Was nun?« stößt sie endlich zwischen den Zähnen hervor. Sie schießt die Worte gegen ihn ab. »Was nun?!«
Er sitzt ohne Bewegung. Seine blassen Lippen formen die Antwort: »Warten, mein Kind.«
Sie schnellt von dem Sessel auf. »Warten!« Gemartert wirbelt sie sich um ihre Achse und stampft ungebärdig mit dem Fuße das Mosaik des Bodens. »Wie lange noch warten! Seit zwei Jahren sitz' ich hier in Rom, vernachlässige mein Reich und warte. Ich halte es nicht mehr aus. Ich ersticke in diesen engen Wänden.«
»Ich bedauere, daß ich dir hier keinen alexandrinischen Königspalast bieten kann.«
Sie überhört seinen Spott.
»Warten! Warten! Immer nur warten. Und das Leben vergeht!!«
»Du hast mehr Zeit zu warten, als ich«, sagt er sanft.
»Aber weniger Geduld.«
»Leider.«
Da ist sie wieder bei ihm, packt ihn mit den kräftigen Kinderfäusten an beiden Schultern, schüttelt ihn und weint vor Zorn und Enttäuschung hervor: »Quäl' mich nicht so unmenschlich! Leg' endlich diesen Panzer erhabener Lebensweisheit ab. Laß mir gegenüber doch diese glatte diplomatische Hülle fallen. Ich kenne die Feuer, die in dir brennen. Gajus, sprich mit mir, wie mit deinesgleichen. Wir beide sind doch eins. Leg doch vor mir die Maske ab!«
Sie drängt sich an ihn.
Er streichelt ihren Rücken, ihre Arme und zieht sie an sich.
»Liebes«, flüstert er heiser, »wir haben heute verspielt. Es geht nicht. Die Zeit ist noch nicht reif. Ich mache dir keine Vorwürfe. Narren machen anderen für ihr Tun Vorwürfe. Ich hätte mich von dir nicht verleiten lassen sollen. Du kennst diese Römer nicht wie ich. Wie solltest du auch? Mit exotischen Maßstäben lassen sie sich nicht messen.«
»Ich bin nicht exotisch!«
Seine Stimme wird sehr zart. Als spräche er zu einem Kinde, als wolle er einen Schmerz, den er ihr angetan hat, fortstreicheln, sagt er sänftigend: »Sie sind hohl. Aber diese Höhlung ist von der fixen Idee des Republikanertums angefüllt. Sie wissen kaum noch, was Republik ist. Aber gerade darum klammern sie sich an diese Phrase. Wer regiert Rom? Ich. Aber das Wort Monarch – König meiden sie wie die Pest.«
Er schweigt, hält sie in den Armen, wartet, daß ihr gespannter Körper sich löst, ihr Ärger verebbt. Als sie spricht, ist ihre Stimme noch voller Gegnerschaft.
»Und wegen dieser Marotte soll unser gewaltiger Plan – ?«
»Alles braucht seine Zeit der Reife«, bedenkt er.
»Du hast die Armee!« ruft sie ungezügelt. »Schaff die Reife.«
Er schüttelt den Kopf. »Auf Lanzen und Schwerter kann man kein Königtum bauen.«
Sie lodert auf. »In Alexandrien warst du kühn.«
Er lächelt. »Da galt es auch, dich zu erobern.«
Doch ihr Sinn steht nicht auf Scherz und Galanterie. Sie setzt sich wieder, kauert sich unnahbar, igelig zusammen.
Da beugt er sich zu ihr vor. Seine tiefliegenden Augen liebkosen sie, seine braunen Hände strecken sich nach ihr aus, seine Stimme ist eine Zärtlichkeit. »Kleo, nimm deinen durchleuchtenden Verstand zusammen. Vergiß deine Enttäuschung. Du verlangst, daß ich zu dir wie zu meinesgleichen spreche. Jetzt tue ich es. Ich –«
»Ach, was nutzt das alles!« wehrt sie ergrimmt.
»Aber, Liebste«, tadelt er sacht, »weil nicht alles gleich im ersten Ansturm gelingt!«
»Gleich – ist ausgezeichnet!« höhnt sie. »Nun sag mir bloß noch, daß Rom nicht an einem Tage gebaut worden ist.«
»Ich pflege nicht in Sprichwörtern zu reden«, verweist er kühl.
Da springt sie wieder empor. »Herrgott, wohin verlieren wir uns! Wie aufgezogene Puppen radebrechen wir miteinander. Rede doch endlich rotes Blut, Gajus! Was soll nun geschehen? Was wird aus unserem Reich? Wir disputieren, als wären wir langbärtige Philosophen.«
»Na, na!« scherzt er.
»Sie reißen die Krone von deinem Haupte und wir sitzen hier und drechseln Worte. Was gedenkst du nun zu tun, nachdem alles mißlungen ist?«
»Du übertreibst, Kleo. Alles ist nicht mißlungen. Wir haben die Dinge nur unklug überstürzt. Aber etwas haben wir erreicht.«
»Was – bitte?« fordert sie messerscharf.
»Ich habe den Gedanken des Königtums in die Massen geworfen«, sagt er langsam. »Den Keim ausgesät. Trotz allem. Die Idee lebt.«
Sie will unterbrechen, doch er hemmt ihr Ungestüm mit einer leichten Bewegung der Hand.
»Noch