Scherbentanz. Paul Fenzl
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»Aha!«, kommentierte der Kommissar Jung nur, weil er nun zwar wusste, dass die Kollegen Köstlbacher und Liebknecht die Tote kannten, aber mehr nicht. Dabei wurde er das Gefühl nicht los, hier etwas verschwiegen zu bekommen.
Der Köstlbacher, der durchaus bemerkte, dass der Kollege Jung gern mehr gewusst hätte, winkte ab und sagte:
»Was heißt schon ›kennen‹! Kennst du die Blondine, die in der Kantine in der Bajuwarenstraße mittags an der Kasse sitzt? Du siehst sie oft! Aber kennst du sie?«
»Ich verstehe!«, antwortete der Kommissar Jung. So gesehen hatte der Köstlbacher natürlich recht. »Ich dachte nur …«
»Was? Dass ich den Mörder kenne, weil das Opfer mir schon einmal eine Hose kürzer gemacht hat?«
Der Köstlbacher war ganz offensichtlich verärgert. Der Jung hatte dafür zu sorgen, dass an einem Tatort alle Spuren richtig erkannt, katalogisiert und fotografiert würden. Und natürlich hatte er für einen Bericht Sorge zu tragen, der dem Köstlbacher umgehend zur Verfügung stehen sollte. Und anstatt sein Spusi-Team herzubeordern, löcherte ihn der Wichtigtuer mit Fragen.
Der Jung wollte keinen Streit und wechselte das Thema:
»Meine Kollegen müssten eigentlich schon da sein. Informiert sind sie auf alle Fälle!«
Bei diesen Worten verschwand der Ärger, der sich im Köstlbacher auszubreiten begonnen hat, schlagartig wieder. Er hatte den Jung zu Unrecht mangelnde Professionalität unterstellt.
»Entschuldigung!«, brummte der Köstlbacher. »Schick mir deinen Bericht zu, wenn du hier fertig bist!«
»Wir werden uns beeilen!«, sagte der Jung und beugte sich über die Tote. Seine drei Mitarbeiter waren soeben in ihren weißen Overalls gekommen, nickten dem Köstlbacher freundlich zu und begannen routinemäßig ihr Programm abzuspulen.
»Welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?«, fragte der Liebknecht den Köstlbacher, weil er so seinen Chef noch nicht allzu oft erlebt hatte.
»Ich werde das Gefühl nicht los, dass mit dieser Tran Thi Linh viel Ärger auf uns zukommen wird!«, antwortete der Köstlbacher ausweichend.
»Wie kommst du da drauf?«, fragte er.
»Ist nur so ein Bauchgefühl!«, antwortete der Köstlbacher. In Wahrheit wusste er selbst nicht so recht, was seine Verstimmung so spontan ausgelöst hatte. War es die dem Jung unterstellte Unprofessionalität oder war es der Anblick der ihm bekannten Toten? Oder spielte da ganz etwas anderes eine Rolle? Vielleicht die Befürchtung, seine eigene Familie könnte wieder einmal in einen Fall hineingezogen werden? Passiert war das ja schon. Und nicht nur einmal!
Und jedes Mal war es ein Desaster!
Erst jetzt fiel dem Köstlbacher auf, dass einige Polizeibeamte das Terrain rund um die Tote vorbildlich abgesperrt hatten.
»Dein Werk?«, fragte er, weil er glaubte, der Liebknecht hätte das erledigt, während er mit dem Jung gesprochen hat.
»Da musst du dich schon bei dem Jung bedanken. Der hat sehr umsichtig reagiert, bis wir hier aufgekreuzt sind!«
Jetzt war endlich wieder Arbeit nach seinem Geschmack da. Und dann dieser Einstieg! ›Vielleicht sollte ich mich vom aktiven Dienst zurückziehen!‹, dachte der Köstlbacher insgeheim.
Kapitel 3
Interessant war dann der Bericht vom Dr. Michael Frank, dem Leiter der Gerichtsmedizin in Erlangen. Interessant vor allem wegen des Kalibers. Dass es ein großes gewesen sein musste, das hatte der Jung schon richtig gesehen. Aber dass es eines war, das in den alten Bundesländern bis zur Wende quasi gar nicht und danach auch nur selten auftauchte, das war durchaus außergewöhnlich. ›… Der fast 90° Einschusswinkel lässt darauf schließen, dass der tödliche Schuss fast in Gegenüberstellung des Mörders erfolgt sein muss. Der Aktenordner bremste die Durchschlagskraft der Kugel ab und verformte sie entsprechend, weshalb der Schusskanal überdimensional groß ausfiel. Das Geschoss durchschlug auf seinem weiteren Weg das Herz und blieb anschließend im T6 der Wirbelsäule stecken. Das Kaliber ist eindeutig 9,2 x 18 mm …‹
Soweit die Passage aus dem gerichtsmedizinischen Bericht, die den Köstlbacher am meisten interessierte.
9,2 x 18 mm! Dem Köstlbacher fiel dazu nur eine einzige Faustfeuerwaffe ein, die dieses Kaliber hatte. Eine Pistole Makarow, wie sie in der ehemaligen DDR in der NVA üblich war. Spontan dachte er in diesem Zusammenhang an Roland Zeller.
Falls du dem Köstlbacher seine beiden letzten Fälle kennst, deren Lösung ihm einige graue Haare bescherten, dann hast du auch schon was von dem Roland Zeller gehört. Ehemals, als er noch DDR-Bürger war, hieß er Oskar Lischka. Nach einigen Stationen in seinem Leben, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte, wurde in Bayern aus dem Oskar Lischka ein Roland Zeller, der bald auf der Gehaltsliste des Freistaats Bayern stand, auch wenn er als zweites Standbein – vielleicht auch nur zum Schein – ›Rosi’s Fahrschule‹ betrieb.
Natürlich hätte der Köstlbacher jetzt auch andere Kanäle anvisieren können. Aber der Roland hatte unschätzbare Erfahrungen, als Soldat im Kriegseinsatz in Afghanistan, als universeller Undercover-Agent, nicht nur für die Mordkommission, als Agent beim LKA, manchmal sogar beim BKA. So einer, der kennt Verbindungen und hat spontan Zusammenhänge parat, frage nicht! Die spuckt kein noch so gutes Computerprogramm aus.
Und weil der Köstlbacher trotz aller Subordinationsprobleme vom Roland den Teufelskerl irgendwie mochte, hat er einfach zum Telefon gegriffen und seine Handynummer im Verzeichnis angeklickt.
»Roland, bist du dran?«, fragte er, weil die Stimme am anderen Ende der Leitung nicht wirklich bekannt klang.
»Bist schon richtig! Hab’ mir nur eine Erkältung eingefangen!«, antwortete der Roland. »Was liegt an?«
»Kaliber 9,2 x 18 mm! Sagt dir das was?«, fragte der Köstlbacher.
Das war das Schöne am Roland! Bei ihm musste man nicht erst lang um den Brei herumreden. Das Wichtigste in einem Wort und der Roland würde wissen, worum es ging und was er dazu beitragen könnte.
»Hm!«, sagte der Roland. »Gute Pistole! Viele registrierte dürften in Bayern nicht zu finden sein! Die gab’s übrigens auch offiziell als schallgedämpfte Version.«
»Bist du zur Zeit in Regensburg?«, fragte der Köstlbacher. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, nicht zu viel übers Telefon zu äußern. Nicht nur Amerika hörte ab!
»Ja! Ich hätte sogar auf ein Bier Zeit für dich. Meine Kollegin hat meine Fahrstunden übernommen, damit ich meine Erkältung auskurieren kann.«
»Und das möchtest du bei einem Bier tun«, schmunzelte der Köstlbacher, der die Vorliebe vom Roland für ein frisches Weißbier nicht erst seit gestern kannte.
»Was dagegen?«, fragte der Roland.
»Natürlich nicht! In einer Stunde im Fürstlichen Brauhaus? Ich hätte anschließend Feierabend und könnte daher eins mittrinken!«, antwortete der Köstlbacher.