Scherbentanz. Paul Fenzl

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Scherbentanz - Paul Fenzl

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sagte der Köstlbacher nur. Er hatte eine Tote, wusste mit welcher Art Waffe sie erschossen worden war, und das war’s auch schon. Kein Motiv! Kein Täter! Nicht einmal einer, der verdächtig wäre! Nichts!

      »Du hast nichts!«, brachte es der Roland auf den Punkt, weil der Köstl­bacher nur verdrossen dreinschaute und schwieg.

      »Wir sind erst am Anfang!«, begann er auf einmal unerwartet zu erzählen. »Unbegreiflich! Das musst du dir einmal vorstellen! Direkt vor dem Evangelischen Krankenhaus! Einsehbar von allen Seiten. Und keiner hat was beobachtet! Keiner! Nicht einmal eine von den Sekretärinnen drüben in der Regierung. Normal entgeht denen aus Langeweile nicht die kleinste Bewegung unten auf dem Emmeramsplatz!«

      »Wahrscheinlich sind die frustriert vom Presslufthammerlärm, haben ihre Fenster geschlossen und schauen demonstrativ nicht runter!«, vermutete der Roland.

      »Und unten ist es nicht viel anders. Wer kümmert sich schon beim Vorbeigehen um das Geschehen auf einer Baustelle? Da schaut man doch meistens eher, so schnell wie möglich vorbeizukommen.«

      »Auch dass die Erschossene Vietnamesin war, muss nicht zwangsläufig was zu sagen haben. Ich meine, von denen gibt’s schließlich eine ganze Menge hier in Regensburg. Und bisher machten die uns keinerlei Probleme«, stellte der Köstlbacher fest.

      »Du vergisst den Brand in dem Laden in Burgweinting vor zwei Jahren! Oder waren das Chinesen? Jedenfalls sollte nach meiner Erinnerung damals die Konkurrenz ausgeschaltet werden«, gab der Roland zu bedenken.

      »Du hast ein gutes Erinnerungsvermögen. War Brandstiftung! Aber Genaueres weiß ich nicht. Werde gleich morgen den Akt anfordern. Vielleicht gibt’s da ja tatsächlich Parallelen«, meinte der Köstlbacher.

      »Ja, vielleicht!«, wiederholte der Roland die Worte des Kommissars. »Mich lässt diese Makarow PB nicht zur Ruhe kommen. Wenn du mich fragst, ist diese Waffe der Schlüssel zu dem Mord.«

      »Wie kommst du auf diese Idee?«, fragte der Köstlbacher.

      »Ich war zwar noch sehr jung, als ich die ehemalige DDR aktiv miterlebte. Aber an eines erinnere ich mich genau, unser sozialistischer Staat nahm viele Vietnamesen auf. ›Vertragsarbeiter‹ wurden sie genannt. Zeitweise sollen so an die 60.000 Vietnamesen in der DDR gelebt haben. Vermutlich sozialistisch geprägte. Aber was bedeutet das schon. Heute kehrt keiner mehr seine Gesinnung nach außen, zumal wenn es nicht mehr opportun ist.«

      »Was genau willst du mir damit sagen?«, fragte der Köstlbacher.

      »Kann sein, ich liege nicht richtig, und der Mord hat einen völlig anderen Hintergrund. Aber wenn du mich fragst, hast du ein vietnamesisches Problem am Hals. Die Leute sind äußerst geschäftstüchtig und lassen keine Möglichkeit aus, das unter Beweis zu stellen. Meines Wissens handeln einige Vietnamesen noch heute mit ehemaligen NVA-Beständen. Die waren nach der Wende ja für einen Appel und ein Ei zu haben. Legal wie illegal! Die Absatzmärkte dafür sind vielleicht nicht unbedingt in Regensburg, aber gleich über der Grenze in der nahen Tschechei dafür umso gehäufter.«

      »Mag ja sein, es stimmt alles, was du sagst. Aber wirklich hilfreich ist das für meine Ermittlungen nicht gerade.

      Könntest du da nicht einmal deine Kontakte für mich spielen lassen und versuchen herauszubekommen, in was der Clan, zu dem die ermordete Tran Thi Linh gehört, verwickelt sein könnte?«, bat der Köstlbacher.

      »Kann ich machen. Hilfreich wäre es, wenn du mir mehr Namen geben könntest«, antwortete der Roland.

      »Ich lass’ vom Liebknecht eine Liste zusammenstellen. Bisher haben wir Kontakt aufgenommen zu ihrem Mann und ihrer Mutter in der Ostengasse. Soweit ich weiß, wohnt dort eine ganze Großfamilie in einem Haus«, sagte der Köstlbacher.

      »Das wäre ja ganz in der Nähe von dir?«, fragte der Roland.

      »Kann man so sagen! Vom Prinzenweg sind’s nur ein paar Schritte vor zur Ostengasse. Deswegen brachte meine Anna ja auch hin und wieder Hosen oder Kleider zum Ändern zu Tran Thi Linh.«

      Der Roland sagte weiter nichts dazu, weil er nur zu gut wusste, wie das dem Köstlbacher an die Nieren ging, dass dieser Mordfall seine Familie tangierte. Er konnte sich gut vorstellen, welchen Schrecken die Anna bekommen hatte, als ihr der Köstlbacher diese traurige Nachricht überbracht hatte.

      Kapitel 6

      Das Briefing ein paar Tage nach dem Mord am Emmeramsplatz im Präsidium der Mordkommission in der Bajuwarenstraße brachte einige neue Erkenntnisse. Dabei zeigte es sich wieder einmal, wie gut es doch war, nicht nur über einen Fall zu reden, sondern die Ereignisse der vergangenen Tage komplett Revue passieren zu lassen. In der Vergangenheit zeigte es sich nicht nur einmal, dass scheinbar unabhängig voneinander Passiertes letztendlich in engem Zusammenhang stand.

      So kam auch Kommissarin Koch zu Wort, die per Zufall in der Mathildenstraße war, als dort bei Astrid Söll halbherzig Feuer gelegt worden war. Ich sage ›halbherzig‹, weil laut Feuerwehr die ganze Aktion nicht darauf abgezielt hatte, Schaden anzurichten. Alles deutete eher auf Panikmache oder eine gezielte Warnung hin.

      Frau Dr. Renate Sieber hatte sich entschuldigen lassen. Ein wichtiger Termin im Ministerium hatte Vorrang. Man munkelte, dass die Chemie zwischen der Abteilungsleiterin der Kripo Regensburg und dem neuen Polizeichef Stefan Anhuber nicht stimmte. Was immer das zu bedeuten haben sollte.

      Der Anhuber nutzte die Gelegenheit, um beim Köstlbacher seinem Briefing mit dabei zu sein. Wäre die Dr. Sieber anwesend gewesen, hätte er kaum Interesse gezeigt. Aber auch das munkelte man nur.

      Die beiden Kommissare Baldauf und Dirmeier hatten die unschöne Aufgabe erledigen müssen, den nächsten Angehörigen der Tran Thi Linh die Nachricht von ihrer Ermordung zu überbringen. Die 28-Jährige hinterließ zwei Kinder, einen Mann, ihre Mutter und weitere sechs nahe Verwandte, die alle im selben Haus in der Ostengasse wohnten. Bei diesem ersten Kontakt zu der vietnamesischen Großfamilie erfuhren die beiden Kriminaler, dass Tran Thi Linh zwar eine private Änderungsschneiderei betrieb, nebenher aber auch noch einige Stunden wöchentlich für die Modedesignerin Astrid Söll gearbeitet hatte.

      »Sieh einer an!«, sagte dazu der Köstlbacher. Mehr vorerst nicht, da erst alle bisher gewonnenen Ergebnisse aufgeführt werden sollten. Im Anschluss wollte man versuchen, gemeinsam das Gehörte aufzuarbeiten.

      Als die Koch ihren Beitrag eingebracht hatte, pfiff der Köstlbacher erstaunt durch seine Zähne. So ein Pfeifen war quasi ein verstärktes ›Aha!‹, das das Berichtete nicht nur bestätigte, sondern es vielmehr spontan in einen Zusammenhang brachte, der große Bedeutung vermuten ließ. Dass er jetzt an gestern und sein Gespräch mit dem Roland denken musste, wo es um den Brand in einem asiatischen Supermarkt vor zwei Jahren in Burgweinting ging, das sagte er nicht. Das heißt, das mit dem Supermarkt, das sagte er schon, aber nicht das mit dem Roland. Nicht alle seiner Mitstreiter mochten den Roland. Und, auch wenn er sich zurzeit in Regensburg aufhielt, er war ihm von keiner Seite bisher offiziell zugeteilt worden. So gesehen war das Gespräch mit ihm inoffiziell und genau genommen eigentlich gar nicht erlaubt.

      Weil eines musst du wissen, der Roland zählte nur solange zu seiner Mannschaft, solange irgendeine übergeordnete Dienststelle aus München ihn dazu einteilte. Fast möchte ich sagen, verdonnerte. Weil in Regensburg, da fühlte sich der Roland am wohlsten als Fahrschullehrer oder als Drummer der Gruppe SCHERBENTANZ. Als Undercover-Agent arbeitete er lieber dort, wo ihn niemand kannte und er nicht nebenher ein bürgerliches Leben mimen musste.

      »Wer

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