DIE TURING-ABWEICHUNG. William Hertling

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DIE TURING-ABWEICHUNG - William Hertling Singularity

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das etwas sicherere Bodenfahrzeug eingetauscht, nachdem ihr Baby geboren worden war. Sie hatte die Selbstfahr-Algorithmen des Fahrzeugs überschrieben, sodass sie die Geschwindigkeitslimits überschreiten konnte.

      Am Flughafen fuhr sie zum Gate der Nationalgarde, meldete sich dort mit der ID, die sie normalerweise für ihre Tätigkeit am Institut benutzte. Man musste sie dort schon erwartet haben, weil das Tor sich öffnete, kaum dass sie herangefahren war. Die Soldaten und Bots gingen ins ›Stillgestanden‹.

      Da sie weder bei der Regierung noch beim Institut einen offiziellen Status hatte, konnten sie eigentlich nicht wissen, wer sie war. Aber Mike hatte Einfluss bis in die höchsten Kreise, da das Institut für Angewandte Ethik alle KIs überwachte. Sicher, diese KIs waren auch Bürger der Nationalstaaten, aber das Institut legte die Regeln und Gesetze fest, nach denen die KIs sich richten mussten. Und da die KIs mittlerweile achtzig Prozent der Weltwirtschaftsleistung ausmachten, war das Institut einflussreicher als die meisten Länder der Erde.

      Sie hielt direkt neben der überschallschnellen Transportdrohne, die auf dem Asphalt am Ende des Rollfelds stand. Der aufragende graue Rumpf sah seltsam aus; seine aerodynamischen Linien schienen schlaff und formlos auf dem Boden zu liegen, als wären an beiden Seiten formlose Säcke befestigt. Welche KI auch immer für die Steuerung verantwortlich war - sie schien kein Gefühl für ihr äußeres Erscheinungsbild zu haben. Das war seltsam, da die meisten KIs sehr auf ihr Image achteten.

      Sie schickte ihren Wagen nach Hause und stieg hastig die Stufenleiter zur Drohne hinauf.

      »Mon Chaton

      Cat sah überrascht auf. »Helena! Mike hat dich gar nicht erwähnt …«

      Ihre Stimme verebbte. Helena war ein Durga Mark III, ein gepanzerter Kampfbot mit acht Armen. Aber heute hatte Helena den Gurt angelegt und hielt sich mit mehreren Tentakeln an ihrem Sitz fest. Wenn Cat sich nicht irrte, dann wirkte die Roboterveteranin … verängstigt.

      »Ist alles in Ordnung?«

      »Für die KI, die das Ding steuert, ist das der erste Flug in der realen Welt. Sie kam erst heute Morgen aus dem Inkubator.«

      Sie wechselte auf einen stark verschlüsselten Kanal und schickte Cat eine Nachricht auf ihr Implantat: »Ich könnte das Ding selbst dann besser fliegen, wenn die Hälfte meiner Sensoren zerstört wäre und man mir zwei Tentakel auf den Rücken gebunden hätte.« Laut sagte sie nur: »Schnall dich besser an.«

      Cat setzte sich direkt neben Helena. Sie beide waren die einzigen Passagiere in der großen Kabine, die vierundzwanzig großzügig verteilte Sitze beherbergte und für Truppentransporte ausgelegt war. Das Militär nutzte diese Art von Ausstattung, um gemischte Teams aus Menschen und Robotern zum Einsatzgebiet zu bringen.

      Als der Verschluss ihres Gurtes einrastete, hörte man im Flugzeugrumpf ein lautes Knirschen, das darauf hindeutete, dass die Drohne in ihre Startkonfiguration ging. Gleich darauf heulten die Triebwerke unter Volllast auf. Sie schossen die Rollbahn hinunter und brauchten kaum ein Viertel der Startbahn, bevor sie abhoben. Über das Netz bemerkte Cat hunderte von Alarmmeldungen, als sie die Schallmauer durchbrachen, noch bevor sie das Stadtgebiet verlassen hatten.

      »Ich verstehe, was du meinst«, bemerkte Cat und löste ihre verkrampften Hände von den Armlehnen.

      Sie wandte sich Helena zu. Eine neue tiefe Schramme lief über die Oberfläche ihrer Keramikpanzerung. Mehr als ein halbes Dutzend Tentakel aus Speziallegierung, die für Fortbewegung, Kampf und feinmechanische Tätigkeiten genutzt werden konnten, umgaben ihren Zentralkörper, in dem sich Helenas Prozessoren, die Energieversorgung und die Sensoren befanden. Trotz ihres furchterregenden Aussehens war der Kampfbot loyal, ehrlich und fair. Außerdem war sie Cats beste Freundin. »Schön, dich wiederzusehen.«

      »Geht mir genauso, mein Kätzchen. Wie hat Mike dich überredet?«

      »Ich hatte die Wahl zwischen Windelwaschen und diesem Einsatz. Hast du jemals Windeln gewaschen?«

      »Ich muss passen. Aber wer hat sich denn um Ada und euer Haus gekümmert, als du und Leon unter Schlafmangel litten? Außerdem könntest du deinen Geruchssinn abschalten. Dann ist es gar nicht mehr so schlimm.«

      Cat erstarrte und sah Helena an. Das stimmte eigentlich: Mit ihrem Neuralimplantat hatte sie die komplette Kontrolle über ihre Sinnesorgane. Sie konnte jeden Geruch, jedes Gefühl und jedes Abbild so lebensecht simulieren, als wären sie real. Und sie konnte genauso leicht jeden Geruch, jeden Anblick und jede Berührung ausblenden.

      »Daran hast du wohl nicht gedacht?«, fragte Helena. Sie wackelte mit einem Tentakel. »Die Mutterschaft hat dein Gehirn ausgebremst. Du solltest weniger Zeit mit Spielsachen und mehr Zeit im Einsatz verbringen.«

      Cat gab Helena einen spielerischen Klaps und lachte.

      Als sie sich Miami näherten, rief Mike mit neuen Daten aus dem Institut an. Das universale soziale Reputationssystem, das die KIs dazu brachte, sich ethisch korrekt zu verhalten, führte auch dazu, dass sie jedes ungewöhnliche Verhalten meldeten, das ihnen auffiel. Da die KIs das Netz, die Stromversorgung und die Warenströme überwachten, also fast alle Aspekte der modernen Welt, bedeutete das, dass sie schnell jedes verdächtige Verhalten entdeckten.

      »Mehrere KIs haben Schwankungen im Stromnetz eines Industriegebiets gemeldet«, sagte Mike. »Ich schicke euch die Koordinaten. Es könnte belanglos sein, vielleicht nur eine Fehlfunktion oder ein Amok laufender Replikator.«

      »Verstanden«, antwortete Cat.

      Sie hatte genug Erfahrung mit dem Institut, um zu wissen, wovor Mike sich am meisten fürchtete: Nicht lizenzierte Computer, die einer KI erlauben würden, sich der Kontrolle zu entziehen, ohne jegliche Überwachung ihrer Stärke und Rechenleistung.

      Für gewöhnlich schickte das Institut operative Mitarbeiter, die sich um die Routineangelegenheiten kümmerten. Sie zogen Cat und Leon nur für die komplizierteren Aufgaben hinzu. Entweder war Mike wegen dieser Sache besonders besorgt und brauchte deshalb Cats einzigartige Fähigkeiten. Oder er wollte einfach nur freundlich sein und ihr eine Auszeit verschaffen.

      »Es gibt noch mehr«, fuhr Mike fort. »Wir haben auf ältere Daten von WatchNet für die Umgebung des Gebäudes zurückgegriffen. Zwölf Menschen haben es am letzten Freitag betreten. Seitdem hat es niemand mehr verlassen.«

      »Weswegen waren sie dort?«, fragte Cat.

      »Da sind wir uns nicht sicher. Sie hatten alle Zeitarbeitsverträge, hauptsächlich für einfache Tätigkeiten. Könnte alles Mögliche gewesen sein, von Arbeiten an Fertigungsanlagen bis hin zu Möbeltransporten.«

      »Warum hat die Firma keine Roboter eingesetzt?«

      »Unbekannt«, antwortete Mike. »Sobald wir neue Informationen bekommen, geben wir sie sofort an euch weiter. Bitte seid vorsichtig.«

      Als ihre Flugdrohne im Endanflug war, spürte Cat angesichts der bevorstehenden Mission einen Adrenalinschub. Sie hatte die letzten Minuten mit Qigong verbracht, eine stille Meditation, die ihren Geist und ihren Körper beruhigte. Mit geübter Leichtigkeit brachte sie ihr Implantat auf Maximalleistung, was ihre Reflexe beschleunigte und ihren Verstand mit zusätzlicher Prozessorleistung unterstützte. Es gab ihr auch genügend Kontrolle über ihr Nervensystem, sodass nicht zu viel Adrenalin ausgeschüttet würde, was zu schlechten Entscheidungen führen konnte.

      Die Militärdrohne setzte sie an der Homestead Air Base der Nationalgarde ab, wo ein Armeetransporter auf sie wartete. Ein einsamer Kampfbot

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