DIE TURING-ABWEICHUNG. William Hertling
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»Vermutlich nicht.«
»Mit anderen Worten: Die Reputation würde in deinen Augen sinken. Und genau das würde auch bei einer KI passieren. Die Reputation einer KI, die Böses tut, nimmt ab und damit auch ihr Zugang zu mehr Rechenleistung.«
»Aber wie verhält sich das mit lokal variabler Reputation?«, fragte Mike.
»Lokal variabel …?« Leon verstummte, war plötzlich verunsichert. Er war gerade einmal achtzehn Jahre alt und erst sechs Monate auf dem College. Hätte er nicht den Phage-Virus freigesetzt und alle Computer der Welt zum Absturz gebracht, dann stünde er heute gar nicht hier. Er wusste so gut wie nichts über traditionelle Informatik und war auch nicht seit zwanzig Jahren in diesem Feld tätig so wie Mike. Dennoch betrachtete Mike ihn als den Vordenker, wenn es um das soziale Design von KIs ging. Aber dann und wann ließ Mike eine Wortlawine auf ihn niedergehen und überraschte Leon damit.
»Sagen wir, du wärst in einer Gang«, erklärte Mike. »Würde die Gang deine gesetzestreue Haltung honorieren?«
»Nein …«
»Eigentlich können wir sogar sicher sein, dass deine Gang das Gegenteil von dir verlangen würde. Du müsstest ein Verbrechen begehen, um in die Gang aufgenommen zu werden, und du müsstest weitere Straftaten verüben, um deinen Ruf aufrechtzuerhalten. Wenn ein Gangmitglied eine höhere Reputation haben wollte, würde es also schlimmere Verbrechen begehen.«
»Okay, ich habe verstanden. Und?«
»Was hält KIs davon ab, Gangs zu bilden?«, fragte Mike.
»Du lieber Himmel.« Leon ging nervös auf und ab. »Warum entstehen Gangs eigentlich?«
»Armut, Arbeitslosigkeit, fehlende soziale Bindung oder das Gefühl, benachteiligt zu werden.«
»Also müssen wir diese Ursachen vermeiden, so wie wir es bei Menschen tun würden.«
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihre Diskussion. »Entschuldigen Sie.«
Ein Offizier in Uniform steckte den Kopf durch die offene Tür. »Leon Tsarev und Mike Williams?«
»Das sind wir«, bestätigte Leon.
»Wir haben ein U-Boot gefunden, von dem wir denken, dass es Sie interessieren könnte. Es hatte sechs dieser orangen Mehrzweckbots an Bord, nach denen wir Ausschau halten sollten.«
»ELOPe«, sagte Mike. »Sie haben ELOPe gefunden.«
»Also darüber weiß ich nichts«, antwortete der Offizier. »Aber wir haben etwas gefunden. Wir würden Sie gerne dorthin fliegen.«
Eine Stunde später waren sie an Bord einer wieder in Dienst gestellten C-141 der Army. Zumindest für den Augenblick waren alle Militärflugzeuge von älterer Bauart, ohne Computer und Autopiloten, also Maschinen, die man aus irgendwelchen Lagern geholt hatte. Leon konnte sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie viel Zeit und Energie man investiert hatte, um diese alten Flieger wieder in die Luft zu kriegen.
In Chile stiegen sie auf eine C-2 um und flogen aufs Meer hinaus zur USS John F. Kennedy. Auf dem Flug erfuhren sie, dass man das U-Boot mehr als tausend Kilometer vor der chilenischen Küste treibend entdeckt hatte. Von der John F. Kennedy aus nahmen sie einen Helikopter zu einem Zerstörer und von dort aus ein Dinghi zu dem U-Boot, das mit einem Kreuzer vertäut war.
Als sie eintrafen, öffnete ein Crewmitglied ein Druckschott für sie.
»Das U-Boot wurde durchsucht«, sagte ein Offizier. »Niemand war an Bord. Alle Systeme waren heruntergefahren. Wir haben es mit Strom versorgt.« Er zeigte auf ein dickes Kabel, das vom Schiff kam. »Sie haben also Beleuchtung und funktionsfähige Computer. Matrose Milford hat früher auf der Idaho-Klasse gearbeitet. Er wird Sie herumführen.«
»Vielen Dank für Ihre Mühe, Captain«, sagte Mike. »Gehen Sie vor, Mr. Milford.«
»Bitte folgen Sie mir.«
Leon nickte, ein wenig ängstlich, was sie dort drinnen wohl erwartete. Sie kletterten hinter Milford hinunter in das U-Boot.
»Sind diese U-Boote automatisiert?«, fragte Leon.
»Teilweise«, antwortete Milford. »Sie haben eine Crew von fünfzig Mann, also ein Drittel dessen, was die Ohio-Klasse benötigte, die sie ersetzt haben. Natürlich ist alles fest verdrahtet. Der Captain hat mit dem Oberkommando gesprochen. Das U-Boot war vor JOI zum Umbau in einer Werft. Niemand weiß, wie es hierhergekommen ist. Was wollen Sie sich zuerst ansehen?«
Leon sah Mike an. »Die Computer?«
Mike zuckte mit den Achseln. »Einen Versuch ist es wert.«
»Folgen Sie mir«, sagte Milford. »Der Computerraum ist hinter dem Maschinenleitstand.«
Sie kletterten durch ein offenes Schott und Milford hinderte sie mit ausgestrecktem Arm am Weitergehen.
»Hoppla«, sagte Leon.
Der Abschnitt, den sie betreten hatten, beherbergte drei einfache orange Industrieroboter, jeder etwas über einen Meter hoch.
»Die gehören definitiv zu ELOPe«, sagte Mike. »Dasselbe Modell hat er in seinen Rechenzentren benutzt. Er hat sie selbst entworfen.«
Metallschrott und Elektronikteile lagen überall herum.
»Was ist das alles?«, fragte Leon und stieg über eine Metallhülle hinweg.
»Das sind Teile einer Trident-III-Rakete«, antwortete Milford. »Sieht aus wie die dritte Stufe ohne den Antrieb.« Er hob eine Platine auf und fand eine weitere, identische, nur einen knappen Meter entfernt. »Sagen wir zwei Tridents.« Er deutete quer durch den Raum. »Drei. Ihr Freund hat Raketen umgebaut, so viel ist sicher.«
»Und was ist das hier?«, fragte Mike und zeigte auf einen der vielen etwa einen Meter langen Metallzylinder, die im Raum herumlagen.
»Die Nutzlast«, antwortete Milford trocken. »Nuklearsprengköpfe.«
»Verdammt!« Leon machte einen Schritt zurück.
»Alles in Ordnung, sie sind nicht scharf. Aber was wollte er mit Tridents ohne Gefechtskopf?«
Sie sahen sich noch ein paar Minuten um und gingen dann in die nächste Abteilung.
Milford öffnete einen Schaltschrank. Das sechzig Zentimeter breite und knapp einen Meter hohe Rack bot nichts als Reihen leerer vertikaler Schächte. Leon erkannte sie als Slots für Server der vierten Generation.
»Hier sollten die Computer sein«, sagte Milford. »Zweihundertachtundachtzig ist die Standardbestückung, aber jetzt ist nur noch die untere Reihe belegt. Der Rest ist weg.«
Mike wandte sich zu Leon. »ELOPe könnte sie genommen haben. Es wären genug für seine Kernalgorithmen.«
Leon nickte. Er hatte eine Idee. »Er hat