Der alte Trapper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Der alte Trapper - James Fenimore Cooper страница 6
„Wer kommt da — Freund oder Feind?“
„Freund,“ antwortete der Alte; „einer, der zu lange gelebt hat, um den Rest seiner Tage in Unfrieden zu beschließen.“
„Aber nicht lange genug, um die Kniffe seiner jungen Jahre vergessen zu haben,“ entgegnete Ismael, seinen mächtigen Körper hinter einem Gebüsch aufrichtend. „Ihr habt uns die Rothäute auf den Hals geschickt, alter Mann, um morgen die Beute mit ihnen zu teilen.“
„Was habt Ihr verloren?“ fragte der Trapper ruhig.
„Acht Pferde und ein Füllen. Meine Frau hat nicht eine Kuh behalten, und auch die Schweine und die Schafe sind fort. Wieviel davon kommt auf Euren Anteil?“
„Nach Pferden hat mich nie verlangt, habe auch niemals auf einem gesessen, obgleich nur wenige das Land Amerika so weit durchstreiften, wie ich getan, so alt und schwach ich heute auch aussehe. Wolle und Milch mag für die Weiber sein, ich frage nichts danach. Das Fell des Wildes kleidet mich, und sein Fleisch genügt mir zur Nahrung.“
Der aufrichtige, ehrliche Ton dieser Rede verfehlte seine Wirkung auf den Squatter nicht. Nach weiterem Hin- und Herreden fragte derselbe endlich:
„Aber Ihr habt doch die Indianer gesehen?“
„Gewiß,“ lautete die Antwort, „sie hielten mich gefangen, während sie sich in Euer Lager schlichen.“
„Hättet Ihr uns da kein Warnungszeichen geben können?“ entgegnete der andere finster und noch immer mißtrauisch. „Doch was geschehen ist, ist geschehen ... Kommt hervor, Jungen, aus Eurem Versteck! Hier ist nur ein alter Mann, der von meinem Brot gegessen hat und daher unser Freund sein müßte.“
Auf des Vaters Ruf kamen einige seiner Söhne herbei, die in der Nähe im Hinterhalte gelegen und die drei Gestalten in der nächtlichen Prärie für einen Haufen Sioux gehalten hatten. Sie betrachteten den Alten mit finsterem Argwohn und feindseligen Blicken. Endlich nahm der älteste von ihnen, gerade derjenige, dessen nachlässige Wacht dem Häuptling Mahtoree das Beschleichen des Lagers ermöglicht hatte, das Wort.
„Wenn das der einzige ist, der von der Gesellschaft, die wir dort oben sahen, übrigblieb, dann haben wir unsere Munition nicht umsonst verschossen,“ sagte er in roher Genugtuung zu seinem Vater.
„Asa, du hast recht,“ erwiderte der Squatter, und sich schnell an den Trapper wendend fuhr er fort: „Wie ist das, Fremder? Ihr wart Euer drei, wenn der Mondschein nicht log; wo sind die anderen?“
„Wenn Ihr die Tetons hinter Eurem Vieh hättet herjagen sehen wie lauter schwarze Teufel, so wäret Ihr bei dem wechselnden Licht und Schatten auch wohl der Meinung gewesen, es seien ihrer Tausend. Die nächtliche Prärie täuscht den Blick, Freund.“
Statt aller Antwort rannten Ismaels Söhne nach der Gegend, aus der der Trapper gekommen war. Sie fanden jedoch nichts und kehrten langsam zurück, worauf sich alle ins Lager begaben. Der Alte folgte auf des Squatters Wink; ehe er aber auf dem Strohlager, das man ihm gastfreundlich anwies, entschlummerte, hatte er noch die Beruhigung, Ellen Wade im Geplauder mit Ismaels Töchtern zu erblicken.
Zweites Kapitel Das geheimnisvolle Zelt
Ismael Busch, zur Zeit unserer Erzählung ein Mann von weit über fünfzig Jahren, hatte sein ganzes Leben an den Grenzen der Zivilisation zugebracht und seine Wohnplätze immer so gewählt, daß er ungestraft jeden Baum niederschlagen durfte, den er von seiner Haustür aus mit dem Blick erreichen konnte. Hieraus ist ersichtlich, daß er sowohl von Gesetzen und bürgerlicher Ordnung, als auch von dem Klange der Kirchenglocken kaum eine entfernte Ahnung hatte. Kenntnisse, die er bei seinem halbwilden Leben nicht brauchte, flößten ihm auch keinen Respekt ein, und von allen Wissenschaften hielt er nur die des Arztes für berechtigt, weil dieselbe jene körperlichen Schädigungen zu heilen vermochte, denen er mit den Seinen bei dem rauhen Grenzerberuf häufig ausgesetzt war. Aus diesem Grunde hatte er auch einem medizinisch gebildeten Manne gestattet, sich seiner Expedition anzuschließen; derselbe, ein eifriger Naturaliensammler und nebenbei ein Sonderling, führte den Namen Obed Bat; nach der Sitte jener Zeit aber hängte er demselben eine lateinische Endung an und nannte sich Dr. Battius.
Dieser Mediziner, ein kleines, dürres Männchen von komischem Äußeren, war es, der in der Morgenfrühe nach der ereignisreichen Nacht den Squatter und dessen Familie aus dem Schlafe erweckte. Er hatte während der vorhergehenden zwei Tage auf dem Rücken seines Reittieres, eines Esels, einen weiten Streifzug nach seltenen Pflanzen unternommen und kehrte nun zurück, um nicht ohne Erschrecken das Vorgefallene zu vernehmen.
Das Tageslicht zeigte den Emigranten die ganze Größe ihres Verlustes. Finster rollenden Auges und knirschend vor Ingrimm blickte Ismael auf die schwer beladenen Wagen, deren Gespanne sich jetzt in den Händen der Wilden befanden; dann, als beenge ihn die Luft innerhalb der Wagenburg, trat er langen Schrittes hinaus in die Ebene. Einige seiner Söhne schlenderten hinter ihm drein; auch der Trapper folgte ihm.
„Wo sind nun die rothäutigen Schufte, die mir mein Vieh gestohlen haben?“ fragte Busch den letzteren, nachdem lange niemand ein Wort geredet hatte.
„Wer kann das wissen?“ antwortete der alte Mann. „Welche Farbe hat der Raubvogel, der dort unter jener weißen Wolke dahinstreicht? Wenn ein Indianer seinen Streich ausgeführt hat, dann wartet er nicht erst, bis ihm der Lohn dafür in Blei ausgezahlt wird.“
„Wird das Gesindel sich zufrieden geben mit dem, was es erbeutet hat?“
„Menschennatur bleibt Menschennatur, stecke sie in roter oder in weißer Haut. Wenn Ihr eine gute Ernte eingeheimst habt, seid Ihr dann für immer damit zufriedengestellt? Wenn das der Fall ist, dann seid Ihr grundverschieden von all den Menschen, die ich in meinem langen Leben kennenlernte.“
„So werden wir uns also noch auf weitere Besuche von den Räubern gefaßt machen müssen?“
„Ohne Zweifel,“ sagte der Trapper. „Und Euer Lager hier gewährt Euch keinen Schutz gegen ihre Kugeln. Ich weiß eine Stunde von hier einen besseren Ort, einen Felsenberg, der, von tapferen Männern verteidigt, eine gute Zuflucht für die Weiber und Kinder wäre.“
Der Squatter horchte auf; er forderte noch nähere Auskunft, und die Beschreibung des Berges gefiel ihm so gut, daß er den sofortigen Aufbruch befahl. Es galt, die Wagen mit den Händen bis an jenen Ort zu ziehen, eine Aufgabe, die für gewöhnliche Menschen fast unausführbar gewesen wäre, an die die starken Söhne des Emigranten jedoch herangingen, als handle es sich um ein Kinderspiel. Schon knarrten und quietschten die Mehrzahl der schwerfälligen Fuhrwerke, von den Männern gezogen und den Weibern geschoben, träge über das Gras, als Ismael und sein Schwager Abiram sich an den kleinen, zu dem Leinwandzelt gehörigen Wagen heranmachten.
Der Trapper, der, auf seine Büchse gestützt, den Kraftleistungen der jungen Männer mit beifälligem Nicken zugeschaut hatte, näherte sich jetzt den beiden mit kindischer Neugierde. Das Geheimnis dieses Wagens zog ihn unwiderstehlich an. Nur noch zwei Schritte war er von dem Zelte entfernt, als Ismael unter demselben hervorkam. Beim Anblick des Alten rötete sich sein Gesicht vor Zorn.
„Bisher meinte ich immer, daß nur die Weiber sich um Dinge kümmern, die sie nichts angehen,“ sagte