Die Fieberkurve. Friedrich Glauser

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Die Fieberkurve - Friedrich  Glauser

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Körper passen wollte.

      Studer erinnerte sich, daß er einen Assistenten am Gerichtsmedizinischen von einem früheren Fall her kannte. Er ging durch die Wohnung und suchte das Telephon. Im Wohnzimmer – rote Plüschfauteuils mit Deckchen, verschnörkelter Tisch, Säulchenschreibtisch – war das Telephon an der Wand angebracht.

      Studer hob den Hörer ab, stellte die Nummer ein.

      »Ich möchte Dr. Malapelle sprechen… Ja?… Sind Sie's, Dottore? Haben Sie die Sektion schon gemacht?… Jawohl, von der Gasleiche, wie Sie sagen… Senti, Dottore!… « Und Studer sprach weiter Italienisch, erzählte von seinem Verdacht auf Somnifen… Der Arzt versprach das Protokoll auf den Nachmittag.

      Dann blätterte der Wachtmeister weiter im Telephonbuch. Nein, hier war keine Fiebertabelle versteckt. Das Zimmer sah nicht aus, als sei es durchsucht worden. Studer probierte die Schubladen am Schreibtisch, sie waren verschlossen.

      Das Schlafzimmer… Ein riesiges Bett darin und vor dem einzigen Fenster rote Plüschvorhänge. Sie verdunkelten den Raum. Studer zog die Vorhänge auf.

      Über dem Bett hing das Bild eines Mannes.

      In Bern eine einsame Frau, in Basel eine einsame Frau. – Die Frau in Bern hatte es ein wenig schöner gehabt, Zweizimmerwohnung mit Küche, während die Josepha in Basel den Durchgangskorridor zum Wohn- und Schlafzimmer als Küche benutzt hatte. Aber einsam waren sie beide gewesen. Studer ertappte sich darauf, die alten Frauen bei ihrem Vornamen zu nennen. Die Josepha in Basel und die Sophie in Bern, beide schlurften in Finken in ihren Wohnungen herum, wahrscheinlich gingen sie auch in Finken über die Straße »go poschte«…

      Merkwürdig, daß in der Wohnung der Josepha in Basel kein Bild des verstorbenen Geologen hing. Josepha war doch die rechtmäßige Gattin gewesen, während die Sophie nur eine »G'schydni« war…

      Aber über dem Bett der Geschiedenen hing, mit dicken Holzleisten eingerahmt, die vergrößerte Photographie des Cleman Alois Victor. Denn nur um diesen konnte es sich handeln.

      Er trug auf dem Bilde einen dunklen, gekräuselten Bart, der den hohen Westenausschnitt so vollständig verdeckte, daß die Form der Krawatte nicht festzustellen war. Ein Bart! Zeichen der Männlichkeit vor dem Krieg!

      Der Bart mußte dem Geologen und Schweizer heiß gegeben haben, dort unten in Marokko, beim Silber-, Blei- und Kupferschürfen!… Dazu trug der Mann eine Brille, deren ovale Gläser die Augen verbargen. Verbargen? Es war nicht das richtige Wort!… Sie ließen nur den Blick sonderbar matt und unbeteiligt erscheinen – unpersönlich. Und dadurch wurde auch das ganze Gesicht ausdruckslos.

      Ein schöner Mann! Wenigstens das, was man in jenen vorsintflutlichen Zeiten unter einem schönen Mann verstanden hatte…

      Studer starrte auf das Bild; er schien zu hoffen, daß ihm der Ehemann von zwei Frauen etwas erzählen werde. Aber der weitgereiste Geologe blickte so gleichgültig drein, wie nur ein Wissenschaftler gleichgültig dreinblicken kann. Und der Wachtmeister kehrte ihm endlich verärgert den Rücken zu.

      Als er wieder die Küche betrat, war der lederne Klubsessel nicht mehr leer.

      Ein Mann saß darin, der ein merkwürdiges Spiel spielte: er hatte seine Mütze, die aussah wie ein vom Töpfer verpfuschter Blumentopf, über den Zeigefinger seiner Rechten gestülpt. Mit seiner Linken gab er dem vertätschten Gebilde kleine Stöße und brachte es zu einem langsamen Kreisen.

      Der Mann, der eine weiße Kutte trug, blickte auf:

      »Bonjour, inspecteur!« sagte er. Und dann fügte er in einem fremdländisch klingenden Schweizerdeutsch hinzu: »Es guets Neus!«

      »Glychfalls!« antwortete Studer, blieb unter der Tür stehen und lehnte sich an den Pfosten.

      Pater Matthias

      Der Gründer unseres Ordens, Kardinal Lavigerie«, sagte Pater Matthias und fuhr fort, seinem verpfuschten Blumentopf, den sie drüben in Afrika Scheschia nannten, kleine Stöße zu geben, »unser großer Kardinal soll einmal geäußert haben: ›Ein wahrer Christ kommt nie zu spät.‹ Ganz sicher ist dieser Ausspruch nur in übertragener Bedeutung richtig, denn auf unser Erdenleben angewandt, kann er nicht stimmen. Dieses ist abhängig von menschlichen Einrichtungen, als da sind: Eisenbahnzüge, Dampfboote, Automobile… Meine Nichte Marie, die ich gestern abend noch traf, erzählte mir, was in Basel vorgefallen ist. Ich habe darum schleunigst ein Taxi gemietet und bin nach Bern gefahren, denn es fuhr kein Zug mehr. Unterwegs hatten wir eine Panne – auch das kommt vor. Und so bin ich erst jetzt hier angekommen, die Tür war aufgebrochen, das Schloß lag am Boden – es roch noch ganz leicht nach Gas… Und dann hörte ich Schritte in der Wohnung. ›Ist vielleicht‹, dachte ich bei mir selbst, ›jener sympathische Inspektor anwesend, dessen Bekanntschaft zu machen ich in Paris die Ehre und das Vergnügen hatte? Das wäre eine wahrhaft göttliche Fügung!‹ Es stimmte… «

      Zuerst hatte Studer überhaupt nicht zugehört, sondern mehr dem Klange der Rede gelauscht und ihn mit dem Tonfall jener anderen Stimme verglichen, die ihn am Telephon ausgelacht hatte. Der Pater sprach ein ausgezeichnetes Hochdeutsch, nur hin und wieder, bei Worten wie »gedacht« und »leicht« klang das »ch« gaumig-schweizerisch… Die Stimme war eine richtige Kanzelstimme, tief, orgelnd, und sie paßte eigentlich nicht recht zu dem dürftigen Körper. Aber Stimmen kann man verstellen, nicht wahr? In der kleinen Pariser Beize hatte die Stimme etwas anders geklungen, ein wenig höher vielleicht. War die französische Sprache, die der Pater damals gebraucht hatte, an dieser Verschiedenheit schuld?

      Studer bückte sich plötzlich und hob das Schloß vom Boden auf. Er betrachtete es aufmerksam, sah dann in die Höhe und seine Blicke suchten nach dem Gaszähler. Er war nicht in der Küche. Gerade über der Flurtür hockte er und sah genau so grün und feist und grimassierend aus wie sein Bruder in Basel…

      Und der Hebel, der als Haupthahn funktionierte, stand schief. Er stand schief und bildete einen Winkel von fünfundvierzig Grad…

      Studer betrachtete wieder das Schloß in seiner Hand. Da hörte er die Kanzelstimme sagen:

      »Falls Sie eine Lupe brauchen sollten, Inspektor, so kann ich mit einer solchen dienen. Ich beschäftige mich nämlich mit Botanik und Geologie und trage darum immer ein Vergrößerungsglas in der Tasche… «

      Der Wachtmeister blickte nicht auf, er hörte die Federn des Klubsessels ächzen, dann wurde ihm etwas in die Hand geschoben – er hielt das Glas vors Auge…

      Kein Zweifel, rund um das Schlüsselloch waren graue Fäserchen zu sehen, besonders am vorstehenden, oberen Rand, so, als habe sich ein Schnürlein an der scharfen Kante gewetzt.

      … Und der Haupthahn bildete einen Winkel von fünfundvierzig Grad!

      Verrückt!… Angenommen, die alte Frau hatte ein Schlafmittel genommen und war darauf in ihrem ledernen Klubsessel eingenickt – wäre es da für den mutmaßlichen Mörder nicht einfacher gewesen, im Vorbeigehen den Haupthahn zu öffnen und sich dann still zu entfernen?… Wenn nämlich ein Mord vorlag…

      Warum unnötig komplizieren? Eine Schnur am Haupthahn anbringen, sie oben über die Gasröhre führen, das Ende der Schnur durchs Schlüsselloch stecken und dann von außen ziehen, ziehen, bis die Schlinge vom eisernen Hebelschlüssel abrutschte und man die Schnur hinausziehen konnte?…

      »Alte Frauen haben einen leisen Schlaf… «, sagte Pater Matthias. Lächelte er?

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