e-tot. Uwe Post

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e-tot - Uwe Post heise online: Welten

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verstanden, als du mir dieses Weiterleben im Netz ans Herz gelegt hast.«

      »Ich wollte dich nicht verlieren«, brummt Leo. Er fühlt sich mit einem Mal schläfrig. Braucht wohl bald eine neue Libelle. Mmh … Eine von den hellblauen vielleicht?

      »Und jetzt hast du dir das anders überlegt?«

      »Nein!«, versichert Leo eilig. »Nur … was hier los ist, … es könnte dich … vielleicht überfordern.«

      Elisabeth schnaubt. »Warte, ich gebe den Hörer meinem Krebs, dann wiederholst du das bitte nochmal.«

      »Nein, warte …« Leo verdreht die Augen. »Ich meine nur … Es ist anders, als ich es mir vorgestellt habe.«

      »Ich verstehe schon. Dein Tod war ja sicher auch nicht gerade leicht.«

      Leo fragt sich, ob seine Oma ihn veralbert. Es wäre nicht das erste Mal. »Sicher bin ich kein gutes Vorbild«, presst er dann hervor. Vielleicht doch eher eine weinrote Libelle mit Erdbeer-Aroma …?

      Es entsteht eine kurze Pause. Ein leichter Windstoß bewegt die Rosenblüten, bei Oma ist ein Fenster auf. Leo wirft dem künstlichen Blumenstrauß auf seiner Fensterbank einen traurigen Blick zu. Dessen Blüten bewegen sich niemals, auch nicht bei offenem Fenster.

      Wind steht nicht auf der Featureliste dieses Servers.

      »Demut schadet nicht«, sagt Oma unvermittelt.

      »Es gibt hier nicht einmal einen Windhauch«, sagt er leise. »Die Blumen riechen alle gleich, und die billigen gar nicht.«

      »Ich verstehe«, sagt Elisabeth langsam. »Hätte mir auch früher auffallen können. Du bist gar nicht mein Enkel, sondern irgendein Programm, das mich dazu überreden will, ein Abo auf einem teureren Server abzuschließen.«

      Leo klappt den Mund auf. »Aber …«

      »Mein echter Leo schert sich kein bisschen um mein Schicksal. Vermutlich hockt er gerade in irgendeiner Kneipe. Mit seinen Kumpels, er schaut Fußball und ist ungefähr beim fünften Bier, das er hinterher auf den Gehsteig kotzt.«

      Es dauert einen Moment, bis Leo reagiert. Mit verstellter Stimme säuselt er: »Wir von we-R-4ever.com bieten für Sofortwechsler 19 Wochen gratis extra auf einem Luxusserver inklusive eigener Yacht, Wein unlimitiert und regelmäßiger Partys mit Promis.«

      »Nein, danke«, versetzt Oma Elisabeth nachdrücklich und beendet die Verbindung.

      Leo sitzt eine ganze Weile einfach nur auf seinem Sofa und starrt den riesigen Wandbildschirm an, als käme ihm die Schwärze, die er zeigt, wie ein alter Freund vor. Das vage zu erahnende Spiegelbild sieht aus wie das eines Fremden.

      Ist er seit seinem Tod noch er selbst?

      Leo möchte jetzt gerne in seinen Programmcode schauen, ihn verstehen können. Bei Bedarf schlaue Änderungen vornehmen. Dasselbe Gefühl hat er auch zu Lebzeiten oft gehabt, aber programmieren lernen war ihm einfach zu hoch.

      Eine ganze Weile verbringt Leo damit, sich zwischen den verschiedenen Geschmacksrichtungen der Upper-Libellen zu entscheiden. Die Sache endet mit einem Unentschieden. Ja, er ist stark! Er kann ohne Drogen leben! Sie haben keine Macht über ihn. Sicher hilft eine Lunge voll Frischluft. Ein Spaziergang soll es sein, notfalls bis zum Ende der Welt, also der Wand, die das simulierte Gelände des Servers umgibt.

      Langsam trottet Leo aus dem Haus. Draußen begegnet er einer Katze auf zwei Beinen, die ein Schild vor sich herträgt: Komm ins »Underground«, garantiert nur illegale Gigs.

      »Scheiße. Das hat mir gerade noch gefehlt«, brummt Leo.

      »Hab ich dir an der Nasenspitze angesehen«, behauptet die Katze. »Ich öffne dir gerne sofort ein Portal. Natürlich gratis!«

      »Ihr übernehmt die Kosten für den Teleport? Das muss ein sehr illegaler Laden sein.«

      »Und das gefällt dir«, sagt die Katze zufrieden.

      »Geh kacken! Gedankenlesen ist auch illegal, soweit ich weiß«, versetzt Leo.

      »Nur für E-Tote. Ich bin aber ein Skript des Betreibers, nur ganz leicht modifiziert. Lies die Nutzungsbedingungen.«

      »Leicht modifiziert?« Leo stöhnt. Ihm ist gerade alles egal. Hauptsache, Ablenkung. »Na gut, öffne schon das Portal.«

      Die Katze breitet theatralisch die Vorderbeine aus, murmelt: »Kasimir Vendetta, cool-chillige dunkle Energie, Katz, Hex, Miau! So, hier entlang bitte, hau rein und grüß Lemmy.« Die Luft vor Leo glimmt jetzt lila, das Erfassungsfeld des Portals breitet sich aus und knistert wie Omas dicke Pullover.

      »Wen?«, fragt Leo noch, aber das Portal wartet nicht, bis er hineintritt, es schlürft ihn hinfort wie ein Strohhalm die letzten Tropfen des Longdrinks.

      Unvermittelt steht Leo in einer düsteren Kellerbar. Infernalischer Krach lässt seine Ohren dröhnen und versetzt sein Hirn in Vibration, vom Zwerchfell gar nicht zu reden.

      Es dauert eine Weile, bis Leo kapiert, dass er mitten in ein Live-Konzert von Lemmy Kilmister geraten ist. Der steht mit seiner Bassgitarre leibhaftig auf der Bühne im verrauchten Club, während der Rest der Band nur zweidimensional auf der Wand hinter ihm agiert.

      Natürlich ist der Motörhead-Sänger eine Schwarzkopie, aber deren Darbietung von Killed by Death beeindruckt nicht nur durch ihre Lautstärke. Es klingt verdammt nach dem echten Lemmy.

      Gut, das ist nicht besonders schwierig, denn es existiert unendlich viel Material im Netz, seien es Alben oder auch Live-Mitschnitte, unautorisiert und von unterirdischer Tonqualität, einfach mit dem Handy gefilmt. Irgendein Hacker hat sich den Kram zusammenkopiert, in einen Avatar kompiliert und in diesem Etablissement installiert.

      Eine Attraktion, die Leo und die ungezählten anwesenden E-Toten einfach nur geil finden. Leo hüpft, tanzt, schreit, macht also im Grunde dasselbe wie die anderen Besucher, und fühlt sich dabei unheimlich einzigartig und mit einem Mal wieder total lebendig. Was laute Rockmusik bewirken kann, davon weiß Lemmy nicht nur ein Lied zu singen (Dancing on Your Grave), auch nicht zwei (Overkill), sondern … Ach was, jetzt wird gefeiert bis zur Bewusstlosigkeit!

      Nach dem nächsten Song kommt Werbung. Für eine Art Ferien auf dem Bauernhof mit gewissen Extras. Leo schaut sich um. Nach den ausbleibenden Reaktionen der anderen Gäste zu urteilen, ist er der Einzige hier, der die Werbung sieht, und das gibt ihm zu denken. Nicht nur verpasst er einen halben Song, weil sich die enervierend langatmige Ansprache über die Vorzüge eines warmen, weichen Schafs im Bett einfach nicht skippen lässt, auch seine Laune fällt wieder unter den Nullpunkt.

       Garantiert stubenrein und immer frisch shampooniert!

      Leo beschließt, sich zunächst um die lösbaren Probleme zu kümmern. Er muss diesen Werbetrojaner loswerden, den er sich mutmaßlich in dem kaputten chinesischen Online-Shop eingefangen hat.

      Dazu muss er hier raus. Allerdings gibt es anscheinend keinen Ausgang: Der enge Konzertsaal besitzt keine einzige Tür, nur die Bühne und eine Bar, an der ein rostiger Roboter Bier ausschenkt. Leo fährt herum, als ihm jemand den Hintern tätschelt. Es ist wieder die Katze von vorhin beziehungsweise eine Kopie von ihr, diesmal ohne das Schild.

      »Klar gibt es

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