Erinnerung an meine Jahre in Berlin. Sammy Gronemann

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Erinnerung an meine Jahre in Berlin - Sammy Gronemann

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aus dem er zu seiner Beglückung erfuhr, daß mit ihm ein neuer Stern am literarischen Himmel aufgegangen sei, daß der Verlag es sich zur Ehre rechnen würde, sein Werk zu publizieren; ihm wurde ein hoher Tantiemensatz versprochen, so daß er sich ausmalen konnte, wie er bei der Fülle der zu erwartenden Auflagen ein Vermögen verdienen würde etc. Nebenbei wurde er gebeten, für die Drucklegung einen Vorschuß einzuzahlen, der natürlich auf die Tantieme verrechnet werden würde. Der künftige berühmte Autor zögerte nicht, diesen Betrag einzusenden, oft sich dafür in Schulden stürzend, und der Verlag ließ dann wirklich ein paar Exemplare drucken. Die Drucklegung kostete einen Bruchteil der vereinnahmten Summe, und außer den Exemplaren, die der Autor bezog und unter seine Freunde verteilte, gab es kein weiteres Exemplar mehr in der Welt. Mehrfach machten wir uns aus unserem Kreise das Vergnügen, absichtlich lächerliche Sudeleien einzusenden, und immer war der Erfolg der gleiche, liefen jene begeisterten Lobenshymnen ein. Es gelang mir nun, durch eine Reihe von Prozessen diesem Unwesen wenigstens zum großen Teil ein Ende zu bereiten. – Z. B. hatte ein Leipziger Verlag dem Autor höchst großzügig eine Provision von 1 Mark pro Exemplar des im Buchhandel 3 Mark kostenden Werkes zugesagt und hatte auch wirklich, um jeder Kontrolle zu entgehen, mehrere Tausend Exemplare herstellen lassen, auf jämmerlichem Papier und in elender Ausstattung. Dann verramschte der Verlag den ganzen Bestand für 5 Pfennig pro Exemplar, und ich zwang ihn, dem Autor nach dem Vertrage 1 Mark zu zahlen. Ich machte andere erstaun­liche Entdeckungen auf dem literarischen Markt. Da war zunächst die Hintertreppenliteratur. Ich war einfach erschlagen, als ich sah, welche ungeheuren Auflagen die Kolportageromane haben, die in Fortsetzungen geliefert werden. Diese Sudeleien fanden ein ungeheures Publikum, und nicht bloß auf den Hintertreppen. Ein Leipziger Verlag, der sich darauf spezia­lisiert hatte, begann ungefähr jedes Vierteljahr mit einer neuen Serie, und die betreffenden Autoren erhielten ein recht anständiges Honorar, das sich zwischen 8.000 und 10.000 Mark bewegte. – Noch erstaunter aber war ich über eine andere Erscheinung: Es gab eine sehr verbreitete Literatur, die man nicht als Hintertreppenliteratur bezeichnen konnte. Hauptsächlich handelte es sich um patriotische Dichtungen. Da gab es z. B. einen entwaffnend naiven alten Herren, der unzählige Romane und Gedichtbände herausgegeben hatte, um dessen Namen sich eine viele Zehntausende große „Gemeinde“ gebildet hatte, und dem sogar bei Lebzeiten ein Denkmal gesetzt wurde, bei dessen Enthüllung deutsche Fürstlichkeiten anwesend waren. Und weder von dessen Namen noch von dessen Büchern hatte das eigentlich ernsthafte literarische Publikum überhaupt eine Ahnung. Sicher bin ich, daß zumindestens das gebildete jüdische Lesepublikum nie etwas von diesen Erzeugnissen wußte. Fontane, der Dichter der Mark und des Märkischen Adels, hat sich in einem reizenden Gedicht darüber ausgelassen, daß die Mitglieder des Märkischen Adels seinen Werken keinerlei Interesse entgegenbrachten, sondern er auf einen andern, viel älteren Adel angewiesen war, („kommen Sie, Cohn!“); und dieselbe Wahrnehmung machte z. B. Boerries von Münchhausen und eigentlich fast jeder einzelne der ernsthaften Schriftsteller. Man sprach viel von der „Verjudung“ des deutschen Schrifttums. In Wirklichkeit war es vor allen Dingen so, daß die Käufer und Leser guter literarischer Produktion im wesentlichen die Juden waren. Es war ja nicht nur auf dem Gebiete der Literatur so, sondern der Hauptförderer eines Richard Wagner war der Kommerzienrat Löser.

      Übrigens stand der wirkliche Einfluß der jüdischen Autoren durchaus nicht im Verhältnis zu ihrer numerischen Beteiligung am deutschen Schrifttum. Die Juden waren ja besonders in der Journalistik stark vertreten, und zwar schrieben sie fast alle für die liberale Presse. Hier ist eine erstaunliche Tatsache hervorzuheben: Da waren die Riesenauflagen der von Mosse und Ullstein verlegten Zeitungen und Journale, „Berliner Tageblatt“, „Vossische Zeitung“, „B. Z. am Mittag“, „Tempo“, „Illustrierte Zeitung“ u.s.f. Träger des demokratischen Gedankens. Eine ungeheure Armee von Lesern stand hinter ihnen, – und doch, wenn es zur Parlamentswahl kam, scharte sich um ihre Fahne eine winzige, lächerliche Gruppe. Es war eine schier unerklärliche Diskrepanz. So konnten natürlich auch die für diese Blätter schreibenden Autoren eben nur künstlerische, aber keine praktischen Erfolge erzielen.

      Übrigens konnte ich feststellen, daß im „Schutzverband deutscher Schriftsteller“ viele sich überaus arisch und deutsch gebärdende Persönlichkeiten waren, die jüdischen Familien entstammten und freilich ihr Judentum sehr spät entdeckten, und bei vielen ganz als „arisch“ Geltenden dürfte es so ähnlich sein wie bei dem trefflichen Roda Roda, der mir, als der Rassenwahn aufkam, sagte: „Ich glaube, zwischen dem Pithek Antropos und mir dürfte schon ein nichtarischer Einschlag vorgekommen sein“, worauf ich ihm, wohl mit Recht, sagte: „Dieser Einschlag dürfte erheblich näher bei Ihnen liegen.“

      Interessant und schwierig war der Kampf gegen den unerlaubten Nachdruck. In unglaublich unverschämter und bedenkenloser Weise pflegten besonders die Provinzblätter Artikel aus der großen Presse zu übernehmen. Ich suchte, eine Nachdruckkontrolle einzuführen und hatte damit recht gute Erfolge. Leider muß ich feststellen, daß bis heute auch ein Teil der jüdischen Presse jene üble Gewohnheit hat, sich mit oder aus fremden Federn zu schmücken. Ist es mir selber doch geschehen, daß kurz nach Erscheinen meines Romans „Tohuwabohu“ das „Jiddische Tagblatt“ in New York das ganze Buch unter fremdem Titel abdruckte, und der Redakteur hatte die ungeheure Frechheit, seinen Namen als Autor darüber zu setzen. Welche kuriosen Dinge aber da geschehen können, will ich an einem Beispiel illustrieren: Da veröffentlichte der „Berliner Lokal­anzeiger“ einen sensationellen Abenteuer-Roman des Schriftstellers Schlesinger in Fortsetzungen. Nachdem der Roman beinahe zur Hälfte abgedruckt war, liefen plötzlich bei der Redaktion eine Anzahl Beschwerdebriefe ein, in denen darauf hingewiesen wurde, daß es sich bei diesem Roman um ein Plagiat handle. Der Roman sei schon in Buchform erschienen, und der Name des Autors des Buchromans sei ein ganz anderer. Man war nicht wenig betroffen in der Redaktion, verschaffte sich den Roman und stand vor einer nicht wegzuleugnenden Tatsache. Des Herrn Schlesinger konnte man im Moment nicht habhaft werden, da er irgendwo auf einer Reise im Fernen Osten war. Man war in nicht geringer Verlegenheit. Schließlich kam man auf einen Ausweg: Man setzte sich hin und schrieb einen Schluß, durch den der Roman in zwei Fortsetzungen zu Ende gebracht wurde. Ich glaube, es war ungefähr so, daß alle Personen sich gegenseitig umbrachten. Als nun nach Monaten Schlesinger von seiner Reise zurückkam, und man ihn zur Rede stellte, fiel er aus allen Himmeln. Er wußte doch, daß das Buch sein ureigenstes Werk war. Niemand wollte ihm das natürlich glauben. Er kam zu mir, und es gelang mir die Sache aufzuklären. In der Druckerei hatte man für die künftige Buchausgabe bereits, die Zeitungstypen benutzend, den Roman in einer Riesenauflage hergestellt, und die ungebundenen Exemplare lagen in einem Keller. Irgendwie hatte der „Schriftsteller“ Curt Matull das herausgeschnüffelt und ein Exemplar entwendet. Das tippte er dann ab und reichte es unter seinem Namen einem Verlag ein, der das Buch unter seinem Namen publizierte. So ist in diesem Falle das Plagiat vor dem Original erschienen. Jenem Herrn konnte übrigens nichts geschehen, da er im Besitz eines sogenannten „Jagdscheines“ war, d. h. der Bescheinigung eines Psychiaters, daß er für seine Handlungen nicht verantwortlich sei. – Diese „Jagdscheingeschichte“ erinnert mich an ein anderes, höchst amüsantes Vorkommnis, das freilich erst viel später, während der Inflationszeit 1922, spielt. Es handelt sich da um einen der erfolgreichsten Romanschriftsteller Deutschlands, einen guten Freund von mir, dessen Namen ich aus begreiflichen Gründen nicht nennen möchte. Eines Tages brachte dieser mein Freund ein Buch heraus, das mit Recht die Aufmerksamkeit des Staatsanwaltes erweckte. Das Buch wurde bald beschlagnahmt und der Autor zur Verantwortung gezogen. Bei der Vernehmung durch den Richter bekam dieser angesichts des höchst originellen Auftretens des Autors erhebliche Bedenken, ob er zurechnungsfähig sei. Er beschloß, ihn auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen, und der berühmte Professor X. wurde mit diesem Auftrage betraut. Von diesem Beschluß erhielt nun der Autor durch seine guten Verbindungen Nachricht, ehe noch der Professor etwas erfuhr. Sofort setzte er sich mit ihm in Verbindung und erzählte im, daß er mit der Abfassung eines neuen Romans beschäftigt sei, der in einer Irrenanstalt spiele, und erbat seine fachmännische Beratung, ihm dabei ein fürstliches Honorar von vielen Tausend Dollar in Aussicht stellend. Der Professor war natürlich gern bereit, seine Hilfe zu leisten, lud den Schriftsteller zu sich ein und nahm mit Interesse die Mitteilungen über den Plan des angeblich beabsichtigten Romans entgegen. Im Augenblick der Verabschiedung blieb der Gast stehen, schlug sich vor den Kopf und sagte: „Ach,

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