Erinnerung an meine Jahre in Berlin. Sammy Gronemann
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Übrigens stand der wirkliche Einfluß der jüdischen Autoren durchaus nicht im Verhältnis zu ihrer numerischen Beteiligung am deutschen Schrifttum. Die Juden waren ja besonders in der Journalistik stark vertreten, und zwar schrieben sie fast alle für die liberale Presse. Hier ist eine erstaunliche Tatsache hervorzuheben: Da waren die Riesenauflagen der von Mosse und Ullstein verlegten Zeitungen und Journale, „Berliner Tageblatt“, „Vossische Zeitung“, „B. Z. am Mittag“, „Tempo“, „Illustrierte Zeitung“ u.s.f. Träger des demokratischen Gedankens. Eine ungeheure Armee von Lesern stand hinter ihnen, – und doch, wenn es zur Parlamentswahl kam, scharte sich um ihre Fahne eine winzige, lächerliche Gruppe. Es war eine schier unerklärliche Diskrepanz. So konnten natürlich auch die für diese Blätter schreibenden Autoren eben nur künstlerische, aber keine praktischen Erfolge erzielen.
Übrigens konnte ich feststellen, daß im „Schutzverband deutscher Schriftsteller“ viele sich überaus arisch und deutsch gebärdende Persönlichkeiten waren, die jüdischen Familien entstammten und freilich ihr Judentum sehr spät entdeckten, und bei vielen ganz als „arisch“ Geltenden dürfte es so ähnlich sein wie bei dem trefflichen Roda Roda, der mir, als der Rassenwahn aufkam, sagte: „Ich glaube, zwischen dem Pithek Antropos und mir dürfte schon ein nichtarischer Einschlag vorgekommen sein“, worauf ich ihm, wohl mit Recht, sagte: „Dieser Einschlag dürfte erheblich näher bei Ihnen liegen.“
Interessant und schwierig war der Kampf gegen den unerlaubten Nachdruck. In unglaublich unverschämter und bedenkenloser Weise pflegten besonders die Provinzblätter Artikel aus der großen Presse zu übernehmen. Ich suchte, eine Nachdruckkontrolle einzuführen und hatte damit recht gute Erfolge. Leider muß ich feststellen, daß bis heute auch ein Teil der jüdischen Presse jene üble Gewohnheit hat, sich mit oder aus fremden Federn zu schmücken. Ist es mir selber doch geschehen, daß kurz nach Erscheinen meines Romans „Tohuwabohu“ das „Jiddische Tagblatt“ in New York das ganze Buch unter fremdem Titel abdruckte, und der Redakteur hatte die ungeheure Frechheit, seinen Namen als Autor darüber zu setzen. Welche kuriosen Dinge aber da geschehen können, will ich an einem Beispiel illustrieren: Da veröffentlichte der „Berliner Lokalanzeiger“ einen sensationellen Abenteuer-Roman des Schriftstellers Schlesinger in Fortsetzungen. Nachdem der Roman beinahe zur Hälfte abgedruckt war, liefen plötzlich bei der Redaktion eine Anzahl Beschwerdebriefe ein, in denen darauf hingewiesen wurde, daß es sich bei diesem Roman um ein Plagiat handle. Der Roman sei schon in Buchform erschienen, und der Name des Autors des Buchromans sei ein ganz anderer. Man war nicht wenig betroffen in der Redaktion, verschaffte sich den Roman und stand vor einer nicht wegzuleugnenden Tatsache. Des Herrn Schlesinger konnte man im Moment nicht habhaft werden, da er irgendwo auf einer Reise im Fernen Osten war. Man war in nicht geringer Verlegenheit. Schließlich kam man auf einen Ausweg: Man setzte sich hin und schrieb einen Schluß, durch den der Roman in zwei Fortsetzungen zu Ende gebracht wurde. Ich glaube, es war ungefähr so, daß alle Personen sich gegenseitig umbrachten. Als nun nach Monaten Schlesinger von seiner Reise zurückkam, und man ihn zur Rede stellte, fiel er aus allen Himmeln. Er wußte doch, daß das Buch sein ureigenstes Werk war. Niemand wollte ihm das natürlich glauben. Er kam zu mir, und es gelang mir die Sache aufzuklären. In der Druckerei hatte man für die künftige Buchausgabe bereits, die Zeitungstypen benutzend, den Roman in einer Riesenauflage hergestellt, und die ungebundenen Exemplare lagen in einem Keller. Irgendwie hatte der „Schriftsteller“ Curt Matull das herausgeschnüffelt und ein Exemplar entwendet. Das tippte er dann ab und reichte es unter seinem Namen einem Verlag ein, der das Buch unter seinem Namen publizierte. So ist in diesem Falle das Plagiat vor dem Original erschienen. Jenem Herrn konnte übrigens nichts geschehen, da er im Besitz eines sogenannten „Jagdscheines“ war, d. h. der Bescheinigung eines Psychiaters, daß er für seine Handlungen nicht verantwortlich sei. – Diese „Jagdscheingeschichte“ erinnert mich an ein anderes, höchst amüsantes Vorkommnis, das freilich erst viel später, während der Inflationszeit 1922, spielt. Es handelt sich da um einen der erfolgreichsten Romanschriftsteller Deutschlands, einen guten Freund von mir, dessen Namen ich aus begreiflichen Gründen nicht nennen möchte. Eines Tages brachte dieser mein Freund ein Buch heraus, das mit Recht die Aufmerksamkeit des Staatsanwaltes erweckte. Das Buch wurde bald beschlagnahmt und der Autor zur Verantwortung gezogen. Bei der Vernehmung durch den Richter bekam dieser angesichts des höchst originellen Auftretens des Autors erhebliche Bedenken, ob er zurechnungsfähig sei. Er beschloß, ihn auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen, und der berühmte Professor X. wurde mit diesem Auftrage betraut. Von diesem Beschluß erhielt nun der Autor durch seine guten Verbindungen Nachricht, ehe noch der Professor etwas erfuhr. Sofort setzte er sich mit ihm in Verbindung und erzählte im, daß er mit der Abfassung eines neuen Romans beschäftigt sei, der in einer Irrenanstalt spiele, und erbat seine fachmännische Beratung, ihm dabei ein fürstliches Honorar von vielen Tausend Dollar in Aussicht stellend. Der Professor war natürlich gern bereit, seine Hilfe zu leisten, lud den Schriftsteller zu sich ein und nahm mit Interesse die Mitteilungen über den Plan des angeblich beabsichtigten Romans entgegen. Im Augenblick der Verabschiedung blieb der Gast stehen, schlug sich vor den Kopf und sagte: „Ach,