Die Gentlemen-Gangster. Manfred Bomm

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Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm

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      Seifritz plagte nur ein einziger Gedanke: ob es eine Chance gab, mit der Tochter zu fliehen. Doch die Handschließe saß fest, die Rollos an dem am Stadtrand gelegenen Haus waren alle geschlossen – und außerdem hatten die Räuber vorsorglich die Sprechmuschel aus dem Telefon geschraubt. Nichts, was sie taten, wirkte nervös oder fahrig. Es mussten wirklich echte Profis sein, dachte Seifritz.

      Irgendwann löschten die kaltblütigen Räuber das Licht, verharrten aber auf ihren Stühlen, um ihre Geiseln in der Gewalt zu haben. Einer der Männer gab sich geradezu fürsorglich: »Ich empfehle Ihnen zu schlafen, denn Sie werden morgen gute Nerven brauchen.«

      3

      4 Uhr. Erst in drei Stunden würde die Sonne aufgehen. Noch war es stockfinstere Nacht. Seifritz und seine Tochter hatten keine Sekunde schlafen können, lagen schweigend beieinander und lauschten bange und aufgewühlt in die Finsternis. Denn nachdem die Räuber ihre bohrenden Fragen beendet und das Licht gelöscht hatten, war nur noch deren bisweilen schwerer Atem zu hören gewesen. Seifritz hatte einige Male überlegt, ob die Männer eingeschlafen waren. Doch an eine Flucht wäre selbst dann nicht zu denken gewesen. Immerhin waren die beiden schwer bewaffnet und er an seine Tochter gekettet. Schon beim geringsten Versuch, aus dem Bett zu steigen, wären die Gangster wach geworden – sofern sie überhaupt schliefen.

      Seifritz kämpfte unablässig mit einem wilden Gedankenkarussell und versuchte vergeblich, das Schreckliche zu verdrängen, das mit seiner anderen Tochter geschehen sein konnte. War sie auf der Fahrt mit ihrem Freund nach Tübingen ebenfalls in die Hände von Kidnappern geraten? Er wollte die beiden Gangster lieber gar nicht danach fragen. Wieder quälten ihn auch in diesen Stunden die schmerzhaften Erinnerungen an seine Frau, die vor zwei Jahren freiwillig aus dem Leben geschieden war; ein Schicksalsschlag, den er nie würde verdrängen oder überwinden können.

      Als plötzlich das Licht angeknipst wurde, fühlte er so etwas wie Erleichterung, obwohl das Schlimmste noch bevorstand. Der Uniformierte, der sich als Wortführer hervortat, gab das Kommando. Er werde jetzt Marion in ein sicheres Versteck bringen, wo ihr nichts geschehe, wenn ihr Vater die geforderten Millionen besorge, erklärte er so emotionslos, als rede er von einem ganz normalen Vorgang.

      Marions Herz raste. Sie hatte unbändige Angst. Seifritz’ flehende Bitte, seine Tochter freizulassen, war nicht mehr als der vergebliche Versuch eines verzweifelten Vaters, die Gangster umzustimmen. Erneut spürte er, dass sie sich von ihrem Plan nicht würden abhalten lassen. Komme da, was da wolle. Als die Fesseln von den schmerzenden Handgelenken gelöst waren, umarmte Marion ihren Vater und weinte.

      »Es passiert nichts, wenn wir das Geld kriegen«, stellte der falsche Polizist klar und forderte die junge Frau auf, Schlafsack, Wolldecke, Handschuhe und Wollmütze zusammenzupacken.

      Seifritz war für einen weiteren Moment erneut geschockt, weil er angesichts der geforderten Utensilien befürchtete, sie würden Marion mehrere Tage in ihrer Gewalt behalten: »Wie lange soll das denn gehen?«

      »Bis wir das Geld haben«, keifte der mit dem Trenchcoat, während der falsche Polizist sie unsanft die Treppe hinab in die Diele zerrte. Dort öffnete er vorsichtig die Haustür, vergewisserte sich, dass niemand auf der nur spärlich beleuchteten Wohnstraße unterwegs war, und deutete zu einem Verbindungsweg hinüber, der in der Stille des kalten Wintermorgens lag. Marion überlegte, ob sie um Hilfe rufen sollte, aber der Gedanke an ihren Vater, der sich in der Gewalt des anderen Gangsters befand, hielt sie davon ab. Der harte Griff, mit dem sie der Mann am Oberarm vorwärtszerrte, während sie Decke und Schlafsack festhielt, ließ jeden Fluchtgedanken im Keim ersticken.

      Eine halbe Minute später hatten sie über den verwilderten Fußweg die nächste Wohnstraße erreicht, die hier mit einer Wendeplatte endete. Am Fahrbahnrand standen mehrere Fahrzeuge, auf die ihr Entführer zuhielt. Marion vermutete, dass sein Ziel eine helle Limousine war, vermutlich ein Audi. Beim Näherkommen glaubte sie, ein WN-Kennzeichen für Waiblingen erkannt zu haben. Aber viel zu schnell hatte sie der Mann zur linken hinteren Tür bugsiert, diese geöffnet und nun charmant flüsternd gesagt: »Bitte einsteigen.« Marion tat wortlos, was ihr befohlen wurde. Sie musste sich auf den Rücksitz legen, sich vollständig in die Decke einhüllen und die Wollmütze tief ins Gesicht und somit über die Augen ziehen. Sie sollte nicht sehen, wohin die nächtliche Fahrt ging.

      Der Gangster setzte sich hinters Steuer, ließ die Tür sanft zufallen und fuhr zügig los. Marion wagte nicht, den Kopf zu heben. In der Dunkelheit hätte sie aus ihrer liegenden Position heraus auch nichts von der Landschaft erkennen können. Stattdessen versuchte sie, sich anhand der Kurven und Abbiegevorgänge die ungefähre Route vorzustellen. Ihrem Gefühl nach zu urteilen, waren sie vom Göppinger Stadtrand gleich in die Vororte gefahren, Richtung Bartenbach und hinüber nach Rechberghausen. Vermutlich ging es zu den Anhöhen des Schurwaldes hinauf und dann hinüber ins Remstal. Jedenfalls zunächst bergauf.

      Sie hätte nicht sagen können, wie viel Zeit schon verstrichen war, als der Wagen deutlich spürbar von der Hauptverkehrsstraße abbog und offenbar auf kleineren, holprigen Wegen weiterfuhr. Wenig später schienen sie ihr Ziel erreicht zu haben. Der Wagen stoppte.

      Noch immer war es Nacht, und hier, wo sie sich nun befanden, gab es auch keine Straßenlampen. »Endstation«, knurrte der Mann, stieg aus und öffnete die linke Tür des Fonds. Marion streifte sich die Wollmütze vom Kopf und warf die Decke beiseite. Ihre Beine waren eingeschlafen, und sie tat sich mit dem Aussteigen schwer. Weil sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie die nachtschwarzen Umrisse von Sträuchern und Weidezäunen erkennen. Sie befanden sich eindeutig weit außerhalb einer Ortschaft. Am Horizont war nur schwaches Streulicht einer möglicherweise nahen Stadt auszumachen.

      Der Mann packte sie am Oberarm und zerrte sie ein paar Schritte vom Auto weg in Richtung auf ein kleines Gebäude, das sich vor dem nahen finsteren Waldrand abzeichnete, der den ansteigenden Wiesenhang begrenzte. Im Dunkeln war eine heraneilende menschliche Gestalt zu sehen – ein Mann, wie sich sofort herausstellte. Der nahm sie unsanft in Empfang und zog sie an den gefesselten Armen wortlos über den Steilhang zu der kleinen Behausung hinauf, vermutlich einer Hütte. Sein Komplize stieg wieder in das Auto, und die Rücklichter verschwanden in der Nacht.

      Marion schwieg und ließ sich im Schein einer schwachen Taschenlampe widerstandslos in das kalte und dunkle Versteck bringen, das nach altem Heu, Moder und Spiritus roch. Dort loderte die Flamme einer altertümlich anmutenden Sturmlaterne, sodass sie jetzt auch den Kopf des Mannes sehen konnte. Allein dieser Anblick war furchterregend. Denn der Mann, der kein Wort sprach, hatte sich einen Damenstrumpf übers Gesicht gezogen. Wie in einem Horrorfilm. Doch dies hier war bittere Realität.

      Der Raum erinnerte im flackernden Licht der Flamme an ein verlassenes Wochenendhäuschen: Tisch und Stühle wie aus dem Sperrmüll, abseits davon eine längliche Sitzbank mit Polster. Der Maskierte zerrte Marion auf diese Bank, auf der sie sich zusammenkauerte, während ihre Fußgelenke mit einem Paketklebeband gefesselt wurden. So lehnte sie, erschöpft und sich ihrer hilflosen Lage vollends bewusst, in der Ecke.

      »Wie lang soll das gehen?«, fragte sie leise, doch ihr Bewacher schwieg und legte ihr ein Handtuch über den Kopf. Sie sollte bei aufkommender Helligkeit nicht sehen, was um sie herum geschah. Das Tuch gab trotzdem einen kleinen Sichtspalt frei, sodass sie beobachten konnte, wie der Maskierte nervös auf und ab ging und oftmals durch ein Fenster nach draußen schaute.

      4

      Knapp eineinhalb Stunden, nachdem er weggefahren war, kam der falsche Polizist wieder in Seifritz’ Haus an. Es war inzwischen 5.30 Uhr und noch immer dunkel. »Läuft alles wie am Schnürchen«, beschied er seinem Komplizen mit leicht schwäbischem Akzent. »Jetzt kommt’s nur darauf an, ob die Millionen fließen.«

      Seifritz

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