Die Gentlemen-Gangster. Manfred Bomm

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Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm

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herrschte. Auch jetzt lag der Flur in absoluter Stille.

      Er klopfte an die Tür des Vorzimmers und trat unmittelbar danach ein. Sein Blick fiel auf Chefsekretärin Karin Rüger, die kreidebleich an ihrem Schreibtisch kauerte und ihm grußlos andeutete, gleich ins Büro von Seifritz weiterzugehen, dessen Tür geschlossen war. Ihre junge Kollegin hatte nicht einmal aufgeschaut.

      Lackners Verunsicherung stieg. Noch nie hatte es eine solch seltsame Situation gegeben. Er klopfte an die Tür, die sogleich geöffnet wurde. Vor ihm stand ein Uniformierter, der ihn in allerhöchste Alarmbereitschaft versetzte. Polizei, durchzuckte es Lackner. Üblicherweise kamen die Beamten direkt zu ihm, wenn es polizeiliche Ermittlungen gab. Die Anwesenheit eines Polizisten im Chefbüro konnte nichts Gutes bedeuten. Lag etwas gegen ihn selbst vor?

      Aber die Sonnenbrille, das bärtige Gesicht und etwas, das wie eine Maschinenpistole aussah, jagten ihm augenblicklich ganz andere Ängste durch den Kopf: der Chef in der Gewalt von Gangstern.

      Seifritz, der übernächtigt hinterm Schreibtisch saß, forderte seinen völlig irritierten Angestellten auf hereinzukommen und die Tür hinter sich zu schließen. Er hatte Lackners Entsetzen bemerkt und gleich klargestellt: »Herr Lackner, das sind keine echten Polizisten.«

      Augenblicklich erfasste der Angestellte die bedrohliche Lage und erblickte erst jetzt den abseits stehenden zweiten Mann. Geschockt ließ er sich von dem sichtlich mitgenommenen Seifritz die Situation schildern – vor allem aber, dass die beiden Verbrecher seine Tochter entführt hätten. Worauf der Uniformierte, der die Maschinenpistole hielt, völlig unaufgeregt bekräftigte: »Keine Polizei. Wenn etwas schiefgeht, sieht Herr Seifritz seine Tochter nicht mehr lebend.«

      »Und in der Schalterhalle gibt’s ein Blutbad«, ergänzte der andere ebenso ruhig.

      »Die wollen fünf Millionen«, erklärte der Bankchef seinem Angestellten. »Ich hab ihnen aber bereits erklärt, dass das nicht geht.«

      »Sie werden es hinkriegen«, lächelte der Uniformierte und sah Lackner in die Augen.

      »Ich hab gesagt, dass der heutige Transport von der Landeszentralbank mit 700.000 Mark bald eintrifft – aber sie wollen fünf Millionen«, sagte Seifritz mit schwacher Stimme. Seine Hände zitterten, die Augen hinter der dicken Brille waren wässrig.

      »Jetzt brauchen wir Ihre Hilfe«, wandte sich der falsche Polizist mit charmantem Unterton an Lackner, der nicht verstand, was dies bedeutete.

      Seifritz stellte klar: »Herr Rilke holt einen Scheck. Mit dem können wir noch zwei Millionen bei der LZB besorgen lassen.«

      Lackner kapierte: Weil zwei Unterschriften notwendig waren, mussten er und Rilke unterzeichnen. »Aber wenn die Boten gleich noch ein zweites Mal zur LZB kommen, fällt das auf«, gab er zu bedenken.

      »Hab ich auch gesagt«, pflichtete ihm Seifritz bei, räumte dann jedoch ein: »Aber mit zwei Millionen könnte es klappen.

      Der Uniformierte schien dies endlich zu begreifen, wandte sich aber drohend an Lackner: »Es darf nichts nach außen dringen. Denken Sie an die Tochter von Herrn Seifritz.«

      Lackner musste sich eingestehen, dass es keinen Sinn machte, neuerliche Bedenken vorzubringen. Augenblicke später wurde Rilke von der Sekretärin hereingeführt. Er hielt den bereits ausgefüllten Scheck in der Hand, legte ihn auf den Schreibtisch des Chefs und unterschrieb. Seifritz nickte dankend, rührte das Papier aber nicht an, sondern gab nun mit einer stummen Handbewegung Lackner zu verstehen, dass es jetzt an ihm liege, den neuerlichen Geldtransport ebenfalls per Unterschrift zu bestätigen. Lackner zögerte, wartete noch auf eine klare Aussage seines Chefs, doch dieser verzog keine Miene. Sekretärin Rüger verfolgte angespannt die Szenerie und fragte sich insgeheim, weshalb nicht Seifritz selbst die zweite Unterschrift auf den Scheck setzte, denn kraft seines Amtes hätte er dies ohne Weiteres tun dürfen.

      Sie spürte, dass auch Lackner darüber nachdachte. Er zögerte für einen kurzen Moment und überlegte offenbar, ob er es überhaupt würde verantworten können, per Unterschrift der Forderung der beiden Gangster nachzukommen. Aber immerhin schien es sein Chef so zu wollen. Wahrscheinlich, so beruhigte sich Lackner, wäre es bei der Landeszentralbank viel zu auffällig, wenn plötzlich der Bankchef höchstpersönlich die zweite Anforderung des Tages unterschrieben hätte.

      Aber warum gerade er, Lackner, schoss es ihm durch den Kopf? Schließlich gab es außer ihm noch einen weiteren Angestellten, der befugt war, Geld von der Landeszentralbank zu ordern. Weshalb hatte Seifritz ausgerechnet ihn ausgewählt? Lackner verdrängte derlei Gedanken, denn er wollte unbedingt vermeiden, dass das Leben der jungen Frau leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurde, nur weil er jetzt zögerte. Also trat auch er an den Schreibtisch, zückte einen Kugelschreiber und setzte mit zitternden Fingern seine Unterschrift unter das Dokument.

      »Leiten Sie alles in die Wege«, nickte Seifritz dem Hauptkassierer zu. »Wir kommen dann auch runter.«

      Rilke verschwand mit dem Scheck. Sobald die Boten mit den regulär georderten 700.000 D-Mark zurück sein würden, mussten sie sofort wieder zur Landeszentralbank geschickt werden, um den zweiten Auftrag zu erledigen. »Na also, geht doch«, brummte der Uniformierte, nachdem Rilke den Raum verlassen hatte. »Wenn wir das Geld haben, ist Ihre Tochter frei.«

      Seifritz wischte sich mit dem Handrücken Schweiß von der Stirn und sah auf die Uhr. Je näher die Öffnungszeit der Bank rückte, desto mehr Angestellte hielten sich in dem großen Gebäude auf. »Bomben und Granaten«, schallte es wieder durch seinen Kopf. Die Gangster wollten Sprengkörper in der Schalterhalle deponiert haben. Wenn dies tatsächlich so war, dann musste das Zeug bereits gestern hereingebracht worden sein. Womöglich war das Ganze die kaltblütige Tat einer professionellen Bande – und womöglich doch ein Wachposten gegenüber am Bahnhof postiert, um auf verdächtige Bewegungen außerhalb des Bankgebäudes zu achten. Dann aber müsste er mit den Geiselnehmern in Funkkontakt stehen. Dafür aber, so überlegte Seifritz, hatte es bisher keine Anhaltspunkte gegeben.

      Der Uniformierte umklammerte die Aktentasche, in der sich die Maschinenpistole befand, und gab seinem Komplizen einen Wink. »Sie beide«, er wandte sich an Seifritz und Lackner, »bringen uns jetzt runter zur Hauptkasse.«

      »Aber immer dran denken«, schaltete sich der schweigsamere Gangster ein, »wenn irgendjemand die Polizei ruft, ist Ihre Tochter tot.«

      Seifritz reagierte nicht, sondern stand auf und verließ als Erster das Büro, gefolgt von den beiden Gangstern und Lackner. Die Sekretärin blickte die Männer sprachlos und entgeistert an. Erst jetzt schien sie die ganze Tragweite des Geschehens verinnerlicht zu haben. Ihr bislang couragiertes Auftreten war purer Angst gewichen.

      »Ich bin für niemanden zu sprechen«, erklärte Seifritz und fügte verunsichert an: »Niemand darf etwas erfahren. Niemand. Haben Sie mich verstanden?«

      Karin Rüger saß wie erstarrt auf ihrem Bürostuhl und umklammerte die Schreibtischkante. Ihre junge Kollegin wagte es nicht, sich umzudrehen, sondern tat so, als sei sie mit dem Studium einer Akte beschäftigt.

      Erst als die vier Männer den Raum verlassen hatten, verspürte die Chefsekretärin für einen Moment eine gewisse Erleichterung. Obwohl an ein gutes Ende noch nicht zu denken war.

      Auf dem Flur der Vorstandsetage herrschte die übliche Stille. Seifritz hatte inständig gehofft, dass noch niemand unterwegs war. Wie hätte er den Angestellten erklären sollen, weshalb er um diese Zeit in Begleitung eines Polizisten und eines weiteren Fremden schon sein Büro verließ, dazu noch gemeinsam mit Lackner?

      Seifritz ging zielstrebig zu dem sogenannten

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