Die Gentlemen-Gangster. Manfred Bomm

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Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm

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Türgriff und verließ wortlos den Mercedes.

      Kaum war die Wagentür wieder ins Schloss gefallen, brauste der Wagen, links in die Betzstraße abbiegend, davon. Lackner fühlte sich wie benommen. Träumte er? Was war jetzt auf einmal geschehen? Er sah apathisch dem Auto nach, das zwei Querstraßen weiter dann rechts aus seinem Blickwinkel verschwand.

      War jetzt alles ausgestanden? Lackner schloss die Augen, fühlte, wie eine tonnenschwere Last von ihm fiel, wusste aber nicht, ob er sich darüber schon freuen sollte. Dass er Opfer eines der größten Bankraube der deutschen Nachkriegsgeschichte gewesen war, hatte er noch lange nicht verinnerlicht. Er musste nur an seinen Chef und dessen Tochter denken. Erst wenn beide frei sein würden, war der Fall abgeschlossen. Oder doch nicht? Natürlich nicht. Jetzt würden die Kriminalisten unzählige Fragen stellen. Und ganz bestimmt auch der Landrat.

      10

      Seifritz hatte sich auch nach der Rückkehr Lackners strikt an die Anweisung der Kidnapper gehalten, nicht vor 10 Uhr Alarm zu schlagen. Sein Stellvertreter, den er gegen 9.30 Uhr in das Verbrechen einweihte, forderte die sofortige Einschaltung der Polizei. Seifritz wehrte aus Sorge um die Tochter zunächst ab und bekam spontane Schützenhilfe von Sekretärin Karin Rüger, die den stellvertretenden Sparkassendirektor beherzt am Arm packte und davon zurückhielt, die Polizei zu rufen.

      Doch letztlich rangen sich die beiden Männer dazu durch, den örtlichen Leiter der Polizeidirektion, Josef Walser, zu einem Gespräch herzubitten. Möglichst ohne großes Aufsehen.

      In dem verschachtelten Gebäudekomplex der Göppinger Polizeidirektion war gerade die montägliche Frühbesprechung zu Ende gegangen, als die Vorzimmerdame von Direktor Josef Walser ein Gespräch von der Kreissparkasse zu ihm weiterleitete. Er vernahm eine Frauenstimme, die ihn ohne lange zu zögern im Befehlston anwies: »Sie sollen um 10 Uhr kommen. Herr Seifritz und der Landrat warten auf Sie.« Die Anruferin wartete keine Nachfrage ab, sondern wiederholte mehrmals: »Um 10 Uhr. Aber keine Minute früher.«

      Walsers Versuch, einen Grund für diese seltsame Aufforderung zu erfahren, blieb erfolglos. Die Anruferin beendete das Gespräch. Walser, ein groß gewachsener hagerer Mann, der seit 1973 die Polizei in Göppingen leitete, spürte, dass etwas nicht stimmte, wie er Augenblicke später seinen Kollegen Karl Geiger, den Leiter der Kriminalpolizei, wissen ließ. Für einen kurzen Moment war Walser zwar über den Befehlston aus der Kreissparkasse leicht verstimmt gewesen, wonach er keine Minute früher als 10 Uhr kommen dürfe. Dann aber überwog die Sorge, dort könne etwas im Gange sein, das sofortiges Handeln erforderte. Er sah auf die Uhr: kurz nach 9.30 Uhr.

      Es erschien ihm angeraten, den Kripochef zu dem Termin mitzunehmen. Noch auf der knarrenden Holztreppe in den Hof hinunter begegneten sie dem Leiter der Schutzpolizei und dem jungen Oberkommissar Jürgen Holder, der erst vor vier Monaten zum Leiter der neu gegründeten Stelle des Sachbearbeiters für Öffentlichkeitsarbeit – kurz Ö genannt – bestimmt worden war. Walser stoppte die beiden, die zu einem Arbeitsessen mit dem Bürgermeister der Landgemeinde Gruibingen gehen wollten. Bei Schwäbischen Kutteln sollte die polizeiliche Vorgehensweise fürs Dorffest besprochen werden. Daraus wurde jetzt nichts. Walser erklärte kurz, dass sie sich möglicherweise auf einen größeren Einsatz vorbereiten müssten.

      11

      Dass sich im Nebengebäude zu diesem Zeitpunkt der Gerichts- und Polizeireporter der einzigen Tageszeitung vor Ort, der Neuen Württembergischen Zeitung, kurz NWZ, aufhielt, konnten Walser und Geiger nicht ahnen. Georg Sander, eines der jüngsten Mitglieder der Lokalredaktion, pflegte ein gutes Verhältnis zur Polizei und hatte an diesem trüben Märzmontag die Fahrt zum Verlagshaus für einen kurzen Besuch im Göppinger Polizeirevier unterbrochen. Jetzt, in den frühen 80er-Jahren, als es noch keine privaten Radio- und Fernsehstationen gab und in dieser Stadt mit ihren knapp 55.000 Einwohnern auch kein anderes täglich erscheinendes gedrucktes Medium, war Sander der Einzige, der hier über kriminelle Ereignisse berichtete.

      Entsprechend bescheiden war auch der Andrang bei behördlichen Pressekonferenzen. Meist saß ein Journalist der Tageszeitung ganz allein einer ganzen Gruppe von Vertretern der Polizei gegenüber. Wenn die jährlichen Unfall- und Kriminalstatistiken vorgestellt wurden – endlose Zahlen und Prozente, beinahe heruntergebrochen bis ins letzte Kaff – versuchte Sander verzweifelt und meist vergeblich, dem trockenen Material etwas Spannendes abzugewinnen.

      Es kam auch höchst selten vor, dass sich auswärtige Journalisten für etwas interessierten, was hier, zwischen Stuttgart und Ulm, geschah. Das mussten dann schon ganz große Dinge sein – sei es ein kommunalpolitischer Skandal oder ein Mord. Aber derlei Spektakuläres kam doch eher selten vor. Zum Leidwesen von Sander, dem Lokaljournalisten, der zwar kein Sensationsreporter im herkömmlichen Sinne war und auch nicht wirklich nur auf Stories hoffte, die Aufsehen erregten, es aber zunehmend als dröge empfand, stundenlange Gemeinderats- und Kreistagssitzungen über sich ergehen lassen zu müssen. Andererseits freilich, so hatte er schon oft erfahren müssen, waren die Abonnenten der Zeitung eher darauf bedacht, dass man das heimatliche Nest nicht beschmutzte. Wenn er allzu detailliert über Verhandlungen des örtlichen Schöffengerichts berichtete, war er nicht selten von aufgebrachten Lesern heftig kritisiert worden. Ganz zu schweigen, wenn es um große Fälle vor dem Landgericht Ulm ging, wo die schwerwiegenden Verbrechen verhandelt wurden. Nur zu gut war ihm aus den Anfangszeiten seiner Göppinger Tätigkeit ein Mordprozess gegen einen Mann in Erinnerung, der in einem alten Bauernhaus am Rande der Schwäbischen Alb eine ältere Frau vergewaltigt und umgebracht hatte. Allein das Wort Sperma, das Sander erwähnt hatte, weil es dabei um eine wichtige, belastende Spur des Täters gegangen war, hatte einige Leser geradezu entsetzt, was sie in empörten Anrufen beim Redaktionsleiter zum Ausdruck gebracht hatten.

      Für Sander war seither klar: Die Leserschaft las zwar mit großer Begeisterung von Mord und Totschlag irgendwo auf der Welt, ja sog dann, wie er zu sagen pflegte, jeden Blutstropfen aus der Illustrierten oder dem Boulevardblatt heraus, aber wenn so etwas in der näheren Umgebung geschah, dann sollte das Heimatblatt geflissentlich Zurückhaltung üben. Dann hörte Sander häufig den Vorwurf, er sei schlimmer als die Bild-Zeitung. Er fragte sich in solchen Fällen, woher die Kritiker, die dieses Boulevardblatt mit Abscheu erwähnten, wohl ihr Wissen darüber bezogen, was schlimmer als die Bild-Zeitung sei.

      Ohne mediale Konkurrenz war in diesen Zeiten der Kontakt zur örtlichen Polizei noch unbürokratisch. Sander kannte viele Beamte und ging im Revier ein und aus, zumal zwar die zurückliegenden Jahre des RAF-Terrorismus bereits erste Sicherheitsmaßnahmen erkennen ließen, der Zugang ins Polizeigebäude jedoch meist problemlos möglich war. Sander wusste dies zu schätzen, steckte seine Nase auch nie in Dinge, die ihn nichts angingen, sondern beschränkte seine Besuche auf ein Mindestmaß und kam auch nie unangemeldet.

      Inzwischen pflegte er mit einigen Beamten ein freundschaftliches Verhältnis, das auch in private Aktivitäten mündete. So gab es eine Wandergruppe, die sich auf historische Pfade beschränkte und die Schauplätze des Ersten Weltkrieges in den Vogesen aufsuchte, geführt von einem Polizeibeamten, der sich auch fundiert mit dem deutsch-französischen Krieg in den 70er-Jahren des vorletzten Jahrhunderts auseinandersetzte. Sander war einige Male bei solchen Exkursionen dabei gewesen und hatte in der zerschundenen Landschaft die Überreste dieser schrecklichen Zeit gesehen: Bunker, Stacheldraht, Munition, die endlose Reihe von Soldatengräbern.

      An diesem Märzvormittag hatte er über eine neue Exkursion, die für den Herbst geplant war, sprechen wollen. In einem Büro, schräg gegenüber der Wache, saß er zwei altgedienten Beamten gegenüber, die er ihres bodenständigen und unkomplizierten Umgangs wegen sehr schätzte. Doch irgendetwas, so schien es ihm, war heute anders – als sei den beiden sein Besuch unangenehm. Der Ältere, ein großer, bärenstarker Typ, verließ einige Male den Raum und schloss nachdrücklich die Tür hinter sich, kam aber sofort wieder zurück, ebenfalls darauf bedacht, die Tür, die üblicherweise einen Spaltweit offen stand, sorgfältig

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