Inselduell. Anja Eichbaum

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Inselduell - Anja Eichbaum

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Gefühl habe ich auch, dass es sie jung hält«, warf Anne Wagner ein. »Das ist wirklich ein gutes Konstrukt, das ihr hier gefunden habt.«

      Daniela nickte. Sie hatte mit ihrem Mann die Pension von Frau Dirkens übernommen, während die alte Dame mit lebenslangem Wohnrecht in das oberste Stockwerk gezogen war. Nach und nach hatten sie begonnen, die in die Jahre gekommenen Zimmer zu renovieren und auf einen neuen Standard zu bringen. Dabei war eine Art Hostel entstanden, die günstiges und trotzdem modernes Ferienwohnen miteinander verband. Etwas, das mittlerweile selten auf der Insel war. Weshalb sie sich über eine mangelnde Nachfrage nicht beschweren konnten. Für Daniela war ein Traum wahr geworden. Ihren Umzug aus dem Rheinland bereute sie noch keinen Tag.

      Frank, der in der Küche das Teewasser aufgesetzt hatte, betrat den Raum mit einem Tablett voller Porzellantassen »Ostfriesische Rose«, den Kluntjes und zwei Sahnekännchen. »Das kann man wohl sagen, Anne. Wirklich eine Win-win-Situation, wie sie im Buche steht. Dass es so glatt läuft, haben wir uns alle nicht vorstellen können.«

      »Stimmt es denn, dass du zusätzlich wieder als Friseurin arbeiten willst?« Eine der älteren Freundinnen von Frau Dirkens beugte sich vor und hielt sich die Hand hinter das Ohr.

      Daniela lachte. »In der Hinsicht unterscheidet sich Norderney nicht vom Rheinland. Gerüchte verbreiten sich in Windeseile.«

      »Ach?« Enttäuscht ließ sich die Insulanerin zurückfallen. »Nur ein Gerücht.«

      »Nein, das stimmt auch nicht.« Frank ergriff wieder das Wort, während er die Tassen verteilte. »Wir überlegen noch. Das war ja auch immer einer von Danielas Träumen. Sich selbstständig zu machen mit einem mobilen Friseurservice, stimmt doch, oder?«

      »Allerdings. Als ich noch unverheiratet war, wollte ich meine Dienste ›Haarick‹ nennen, ein Wortspiel aus haarig und meinem Mädchennamen Rick. Das passt ja nun nicht mehr.«

      »Und deswegen hast du den Traum begraben?« Anne schüttelte den Kopf. »Das sieht dir nicht ähnlich.«

      »Natürlich nicht. War nur ein Spaß. Wir sind eher noch in der allgemeinen Findungsphase.«

      Anne schaute skeptisch. »Ich könnte mir vorstellen, dass alles zusammen auch zu viel wird. Franks Vollzeitstelle, das Hostel, der Umbau. Und noch ein mobiler Friseurdienst?«

      »Deswegen gehen wir das Schritt für Schritt an. Aber Pläne schmieden kostet ja nichts.« Daniela sah zu Frank. »Nur ein Wortspiel mit meinem neuen Namen habe ich als Frau Prinzen noch nicht gefunden.«

      »Du wirst doch wohl nichts bereuen?« Frank drohte ihr mit dem Zeigefinger.

      »Nach meiner Teezeremonie bereut niemand etwas. Hier ist das gute Stück.« Frau Dirkens stellte die Whiskeyflasche mit Schwung auf den Tisch. »Also los, Kluntjes in die Tassen, wir wollen loslegen.« Frank hatte den Tee in der Küche aufgebrüht und ihn in der Servierkanne auf den Tisch gestellt. Alle gaben sich nacheinander dem vertrauten Ritual hin. Die Kluntjes wurden mit dem heißen Tee übergossen und knisterten laut. Dann wurde die Sahne vorsichtig mit einem Löffel am Tassenrand eingetröpfelt, sodass die klassische Sahnewolke entstand. Nur – dass hier eben der Schuss Whiskey hinzugefügt wurde, der Frau Dirkens’ Tee erst zu der Besonderheit machte, von der alle schwärmten.

      »Denn mal auf meinen Seligen, der uns den Whiskey nahegebracht hat.« Frau Dirkens hob die Tasse. »Wer hätte gedacht, dass ich ihn einmal so lange überlebe.«

      »Da sollen auch noch viele Jahre dazukommen«, gab Daniela zurück. Ihre Kehle schnürte sich zusammen. Die Pensionswirtin war über viele Jahre zu einem Elternersatz für sie geworden.

      »Da habe ich gar keine Sorge«, zwinkerte Anne Wagner.

      Daniela lächelte sie erleichtert an. Anne musste es als Ärztin im Inselkrankenhaus schließlich wissen.

      »Wie schön jedenfalls, dass ihr alle zu meinem Ehrentag zusammengekommen seid. Insulaner und Zugezogene, wo hat man das schon.« Marthe Dirkens nahm einen großen Schluck aus der Tasse, die sie grazil mit abgespreiztem kleinen Finger in der Hand hielt.

      »Jo, Marthe, da bist du wirklich was Besonderes auf der Insel.« Eine der Damen aus Frau Dirkens’ Handarbeitskreis erhob die Stimme. »Eigentlich solltest du dich am besten für die Bürgermeisterwahl aufstellen lassen.«

      Alle lachten und fingen an durcheinanderzureden.

      Doch die Freundin war noch nicht zu Ende. Laut pochte sie auf den Holztisch. »Oder will mir hier irgendjemand weismachen, von den drei aufgestellten Kandidaten könnte man irgendjemanden wählen?« Sie verzog den Mund, als wolle sie gleich ausspeien. »Da kann man froh sein wegen seines Alters, dass man das nicht mehr allzu lange erleben muss.«

      *

      Klaas Wilko Kroll stellte sein Fahrrad windsicher an der Hauswand ab und öffnete die Tür seiner Stammwirtschaft. So einen neumodischen Kram wie ein Fahrradschloss brauchte er in diesem Teil der Insel glücklicherweise immer noch nicht. Hier war man unter sich. Insulaner und Ostfriesen. Kein Touri weit und breit. Und weil das so bleiben sollte, war es wichtig, heute Abend die Stammkneipe zu besuchen.

      »He, KWK!«, schallte es ihm aus fast allen Mündern entgegen. Nicht laut, nicht euphorisch, sondern nüchtern friesisch, wie es hier als Landesart galt. KWK war sein Spitzname, seitdem er sich zur Wahl hatte aufstellen lassen. Das fanden einige eine witzige Anspielung auf die große Politik in Berlin. Wobei ›große Politik‹ von ihnen allen nur ironisch gedacht und ausgesprochen wurde.

      Mit seinen 56 Jahren fand er es an der Zeit, sich noch einmal nach einer interessanten Herausforderung umzusehen. Seine Anwaltstätigkeit auf dem Festland langweilte ihn nach fast 30 Jahren und bot kein Weiterkommen. Das Amt des hauptamtlichen Bürgermeisters schien verlockender, als weiterhin Tag für Tag den Ruhestand herbeizusehnen. Das jedenfalls hatte seine Frau ihm klargemacht.

      »Das wird auch mal wieder Zeit, dass du dich bei uns blicken lässt«, haute ihm einer der Thekensteher auf die Schulter. »Wirst ja wohl hoffentlich keiner von denen, die nicht mehr wissen, wo sie herkommen. Denk daran: Wir sind diejenigen, die dich wählen.«

      »Weiß ich doch, weiß ich doch.« Mit dem Zeigefinger wies Kroll auf die acht Männer, die sich auf der hölzernen Theke abstützten, und signalisierte dem Wirt, allen einen Schnaps hinzustellen. »Aber noch bin ich nicht gewählt, wie ihr wisst.«

      Die Männer tranken alle gleichzeitig und knallten die Gläser zurück auf den Tresen.

      »Die Gefahr besteht«, stieß einer hervor.

      Klaas Wilko lachte. »Was meinst du mit Gefahr? Dass ich gewählt werde oder nicht?«

      Alle brachen in ein dumpfes Gelächter aus. Kroll wusste, wie er die Männer zu nehmen hatte.

      »Na, aber ein Selbstläufer wird das nicht, so wie es aussieht«, ließ der Wirt sich vernehmen. Bedeutungsvoll zog er die Augenbrauen hoch. »Auch hier nicht, KWK, das lass dir mal gesagt sein.«

      Kroll sah die Männer der Reihe nach an. »Und das soll was heißen? Mach es mal nicht zu spannend.«

      Alle schauten auf ihre Hände, die einheitlich um die Biergläser vor ihnen lagen. Kneipenbesucher waren wie Kirchgänger, schoss es Kroll durch den Kopf. Rituale waren es, die die Menschen brauchten. Ob sie die Hände zum Gebet falteten oder das Glas umklammerten. Beides gab Halt. Und weil die Menschheit genau das suchte, deswegen würde er Bürgermeister werden. Bürgermeister seiner

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