FriesenFlut. Nané Lénard

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FriesenFlut - Nané Lénard

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abziehen“, bat Rita. Man hörte Wasser rauschen. „Eben noch Hände waschen, bleib dran! So, jetzt bin ich ganz Ohr!“, sagte sie.

      „Hinnerk ist hier“, begann Oma Pusch.

      „Das ist doch nichts Außergewöhnliches“, erwiderte Rita, „oder ist er jetzt auf dich anstatt Lina scharf?“

      „Keineswegs“, antwortete Oma Pusch und sah sich zu Hinnerk um, der wie ein bunter Vogel in ihrem Sessel saß. „Er hat einen Kopf am Strand entdeckt.“

      „Bei dieser Flut von Touristen sollten da mehrere sein“, lachte Rita. „Ein abgeschlagener ist es sicher nicht, der wäre schließlich auch anderen aufgefallen.“

      „Wissen wir nicht“, berichtete Oma Pusch, „weil wir keine Ahnung haben, ob unten an der Glatze noch was dranhängt.“

      „Da hat wohl ein Kind seinen Vater aus Jux eingegraben“, vermutete Rita. „Schon mal an so was gedacht?“

      „Ehrlich gesagt nein, denn der Kopf ist so tot wie nur irgendwas, und jemand hat ihm die Augen ausgestochen“, erklärte Oma Pusch. „Bist du jetzt überzeugt?“

      Rita zuckte zusammen und war froh, dass das niemand sehen konnte.

      „Ja, aber warum ist dann nicht längst die Kripo da und alle anderen? Kapier ich nicht“, sagte Rita.

      „Weil Hinnerk einen Hut drübergestülpt und ihn mit Sand bedeckt hat. Es dauert jetzt zu lange, das alles haarklein zu erklären. Das machen wir später. Wir brauchen dich zum Schmierestehen. Hast du nicht so ein Wurfzelt im Keller für die Kinder deiner Urlaubsgäste?“

      „Schon, aber was willst du denn damit?“, erkundigte sich Rita.

      „Kommen! Mitbringen! Ich kauf es dir ab“, ordnete Oma Pusch an. „Wir labern schon viel zu lange. Schwing die Hufe! Treffpunkt ist am Kiosk.“

      An Oma Puschs Ton erkannte Rita, dass sie sich besser sputen sollte. Normalerweise wäre sie jetzt eingeschnappt gewesen, aber sie wusste genau, dass ihre Freundin nur so mit ihr sprach, wenn sie extrem aufgeregt war. Und das hieß gemeinhin, dass eine turbulente Zeit bevorstand.

      In Windeseile flitzte sie in den Keller, schnappte sich das Zelt und schwang sich auf ihr Fahrrad. Mit dem kunterbunten Vehikel erreichte sie in wenigen Minuten den Hafen. Hinnerk und Oma Pusch standen schon parat. Rita stutzte. Wie sah der denn aus? Ein Ara wirkte blass neben ihm. Nur mühsam konnte sie ein Lachen unterdrücken. Wahrscheinlich diente der Aufzug zur Tarnung.

      „Wir tun so wie Touris“, befahl Oma Pusch, die einen Sandeimer mit Schaufel in der Hand trug und damit Ritas Vermutung insgeheim bestätigte. „Etwas Handwerkszeug trägt Hinnerk in seinem Rucksack.“

      „Und was habt ihr jetzt vor?“, fragte Rita.

      Oma Pusch grinste. „Ganz einfach! Wir gehen zu der Stelle, lassen dein Zelt aufpoppen und schlüpfen rein. Dann nehmen wir die Schere aus Hinnerks Rucksack und schneiden ein großes Loch in den Boden. Anschließend stülpen wir das Zelt über den verbuddelten Schädel und können ganz in Ruhe nachgucken, was sich dahinter verbirgt.“

      „Darunter, meinst du wohl, Lotti“, wandte Hinnerk ein.

      „Ja, das auch, aber wir wollen doch außerdem wissen, was es mit deinem komischen Fund auf sich hat.“

      Der alte Fischer nickte.

      „Und was ist mein Part?“, erkundigte sich Rita.

      „Du sollst vor dem Zelt Schmiere stehen, damit uns niemand stört“, erklärte Oma Pusch.

      Rita sah beleidigt zu Boden. Oma Pusch war in der Zwickmühle. Hinnerk hatte den Kopf gefunden und hielt sich deshalb für berechtigt, im Inneren des Zeltes mitzumischen. Ihre Freundin ermittelte sonst aber immer mit ihr und meinte daher, ihr Platz müsste zwingend an Lottis Seite sein. Doch wann immer Oma Pusch nicht weiterwusste, atmete sie einmal tief durch. Meist fiel ihr spontan eine List ein. Und so war es auch diesmal.

      „Ritalein“, begann sie vorsichtig, „das ist bestimmt kein schöner Anblick. Diese leeren Höhlen sind wahrscheinlich richtig ekelig. Ich dachte, das will ich dir lieber ersparen.“

      Hinnerk nickte. „Boah, wirklich fies, wie der so mit nix auf das Meer starrt.“

      „Schon gut“, sagte Rita etwas besänftigt, „muss man sich ja in echt nicht antun, und du hast den Kopp sowieso schon gesehen.“

      „Ich mache auch Fotos von allen Seiten“, versprach Oma Pusch. „Das ist dann weniger schlimm, als wenn man auch noch mit der Nase drüberhängt.“

      „Sehr liebenswürzig von dir“, brummte Rita.

      „Du hast im Grunde die wichtigste Aufgabe“, erklärte ihr Oma Pusch. „Wir müssen uns voll und ganz darauf verlassen, dass uns niemand stört oder gar entdeckt. Sonst kommen wir in Teufels Küche.“

      „Ja, ja, lass gut sein“, erwiderte Rita. „Nun los, ab zum Strand!“

      Der Glatzenkopp

      Hinnerk, Oma Pusch und Rita taten so, als ob sie normale Touristen wären. Scheinbar sorglos bummelnd und kichernd überquerten sie den Deich, liefen über die Sandfläche und peilten den Platz an, den Hinnerk in Erinnerung hatte. Leider hatte sich dort ganz in der Nähe eine Familie mit einer Strandmuschel niedergelassen. Von Lina, dem älteren Herrn, der hinter Hinnerk hergewesen war, und dessen Gattin fehlte jede Spur.

      „Herrje, ich fürchte, man hat Lina ins Krankenhaus gebracht“, sorgte sich der alte Fischer.

      „Da ist sie doch in guten Händen“, versuchte Oma Pusch ihn zu beruhigen.

      „Schon, schon“, erwiderte er.

      „Ja, ganz bestimmt. Sie wird sich dort gut erholen. Und ihr könnt euch ganz in Ruhe um die Angelegenheit im Sand kümmern. Das hat doch auch was“, flüsterte Rita den beiden zu, damit die Leute nebenan nichts mitbekamen.

      Sie waren ein bisschen zu dicht an der vermuteten Stelle. Dort zeigte sich ein kleiner Huckel auf dem Boden. Mist, und jetzt steuerte deren nackiger Spross direkt darauf zu.

      „Mama, da ist ein Berg, kann ich da buddeln?“, rief der Pöks seiner Mutter zu.

      Hinnerk, Rita und Oma Pusch blieb die Luft weg.

      „Um Himmels willen, wir müssen ihn aufhalten“, wisperte Rita.

      „Mir wär’s lieber, wir könnten die ganze Familie von hier weglocken. Nicht, dass die auch nur das Geringste von unseren Aktivitäten mitkriegen“, flüsterte Hin­nerk.

      „Ich überleg mir was“, zischte Oma Pusch, die ein weiteres Pärchen mit Argusaugen fixierte, das sich diesem Ort am Strand näherte. Verständlich im Grunde, denn hier war man etwas weiter ab vom Schuss und musste nicht in der Masse der anderen Leute liegen. Während die Sonne mit fast 30 Grad unbarmherzig von oben brannte, kam Oma Pusch eine Idee, denn der kleine Junge war bereits gefährlich nah.

      „Hilfe!“, schrie sie so laut sie konnte. „So helft mir doch! Eine Kreuzotter! Nehmen Sie Ihren Sohn weg! Um Himmels willen, so einen Biss überlebt man nicht unbedingt, vor allem nicht, wenn man noch

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