Der Arzt vom Tegernsee Staffel 4 – Arztroman. Laura Martens
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»Danke, Herbert.« Andrea schenkte ihm ein demütiges Lächeln. Froh darüber, daß er sie zum Arzt gehen ließ und ihr sogar Geld für Bus und Apotheke gegeben hatte, dachte sie nicht mehr daran, wie sie von diesem Mann ausgenutzt wurde. Sie legte die Arme um seinen Nacken. »Ich werde mich beeilen«, versprach sie und küßte ihn.
»Schon gut, schon gut«, wehrte er ab, stand auf. »Ich fahre zur Brauerei. Es gibt was wegen der letzten Bierlieferung zu klären.«
Die junge Frau zog sich in aller Eile um. Viel Auswahl hatte sie nicht, doch sie wollte wenigstens sauber angezogen zum Arzt kommen. Flüchtig fuhr sie sich mit dem Kamm durch die Haare, griff nach ihrer Handtasche und verließ das Haus. Zur Bushaltestelle war es nicht weit. Wenn sie Glück hatte, erwischte sie noch den nächsten Bus.
Es war kurz vor elf, als Andrea die Praxis von Dr. Baumann betrat. Tina Martens blickte ihr freundlich entgegen. »Guten Morgen«, grüßte sie. »Haben Sie einen Termin?« Sie konnte sich nicht erinnern, diese Frau je zuvor gesehen zu haben.
»Nein, ich habe keinen Termin«, erwiderte Andrea Stanzl und nannte ihren Namen. »Ich bin auch bisher noch nicht bei Doktor Baumann in Behandlung gewesen. Ein Gast meines Freundes hat einmal seinen Namen erwähnt und gesagt, um was für einen guten Arzt es sich bei ihm handeln würde.«
So etwas hatte Tina schon oft gehört. »Haben Sie Beschwerden?« erkundigte sie sich.
»Ja, sehr starke Knieschmerzen.«
»Gut, setzen Sie sich bitte ins Wartezimmer. Allerdings wird es mindestens eine Stunde dauern, bis Sie an der Reihe sind, Frau Stanzl.« Tina lächelte ihr zu. »Haben Sie Ihr Versicherungskärtchen dabei?«
»Ja.« Andrea zog es aus der Handtasche. »Wo geht es zum Wartezimmer?«
Tina wies ihr den Weg, dann widmete sie sich dem Mann, der nach Andrea die Praxis betreten hatte, und fragte ihn, ob es ihm inzwischen wieder bessergehen würde.
»Meine Magenschmerzen sind fast verschwunden«, antwortete er strahlend. »Sieht aus, als könnte der Herr Doktor zaubern.«
Die junge Frau öffnete die Tür zum Wartezimmer. Sie murmelte einen undeutlichen Gruß und durchquerte mit gesenktem Kopf den Raum. Ohne aufzublicken nahm sie auf einem Stuhl Platz, der in der äußersten Ecke stand. Nahe der Tür saßen zwei sehr gut aussehende Männer, die sich leise miteinander unterhielten. Andrea war überzeugt, daß sie über sie sprachen.
Franziska Löbl betrat das Wartezimmer. Sie nickte den Patienten grüßend zu, dann ging sie zu einem älteren Mann und berührte dessen Arm.
»Bin ich an der Reihe?« fragte er und schaute auf.
Die junge Krankengymnastin nickte. Seit einem Unfall in ihrer Kindheit konnte sie nicht mehr sprechen, aber es war ihr mit Hilfe ihrer Familie gelungen, über dieses Handikap zu siegen. Die Patienten von Dr. Baumann hatten sich daran gewöhnt, daß sie sich mit ihnen nur schriftlich verständigen konnte. Es gab kaum einen unter ihnen, der sich daran störte.
Franziska schaute zu Andrea Stanzl hinüber. Ihr fiel auf, wie traurig und verloren die junge Frau wirkte. »Bitte, warten Sie einen Augenblick«, bat sie ihren Patienten schriftlich, nachdem sie ihn in den Behandlungsraum geführt hatte. Sie ging hinaus, um mit Dr. Baumann zu sprechen, der in der Aufnahme in einer Krankenkartei blätterte.
»Wartest du auf mich, Franziska?« fragte der Arzt, als er sich umdrehte und die Krankengymnastin hinter ihm stand.
Sie nickte.
»Dann komm.« Gemeinsam gingen sie in sein Sprechzimmer.
Franziska schrieb rasch etwas auf ihren Block und reichte ihn Eric.
»Du meinst also, ich sollte die junge Dame nicht so lange warten lassen«, sagte er. »Fragt sich nur, wann sie an der Reihe ist. Ohne zwingenden Grund kann ich nicht einfach einen Patienten den anderen vorziehen.«
Die Krankengymnastin griff erneut nach ihrem Stift. »Sie sieht aus, als würde alles Leid der Welt auf ihren Schultern lasten«, schrieb sie. »Ich habe nie zuvor einen Menschen kennengelernt, der auf mich so einen verlorenen Eindruck gemacht hätte.«
»Also gut, ich werde sehen, was ich machen kann«, versprach er. »Doch erst einmal muß ich mich bei Tina erkundigen, um wen es sich handelt.«
»Danke«, formte Franziska mit der Hand, winkte ihm zu und kehrte zu ihrem Patienten zurück. Sie sah noch, wie Eric zum Schreibtisch trat, um per Wechselsprecher Tina zu sich zu bitten.
Es überraschte Andrea Stanzl, daß sie bedeutend früher als erwartet aufgerufen wurde. Hastig griff sie nach ihrer Handtasche und trat in den Gang hinaus. Tina zeigte ihr, wo es zum Sprechzimmer ging.
Dr. Baumann kam ihr entgegen. Franziska hatte nicht übertrieben. Die junge Frau strahlte eine Traurigkeit aus, die auch sein Herz berührte. »Bitte, nehmen Sie Platz, Frau Stanzl«, bat er, nachdem er sie begrüßt hatte, und wies zu dem Stuhl, der seinem Schreibtisch gegenüberstand.
Andrea setzte sich auf die äußerste Kante des Stuhls. »Danke, daß Sie mich drannehmen, obwohl ich keinen Termin habe«, sagte sie und starrte auf ihre Hände.
»In dringenden Fällen ist das durchaus möglich«, erwiderte er. »Stammen Sie aus Tegernsee, Frau Stanzl?«
»Nein, ich komme aus München«, antwortete sie. »Ich lebe hier bei einem Freund. Er besitzt eine Gaststätte, nun ja, es handelt sich mehr um eine Kneipe. Ich helfe ihm bei der Arbeit.« Sie holte tief Luft. »Seit etwa vierzehn Tagen habe ich furchtbare Knieschmerzen. Manchmal kann ich vor Schmerzen nicht schlafen.«
Dr. Baumann nahm ein doppelseitiges Formular aus dem Schreibtisch. »Wenn ein Patient das erste Mal zu mir kommt, gibt es einige Fragen, die ich ihm stellen muß, damit ich mir ein Bild von ihm machen kann«, sagte er. »Es sind keine schlimmen Fragen, Sie können sie also unbesorgt beantworten.«
Andrea nickte. Sie gab ihm so gut sie konnte Auskunft. An ihre früheren Kinderkrankheiten erinnerte sie sich allerdings kaum, sie wußte nur noch, daß ihr Vater ständig geklagt hatte, daß man mit ihr nichts als Kummer und Sorgen hätte und sie ihn bestimmt ins frühe Grab bringen würde. »Mein Vater ist kurz vor seinem fünfunddreißigsten Geburtstag gestorben«, fügte sie hinzu.
»Ganz bestimmt nicht durch Ihre Schuld, Frau Stanzl«, meinte Dr. Baumann.
»Meine Mutter ist da anderer Ansicht gewesen und mein späterer Stiefvater ist auch der Meinung, daß man mich gleich nach meiner Geburt hätte ertränken müssen«, erwiderte Andrea. Wieder holte sie tief Luft. Sie spürte, daß sie Dr. Baumann vertrauen konnte. »Ich bin nie ein hübsches Kind gewesen, nicht einmal niedlich. Und jetzt sehe ich aus, als würde ich mich demnächst als Sumo-Ringer in Japan bewerben wollen. Kein Wunder, daß mich mein Stiefvater gleich nach dem Tod meiner Mutter auf die Straße gesetzt hat.«
»So etwas sollten Sie nicht einmal denken, Frau Stanzl.« Eric fragte sich empört, weshalb es manche Menschen darauf anlegen mußten, andere seelisch zu zerstören. »Sie sind nicht häßlich. Sie haben sogar ein hübsches Gesicht. Natürlich sollten Sie abnehmen. Wieviel wiegen Sie denn?«
»Fast hundert Kilo«, flüsterte die junge Frau. »Ich habe schon oft eine Schlankheitskur angefangen, sie jedoch nach kurzer Zeit jedesmal abgebrochen, weil ich mir gesagt habe, daß es