Night Team. Michael Connelly

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Night Team - Michael Connelly Red Eye

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ganze Lokal und den Eingang im Blick hatte. Dorthin setzte sich Ballard jedes Mal, wenn er frei war. Und in den meisten Nächten, in denen sie dazu kam, eine richtige Essenspause einzulegen, war es so spät, dass das Lokal fast leer war und sie unter den Tischen auswählen konnte.

      Sie saß Bosch gegenüber, der nur einen Kaffee bestellt hatte. Er erklärte ihr, dass es beim SFPD fast jeden Morgen Frühstücksburritos und Donuts gab und dass er zum 6-Uhr-Appell in die Station fahren wollte, um anschließend mit seinem Team den Durchsuchungsbeschluss zu vollstrecken.

      Ballard langte ordentlich zu. Sie hatte das Abendessen ausgelassen und war entsprechend hungrig. Auch sie bestellte Kaffee, aber im Gegensatz zu Bosch auch den Spezialteller Blau, der aus Pfannkuchen und Eiern mit Speck bestand. Während sie auf das Essen wartete, fragte sie Bosch nach den Filzkarten, die er im Auto durchgesehen hatte, während sie im Sirens gewesen war.

      »Es war keine dabei, die ich rausgelegt habe«, sagte er.

      »Sind Ihnen welche von einem Officer Farmer untergekommen?«, fragte sie. »Er hatte das Zeug zum Schriftsteller.«

      »Ich glaube nicht … Aber auf die Namen habe ich auch nicht groß geachtet. Meinen Sie Tim Farmer?«

      »Ja, haben Sie ihn gekannt?«

      »Wir waren zusammen auf der Akademie.«

      »Ich wusste gar nicht, dass er schon so alt war.«

      Ballard wurde sofort bewusst, was sie da gerade gesagt hatte.

      »Sorry«, entschuldigte sie sich deshalb rasch. »Ich habe mich nur gefragt, na ja, warum jemand, der schon so lang dabei ist, immer noch Streife fährt.«

      »Es gibt Typen, die kommen einfach nicht los vom Streifendienst«, sagte Bosch. »Wie es auch welche geben soll, die nicht von den Mordfällen loskommen. Sie wissen schon, dass er …«

      »Ja, weiß ich. Warum hat er das getan?«

      »Wer weiß? Er stand einen Monat vor seiner Pensionierung. Soviel ich gehört habe, war es eine Zwangspensionierung. Wäre er geblieben, hätten sie ihn an einen Schreibtisch verbannt. Deshalb hat er seinen Abschied eingereicht und in seiner letzten Dienstetappe den Stecker gezogen.«

      »Echt traurig.«

      »Das sind die meisten Selbstmorde.«

      »Mir hat gefallen, wie er geschrieben hat. Seine Beobachtungen auf den Filzkarten waren wie kleine Gedichte.«

      »Viele Dichter begehen Selbstmord.«

      »Mhm.«

      Ein Kellner brachte ihr Essen, und plötzlich war Ballard nicht mehr so hungrig. Sie bedauerte einen Mann, den sie nie kennengelernt hatte. Sie goss Sirup über ihre Pfannkuchen und begann trotzdem zu essen.

      »Hatten Sie nach der Akademie noch Kontakt?«, fragte sie.

      »Eigentlich nicht«, sagte Bosch. »Wir mochten uns zwar und haben uns auf Jahrgangstreffen gesehen, aber wir waren auf verschiedenen Dampfern. Das war damals nicht wie heute, mit Social Media und Facebook und so. Er war ursprünglich im Valley oben und ist erst nach Hollywood gekommen, als ich schon nicht mehr dort war.«

      Ballard nickte und stocherte in ihrem Essen herum. Die Pfannkuchen weichten immer mehr durch und waren nicht mehr sehr appetitanregend. Sie probierte die Eier.

      »Ich wollte Sie auch noch wegen King und Carswell fragen«, sagte sie. »Sie oder Soto haben doch sicher mit Ihnen gesprochen, bevor Sie hiermit angefangen haben.«

      »Ja, Lucia hat mit ihnen geredet«, sagte Bosch. »Zumindest mit einem von ihnen. King ist schon seit fünf Jahren in Pension und irgendwohin gezogen, wo sie weder Telefon noch Internet haben. Total ab vom Schuss. Sie hat sich die Postfachadresse besorgt, an die sie seine Pensionsschecks geschickt haben, und ihm einen Brief geschrieben, ob sie wegen des Falls mit ihm sprechen könnte. Sie wartet immer noch auf eine Antwort. Carswell ist auch pensioniert und arbeitet jetzt für die Bezirksstaatsanwaltschaft von Orange County als Ermittler. Lucia ist zu ihm runtergefahren, aber er hat sich nicht als besonders ergiebige Informationsquelle entpuppt. Konnte sich kaum an den Fall erinnern und hat ihr nur gesagt, dass alles, was er gewusst hat, im Mordbuch steht. Er hat nicht den Eindruck gemacht, als wollte er über einen Fall sprechen, den er nicht gelöst hat. Ich bin sicher, Sie kennen diesen Typ Polizisten.«

      »Ja. ›Wenn ich den Fall nicht lösen kann, kann das niemand.‹ Und was ist mit Adam Sands, dem Freund? Hat mit ihm noch mal einer von Ihnen gesprochen?«

      »Das ging nicht mehr. Er ist 2014 an einer Überdosis gestorben.«

      Ballard nickte. In Sands’ Fall kein überraschendes Ende, aber dennoch enttäuschend, weil er ihnen hätte helfen können, sich ein Bild von der Szene zu machen, in der Daisy Clayton unterwegs gewesen war. Außerdem hätten sie von ihm vielleicht die Namen von ein paar anderen Ausreißern und Bekannten aus der Szene bekommen können. Ballard wurde zunehmend klar, warum Bosch die Filzkarten so wichtig waren. Vielleicht waren sie ihre letzte Hoffnung.

      »Sonst noch was?«, fragte sie. »Ich nehme mal an, das Mordbuch hat Soto. Sonst noch was Wichtiges, was nicht in der Datenbank steht?«

      »Eigentlich nicht«, sagte Bosch. »King und Carswell haben sich nicht gerade groß reingehängt. Carswell hat Lucia gegenüber sogar geäußert, dass sie ihre Notizbücher erst gar nicht ins Mordbuch eingefügt haben, weil sowieso alles in den Berichten stand.«

      »Diesen Eindruck hatte ich auch, als ich online ins Buch geschaut habe.«

      »Apropos Buch, ich habe mit dem, was ich gemacht habe, ein zweites Buch angelegt.«

      »Das würde ich gern mal sehen.«

      »Ich hab’s im Auto. Erinnern Sie mich dran, dass ich es Ihnen gebe, wenn wir zurück sind. Nachdem Sie inzwischen offiziell involviert sind, sollten vielleicht von jetzt an Sie es führen.«

      »Klar, gern. Danke.«

      Bosch griff in eine Innentasche seines Sakkos und zog eine Filzkarte heraus. Er schob sie über den Tisch, damit Ballard sie lesen konnte.

      »Haben Sie nicht gesagt, es war keine interessante dabei?«

      »Schon«, sagte Bosch. »Aber die ist von vorher. Lesen Sie das mal.«

      Das tat sie. Die Karte war am 9. Februar 2009, mehrere Monate vor Daisy Claytons Ermordung, um 3:30 Uhr morgens ausgefüllt worden. Die kontrollierte Person war ein John McMullen, der 36 Jahre alt gewesen war, als er an der Kreuzung Western und Franklin Avenue vernommen wurde. McMullen war nicht vorbestraft. Der Karte zufolge fuhr er einen weißen Ford-Lieferwagen, der mit Bibelstellen und religiösen Sprüchen beschriftet und auf eine staatlich anerkannte Wohltätigkeitsorganisation namens Moonlight Mission zugelassen war.

      Der Lieferwagen hatte der Karte zufolge im Parkverbot gestanden, während McMullen auf dem Gehsteig Passanten ansprach und fragte, ob sie bei Jesus Christus Erlösung finden wollten. Diejenigen, die darauf verzichteten, wurden mit wüsten Beschimpfungen überschüttet, begleitet von düsteren Ankündigungen, dass sie beim bevorstehenden Anbruch der himmlischen Glückseligkeit übergangen würden.

      Auf der Rückseite der Karte stand: »Vernommener bezeichnet sich als Johannes der Täufer. Fährt auf der Suche nach Leuten, die sich taufen lassen möchten,

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