Bomba im Herzen Afrikas. Roy Rockwood
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„Der Löwe ist nicht schwer verwundet“, erklärte Bomba, als er sich nach einer Weile längere Zeit über eine Stelle am Boden gebeugt hatte. „Hier hat er geruht und seine Wunde geleckt. Dann ist er weitergezogen.“
Nach einer Weile blieb Bomba wieder stehen und beugte sich zu den Zweigen eines Busches nieder.
„Hier ist er vorbeigestreift“, erklärte er. „Seine Wunde blutet nicht mehr. Er ist schnell weitergezogen. Wahrscheinlich werden wir ihn erst am nächsten Wasserloch finden.“
Sie folgten jetzt der Fährte, so schnell sie konnten. Nach etwa einer Stunde blieb Bomba stehen und hob warnend die Hand.
„Die Fährte wird immer frischer“, flüsterte er, als die beiden an seine Seite traten. „Ich rieche auch schon Wasser. Der Löwe ist nicht mehr weit.“
In gespanntem Schweigen schlichen die drei Dschungeljäger weiter. Die Fährte des Löwen war deutlich zu erkennen, und bald sahen sie vor sich auch den Schilfrand eines Wasserloches. Als sie näherkamen, flog plötzlich ein Schwarm Wasservögel vom schlammigen Ufer hoch. Sonst blieb alles still.
Hier, an der großen Tränke vieler Urwaldtiere, kreuzten sich die Fährten der verschiedenartigsten Tiergattungen, und es war schwer, die Spur des Löwen herauszufinden. Bomba untersuchte sorgfältig und lautlos den Boden, während seine beiden nervösen Gefährten unruhig Umschau hielten.
Natürlich war es durchaus möglich, dass der Löwe weitergewandert war, nachdem er seinen Durst gelöscht hatte. Bomba war jedoch inzwischen schon mit den Gewohnheiten der großen Raubkatzen vertraut geworden, und er zweifelte nicht daran, dass der Löwe irgendwo im Schilfdickicht am Rande des Tümpels verborgen war. Er war noch dabei, die Fährte des Löwen aus dem Spurengewirr auszusondern, als Gibo einen Warnungsruf ausstieß.
„Der Löwe, Herr — da ist der Löwe!“
2 Die Stimme Simbas
Die Warnung wäre nicht notwendig gewesen, denn im gleichen Augenblick zerriss ein wildes Brüllen die Stille über dem Urwaldteich.
Bomba fuhr herum. Keine zehn Meter von ihnen entfernt war eine gelbbraune Gestalt im Schilfdickicht aufgetaucht. Der Leib des Raubtieres presste sich dicht gegen den Boden, der Schweif peitschte durch die Schilfstängel, und der gewaltige Rachen öffnete sich zu einem grimmigen Fauchen. Der Blick der bernsteingelben Augen war mit gefährlicher Ruhe auf die Menschen gerichtet. Wenn der Löwe sich fürchtete, so war davon jedenfalls nichts zu sehen.
Auf den ersten Blick erkannt Bomba, dass es der Löwe war, den er in der vergangenen Nacht mit dem Speer verwundet hatte. An der Schulter des Tieres war deutlich der Riss zu sehen, den sein Speer geschlagen hatte. Die Wunde mochte schmerzhaft sein, aber sie hatte den Löwen keineswegs geschwächt, und sie behinderte ihn gar nicht. Es war deutlich zu sehen, wie die mächtigen Muskelstränge unter dem Fell an der verwundeten Schulter ebenso geschmeidig spielten wie an der gesunden Schulter und an den Flanken.
Hinter Bombas Rücken war ein Felsblock, und Wafi rief furchtsam:
„Lauf hinter den Felsen, Herr, und wirf den Speer von dort.“
Aber Bomba gab keine Antwort und hielt den Blick fest auf den Löwen gerichtet. Es war merkwürdig: einen Moment lang schien der Blick dieser klaren, braunen Augen den Löwen zu verwirren. Er blinzelte und zögerte. Doch dann kroch er näher an die Stelle heran, von wo ihn der Sprung bis zu dem Felsen tragen konnte.
Gibo und Wafi hatten inzwischen hinter dem Steinblock Schutz gesucht und beobachteten atemlos die gefährliche Szene. Ihnen schien es so, als hätte Bomba eine seltsame Lähmung befallen. Warum warf er den Speer nicht? Der Körper des Löwen bot ein gutes und nahes Ziel. Hatte ihn etwa der bernsteingelbe Blick der Raubkatze verzaubert?
„Wirf den Speer, Bomba! Wirf!“, riefen sie beide zugleich. Doch Bomba blieb reglos stehen — und dann sprang der Löwe. Der zusammengekrümmte Körper streckte sich plötzlich zu einem mächtigen Sprung. Das Ganze spielte sich so schnell ab, dass weder Gibo noch Wafi später sagen konnten, wann Bomba sich zur Seite schnellte, um dem Sprung zu entgehen. Das Schaftende des Speeres hatte er in einem Spalt des Felsens festgeklemmt, und erst im letzten Sekundenbruchteil ließ er den Speer los.
Bomba brauchte ihn nicht zu schleudern. Mit der ganzen Wucht seines schweren Körpers und dem Schwung des Sprunges wurde der Löwe gegen die tödliche Speerspitze geworfen. Das scharfe Metall drang durch seine Brust und tief in den Körper hinein.
Das Brüllen und der Todeskampf des Löwen ließen den Boden rings um den Tümpel erbeben. Bomba war weiter zurückgewichen, um den wild um sich schlagenden Pranken zu entgehen, und jetzt wagten sich auch Gibo und Wafi wieder hinter dem Felsen hervor.
Als die Zuckungen des Löwen schwächer wurden und der schwere Kopf zur Seite sank, trat Gibo näher an den großen Körper heran und setzte einen Fuß auf die Flanke, in der noch ein letzter Rest von Lebenskraft bebte.
„Man könnte meinen, du hast den Löwen erlegt“, brummte Wafi, der insgeheim doch Gibos Mut bewunderte. Für ihn war immer noch der beste Löwe ein toter Löwe, und dieser dort bewegte sich ganz offensichtlich noch.
„Bomba hat sein Versprechen gehalten“, sagte Gibo prahlerisch. „Du siehst, Wafi —“
Im nächsten Augenblick sprang er mit einem gewaltigen Satz zur Seite, denn die Flanke auf der sein Fuß gestanden hatte, war von einem letzten starken Zucken erschüttert worden. Jetzt war Simba, der Löwe, wirklich tot.
„Ich sehe, du kannst gut springen, Freund Gibo.“ Wafi gluckste vor Vergnügen. „Wolltest du mir das zeigen?“
Gibo errötete unter der braunen Haut, während Bomba ruhig an den toten Körper herantrat und seinen Speer aus der Brust des Tieres zog.
„Es ist immer besser, vorsichtig zu sein“, verteidigte sich Gibo und hob den Blick.
Im nächsten Moment verzerrte sich sein Gesichtsausdruck zu einer Grimasse des Erschreckens.
„Aufgepasst, Herr!“ schrie er.
Durch das Unterholz kam eine Gruppe von Kriegern auf die Lichtung gestürmt.
3 Die bemalten Jäger
Bomba fuhr herum und hob instinktiv den Speer. Wafi folgte seinem Beispiel, und Gibo riss sein langes Buschmesser aus dem Gürtel.
Wer waren diese seltsam aussehenden Krieger?
Für kurze Zeit standen sich die beiden Gruppen wie erstarrt gegenüber, und Bomba versuchte, die Absichten dieser fremdartigen Männer zu erkennen. Plötzlich senkte er den Speer und wandte sich an seine beiden Gefährten.
„Ich glaube nicht, dass diese Männer gegen uns kämpfen wollen“, raunte er ihnen zu. „Aber wir müssen vorsichtig sein. Noch einmal sollen uns keine Kannibalen mit gespielter Freundlichkeit überlisten, um uns in ihre Gewalt zu bekommen. Behaltet die Männer scharf im Auge, aber droht nicht mit den Waffen. Wenn wir in Frieden mit ihnen auskommen können, dann wäre es umso besser