Italienische Reise. Johann Wolfgang Goethe

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Italienische Reise - Johann Wolfgang Goethe Reclam Taschenbuch

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mit Enthusiasmus zu beschreiben. Weil aber mein Publikum jene belobten Gegenstände im Rücken hatte und sich nicht ganz von mir abwenden wollte, so drehten sie auf einmal, jenen Vögeln gleich, die man Wendehälse nennt, die Köpfe herum, dasjenige mit Augen zu schauen, was ich ihren Ohren anpries, ja der Podestà selbst kehrte sich, obgleich mit etwas mehr Anstand, nach dem beschriebenen Bilde hin. Diese Szene kam mir so lächerlich vor, dass mein guter Mut sich vermehrte und ich ihnen nichts, am wenigsten den Efeu schenkte, der Fels und Gemäuer auf das reichste zu verzieren schon Jahrhunderte Zeit gehabt hatte.

      Der Aktuarius versetzte drauf, das lasse sich alles hören, aber Kaiser Joseph sei ein unruhiger Herr, der gewiss gegen die Republik Venedig noch manches Böse im Schilde führe, und ich möchte wohl sein Untertan, ein Abgeordneter sein, um die Grenzen auszuspähen.

      »Weit entfernt«, rief ich aus, »dem Kaiser anzugehören, darf ich mich wohl rühmen, so gut als ihr, Bürger einer Republik zu sein, welche zwar an Macht und Größe dem erlauchten Staat von Venedig nicht verglichen werden kann, aber doch auch sich selbst regiert und an Handelstätigkeit, Reichtum und Weisheit ihrer Vorgesetzten keiner Stadt in Deutschland nachsteht. Ich bin nämlich von Frankfurt am Main gebürtig, einer Stadt, deren Name und Ruf gewiss bis zu euch gekommen ist.«

      »Von Frankfurt am Main!«, rief eine hübsche junge Frau, »da könnt Ihr gleich sehen, Herr Podestà, was an dem Fremden ist, den ich für einen guten Mann halte; lasst den Gregorio rufen, der lange daselbst konditioniert hat, der wird am besten in der Sache entscheiden können.«

      Schon hatten sich die wohlwollenden Gesichter um mich her vermehrt, der erste Widerwärtige war verschwunden, und als nun Gregorio herbeikam, wendete sich die Sache ganz zu meinem Vorteil. Dieser war ein Mann etwa in den Funfzigen, ein braunes italienisches Gesicht, wie man sie kennt. Er sprach und betrug sich als einer, dem etwas Fremdes nicht fremd ist, erzählte mir sogleich, dass er bei Bolongaro in Diensten gestanden und sich freue, durch mich etwas von dieser Familie und von der Stadt zu hören, an die er sich mit Vergnügen erinnere. Glücklicherweise war sein Aufenthalt in meine jüngeren Jahre gefallen, und ich hatte den doppelten Vorteil, ihm genau sagen zu können, wie es zu seiner Zeit gewesen und was sich nachher verändert habe. Ich erzählte ihm von den sämtlichen italienischen Familien, deren mir keine fremd geblieben; er war sehr vergnügt, manches Einzelne zu hören, z. B. dass der Herr Allesina im Jahre 1774 seine goldene Hochzeit gefeiert, dass darauf eine Medaille geschlagen worden, die ich selbst besitze; er erinnerte sich recht wohl, dass die Gattin dieses reichen Handelsherrn eine geborne Brentano sei. Auch von den Kindern und Enkeln dieser Häuser wusste ich ihm zu erzählen, wie sie herangewachsen, versorgt, verheiratet worden und sich in Enkeln vermehrt hätten.

      Als ich ihm nun die genaueste Auskunft fast über alles gegeben, um was er mich befragt, wechselten Heiterkeit und Ernst in den Zügen des Mannes. Er war froh und gerührt, das Volk erheiterte sich immer mehr und konnte unserm Zwiegespräch zuzuhören nicht satt werden, wovon er freilich einen Teil erst in ihren Dialekt übersetzen musste.

      Zuletzt sagte er: »Herr Podestà, ich bin überzeugt, dass dieses ein braver, kunstreicher Mann ist, wohl erzogen, welcher herumreist, sich zu unterrichten. Wir wollen ihn freundlich entlassen, damit er bei seinen Landsleuten Gutes von uns rede und sie aufmuntere, Malçesine zu besuchen, dessen schöne Lage wohl wert ist, von Fremden bewundert zu sein.« Ich verstärkte diese freundlichen Worte durch das Lob der Gegend, der Lage und der Einwohner, die Gerichtspersonen als weise und vorsichtige Männer nicht vergessend.

      Dieses alles ward für gut erkannt, und ich erhielt die Erlaubnis, mit Meister Gregorio nach Belieben den Ort und die Gegend zu besehen. Der Wirt, bei dem ich eingekehrt war, gesellte sich nun zu uns und freute sich schon auf die Fremden, welche auch ihm zuströmen würden, wenn die Vorzüge Malçesines erst recht ans Licht kämen. Mit lebhafter Neugierde betrachtete er meine Kleidungsstücke, besonders aber beneidete er mich um die kleinen Terzerole, die man so bequem in die Tasche stecken konnte. Er pries diejenigen glücklich, die so schöne Gewehre tragen dürften, welches bei ihnen unter den peinlichsten Strafen verboten sei. Diesen freundlich Zudringlichen unterbrach ich einigemal, meinem Befreier mich dankbar zu erweisen. »Dankt mir nicht«, versetzte der brave Mann, »mir seid Ihr nichts schuldig. Verstünde der Podestà sein Handwerk und wäre der Aktuar nicht der eigennützigste aller Menschen, Ihr wäret nicht so losgekommen. Jener war verlegener als Ihr, und diesem hätte Eure Verhaftung, die Berichte, die Abführung nach Verona auch nicht einen Heller eingetragen. Das hat er geschwind überlegt, und Ihr wart schon befreit, ehe unsere Unterredung zu Ende war.«

      Gegen Abend holte mich der gute Mann in seinen Weinberg ab, der den See hinabwärts sehr wohlgelegen war. Uns begleitete sein funfzehnjähriger Sohn, der auf die Bäume steigen und mir das beste Obst brechen musste, indessen der Alte die reifsten Weintrauben aussuchte.

      Zwischen diesen beiden weltfremden, wohlwollenden Menschen, in der unendlichen Einsamkeit dieses Erdwinkels ganz allein, fühlte ich denn doch, wenn ich die Abenteuer des Tages überdachte, auf das lebhafteste, welch ein wunderliches Wesen der Mensch ist, dass er dasjenige, was er mit Sicherheit und Bequemlichkeit in guter Gesellschaft genießen könnte, sich oft unbequem und gefährlich macht, bloß aus der Grille, die Welt und ihren Inhalt sich auf seine besondere Weise zuzueignen.

      Gegen Mitternacht begleitete mich mein Wirt an die Barke, das Fruchtkörbchen tragend, welches mir Gregorio verehrt hatte, und so schied ich mit günstigem Wind von dem Ufer, welches mir lästrygonisch zu werden gedroht hatte.

      Nun von meiner Seefahrt! Sie endete glücklich, nachdem die Herrlichkeit des Wasserspiegels und des daran liegenden brescianischen Ufers mich recht im Herzen erquickt hatte. Da, wo an der Abendseite das Gebirge aufhört, steil zu sein, und die Landschaft flächer nach dem See fällt, liegen in einer Reihe, in einer Länge von ungefähr anderthalb Stunden, Gargnano, Boiacco, Cecina, Toscolan, Maderno, Verdom, Saló, alle auch wieder meist in die Länge gezogen. Keine Worte drücken die Anmut dieser so reich bewohnten Gegend aus. Früh um zehn Uhr landete ich in Bartolino, lud mein Gepäck auf ein Maultier und mich auf ein anderes. Nun ging der Weg über einen Rücken, der das Tal der Etsch von der Seevertiefung scheidet. Die Urwasser scheinen hier von beiden Seiten gegeneinander in ungeheuern Strömungen gewirkt und diesen kolossalen Kieseldamm aufgeführt zu haben. Fruchtbares Erdreich ward in ruhigern Epochen darüber geschlemmt; aber der Ackersmann ist doch stets aufs Neue von den immer wieder hervordringenden Geschieben geplagt. Man sucht soviel als möglich ihrer loszuwerden, baut sie reihen- und schichtenweise übereinander und bildet dadurch am Wege hin sehr dicke Quasimauern. Die Maulbeerbäume sehen wegen Mangel an Feuchtigkeit nicht fröhlich auf dieser Höhe. An Quellen ist nicht zu denken. Von Zeit zu Zeit trifft man Pfützen zusammengeleiteten Regenwassers, woraus die Maultiere, auch wohl die Treiber ihren Durst löschen. Unten am Flusse sind Schöpfräder angebracht, um die tieferliegenden Pflanzungen nach Gefallen zu wässern.

      Nun aber kann die Herrlichkeit der neuen Gegend, die man beim Herabsteigen übersieht, durch Worte nicht dargestellt werden. Es ist ein Garten meilenlang und -breit, der am Fuß hoher Gebirge und schroffer Felsen, ganz flach in der größten Reinlichkeit daliegt. Und so kam ich denn am 10. September gegen ein Uhr hier in Verona an, wo ich zuerst noch dieses schreibe, das zweite Stück meines Tagebuchs schließe und hefte und gegen Abend mit freudigem Geiste das Amphitheater zu sehen hoffe.

      Von der Witterung dieser Tage her melde ich Folgendes. Die Nacht vom neunten auf den zehnten war abwechselnd hell und bedeckt, der Mond behielt immer einen Schein um sich. Morgens gegen fünf Uhr überzog sich der ganze Himmel mit grauen, nicht schweren Wolken, die mit dem wachsenden Tage verschwanden. Je tiefer ich hinabkam, desto schöner war das Wetter. Wie nun gar in Bozen der große Gebirgsstock mitternächtlich blieb, zeigte die Luft eine ganz andere Beschaffenheit; man sah nämlich an den verschiedenen Landschaftsgründen, die sich gar lieblich durch ein etwas mehr oder weniger Blau voneinander absonderten, dass die Atmosphäre voll gleich ausgeteilter Dünste sei, welche sie zu tragen vermochte, und die daher weder als Tau oder Regen niederfielen, noch als Wolken sich sammelten. Wie ich weiter hinabkam, konnte ich deutlich

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