24 Stunden. Adam Hamilton
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Im Grunde sagen die Menschen damit: »Rette uns jetzt sofort, Jesus. Erlöse uns.«
Jesus schaut sich in der Stadt um, und als es Abend wird, geht er zurück nach Bethanien auf dem Ölberg, um dort zu übernachten (Markus 11,11)3. Am nächsten Tag geht er dann zum Tempel. Dort im Vorhof, wo jeder beten darf, sieht er, wie die Leute Waren kaufen und verkaufen, sodass der Tempel wie ein Marktplatz scheint. Jesus wird sichtlich zornig und ruft in die Menge: »Ihr wisst doch, was Gott in der Heiligen Schrift sagt: ›Mein Haus soll für alle Völker ein Ort des Gebets sein‹, ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht« (Markus 11,17).
Er wirft die Tische der Geldwechsler um, vertreibt die Händler (Matthäus 21,12) und zieht dadurch den Zorn der religiösen Führer auf sich, die im Tempel das Sagen haben.
Im Laufe der darauf folgenden Woche kommt Jesus jeden Tag wieder auf den Vorhof des Tempels und drängt in dem, was er dort sagt, immer heftiger auf Reformen im religiösen Leben, sodass sich genau diese religiösen Führer, die Pharisäer, provoziert fühlen. »Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer!«, sagt Jesus. »Ihr seid wie die gepflegten Grabstätten: von außen sauber und geschmückt, aber innen ist alles voll stinkender Verwesung« (Matthäus 23,27). Er kritisiert ihre geistliche Arroganz, ihre Verbohrtheit und die vielen Regeln ihres Glaubens, die nur dazu dienen, die verlorenen Menschen noch weiter vom Glauben an Gott zu entfremden. Im Grunde sagt er zu den Menschen: »Tut, was die religiösen Führer euch predigen, aber verhaltet euch nicht so wie sie; denn sie sind wie Blinde, die Blinde führen.«
Mit jedem Anklagepunkt und jeder Infragestellung ihrer inneren Einstellung provoziert Jesus die Schriftgelehrten, Pharisäer und Sadduzäer mehr. Jedes Mal, wenn er mit seinen Anhängern im Tempel auftaucht, nimmt die Anspannung zu. Am Donnerstag ist dann klar, dass die religiösen Führer in Jerusalem Pläne schmieden, Jesus umzubringen.
Die Vorbereitung des Passahmuhles
Am Donnerstagmittag trägt Jesus zweien seiner Jünger auf (in Lukas 21,8 heißt es, dass es Petrus und Johannes sind), in die Stadt zu gehen und das Passahmahl (Seder) vorzubereiten, das er und seine Jünger ganz unter sich feiern wollten.
Jesus sagt zu seinen Jüngern: »Geht in die Stadt ... Dort wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt. Diesem Mann folgt« (Markus 14,13). Das Wasserholen ist zu jener Zeit eigentlich Frauenarbeit, und deshalb fällt ein Mann, der Wasser holt, in den geschäftigen Straßen von Jerusalem schon auf.
Es gibt Menschen, die glauben, dass Jesus auf wundersame Weise gewusst hat, was ihm bevorstand. Andere sind der Meinung, dass er einfach im Voraus alles für das Passahmahl arrangiert hatte. Wie auch immer, Jesus sagt jedenfalls zu den beiden Jüngern: »Diesem Mann folgt, bis er in ein Haus geht. Dem Besitzer des Hauses sollt ihr sagen: ›Unser Lehrer lässt fragen: Wo ist der Raum, in dem er mit seinen Jüngern das Passahmahl feiern kann?« (Markus 14,14).
Nebenbei bemerkt, war jemand, der damals ein solches Haus besaß, reich und ging deshalb ein hohes Risiko damit ein, jemanden wie Jesus in sein Haus einzuladen. Er setzte dadurch seinen Reichtum, seinen Status und sogar sein Leben aufs Spiel.
Es verläuft jedenfalls alles genau so, wie es Jesus vorausgesagt hat. Petrus und Johannes bereiten im Obergeschoss des besagten Hauses – wahrscheinlich demselben Raum, in dem später zu Pfingsten 120 Jünger zusammenkommen, vom Heiligen Geist erfüllt werden und in anderen Sprachen reden – alles für das Passahmahl vor. Um 15.00 Uhr nachmittags bringen Petrus und Johannes wahrscheinlich ein Lamm in den Tempel, um es dort zu opfern, vermutlich zusammen mit Tausenden von Menschen, die ebenfalls im Laufe des Tages zu diesem Zweck dort hinkommen. Während die Menschen Psalmen singen, wird dem Lamm die Kehle durchgeschnitten, der Priester fängt das Blut in einem Gefäß auf und gießt es vor dem Altar aus. Ein anderer Priester schlachtet das Lamm, und Petrus und Johannes nehmen das Fleisch mit in die Küche in dem Obergeschoss des Hauses, wo das Lamm dann in Öl und Wein mariniert und drei bis vier Stunden gegart wird.
Gegen 19.00 Uhr kommen schließlich Jesus und die anderen Jünger zu Petrus und Johannes in das Obergeschoss, um mit ihnen zusammen das Mahl zu halten.
Das Passahmahl, das sie dort gemeinsam feiern, ist ein Mahl zur Erinnerung an Gottes zentrale Rettungstat am Volk Israel, ein Ereignis, das in 2. Mose 3–13 beschrieben wird.
Das Volk Israel ist seit 400 Jahren in der Sklaverei in Ägypten gefangen, als Gott Mose dazu beruft, sein Volk aus dieser Gefangenschaft zu befreien. Mose fordert den Pharao auf, sein Volk freizulassen, aber der ägyptische Herrscher weigert sich, woraufhin Gott den Ägyptern eine Reihe von Plagen schickt. Doch selbst danach ist der Herrscher von Ägypten nicht bereit einzulenken. Schließlich sagt Gott zu Mose, dass er den Ägyptern noch eine letzte furchtbare Plage schicken wird, nach der der Pharao das Volk Israel gehen lassen wird. Der Erstgeborene in jedem Haushalt und jedes erstgeborene Tier einer Herde in ganz Ägypten werden sterben.
In der Nacht, in der das geschehen wird, sollen die Israeliten Gott ein Lamm opfern und mit dem Blut dieses Lammes die Türpfosten ihrer Häuser bestreichen. Wenn dann der Engel des Todes an den Häusern vorbeigeht, wird er die Häuser auslassen, die mit dem Blut des Lammes gekennzeichnet sind, und die Erstgeborenen des Volkes Israel werden verschont. Das Opferlamm soll gekocht und gegessen werden, damit die Israeliten eine letzte Mahlzeit in Ägypten einnehmen, bevor sie befreit werden.
Und tatsächlich sucht der Tod in dieser Nacht das ganze Land heim, und zwar von der bescheidensten kleinen Wohnung bis hin zum Palast des Pharao. Am Morgen herrscht im ganzen Land Trauer, und angesichts dieser verheerenden Katastrophe gibt der Pharao endlich nach und befiehlt den Israeliten, Ägypten zu verlassen. Sie müssen sich in einer solchen Eile auf den Weg machen, dass keine Zeit mehr bleibt, den Sauerteig für Brot fertig durchsäuern zu lassen, damit die Brote später aufgehen, mit der Folge, dass sie ungesäuerte Brote mit auf die Flucht nehmen.
Die Flucht der Israeliten aus Ägypten ist dann der Beginn ihres langen Zugs durch die Wüste, der 40 Jahre lang dauern soll, und währenddessen aus den Israeliten ein Volk wird, das ins Gelobte Land geführt wird. Seit diesem Tag feiern die Israeliten jedes Jahr das Passahfest als Erinnerung und zum Gedenken an ihre Flucht aus der Gefangenschaft in Ägypten, und es wird nach der Speise, die es dabei gibt, auch »Fest der ungesäuerten Brote« genannt.
In 2. Mose 12 wird berichtet, wie Gott den Israeliten befiehlt, dieses Mahl zuzubereiten – nämlich das Lamm zu opfern und zu braten und ungesäuertes Brot und bittere Kräuter zu essen als Erinnerung an ihre Befreiung aus der Sklaverei.
»Es ist ein Mahl voller Symbole und Rituale«, sagt Rabbi Amy Katz, eine Freundin, mit der zusammen meine Frau LaVon und ich schon einmal das Passahmahl gefeiert haben, »und zwar von den Speisen, die es gibt, über die Art, wie sie gegessen werden, bis hin zu der Art, wie man sitzt.« LaVon und ich hatten die große Freude, mit Rabbi Katz ein wundervolles Passahmahl zu erleben, und zwar mit Rinderbrust, Hühnchenfleisch, Gemüse und einem köstlichen Dessert. Während des gesamten Mahls wurde immer wieder über die unterschiedlichen Speisen gesprochen, die symbolisch die Geschichte der Befreiung des Volkes Israels erzählen. Es gab bittere Kräuter – Meerrettich und Petersilie, die an all das Bittere erinnern sollen, was die Israeliten in der Sklaverei in Ägypten erlebt haben. Die Kräuter wurden in Salzwasser getaucht, das die Tränen der Israeliten symbolisierte. Wir aßen Charoset, eine pürierte Apfel-Mandelmischung, die den Mörtel symbolisiert, aus dem die Israeliten Ziegel für die Bauprojekte des Pharao herstellen mussten. Ein Ei erinnert, genau wie die Ostereier zum christlichen Osterfest, an neues Leben, daran, dass das Volk Israel einen Neuanfang erlebte. Das ungesäuerte Brot, die Matzen, erinnern daran, in welcher Eile das Volk Israel aus Ägypten fliehen musste. Das Lamm erinnert an das