24 Stunden. Adam Hamilton

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24 Stunden - Adam Hamilton

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vorbeiging. Und schließlich tranken wir noch vier kleine Becher Wein als Erinnerung an Gottes Versprechen, die Israeliten zu befreien (vgl. 2. Mose 6,6–7).

      Wir hatten um 19.00 Uhr mit dem Essen begonnen, und es war fast Mitternacht, als es zu Ende war. Unser Mahl war auf jeden Fall ganz ähnlich wie das Passahmahl, das Jesus zusammen mit seinen Jüngern hält. Die gleichen Bestandteile – der Wein, das ungesäuerte Brot, die bitteren Kräuter – stehen auch auf dem Tisch im Obergeschoss des Hauses bereit, in dem Jesus mit seinen Jüngern zusammenkommt.

      Doch dort werden das gute Essen, die tiefe Freundschaft untereinander und die Geschichte der Befreiung des Volkes Israels aus der Sklaverei dadurch getrübt, dass Jesus so bedrückt ist. Im Unterschied zu seinen Jüngern weiß er nämlich, dass er an diesem Abend zum letzten Mal mit ihnen zusammen das Passahmahl feiert.

      Dadurch, dass ich bei Rabbi Katz selbst so ein Mahl erlebt habe, verstehe ich jetzt – unter anderem – besser, warum die Jünger, die so spät noch so viel gegessen und getrunken haben, im Garten Gethsemane einschlafen, während Jesus betet, obwohl er sie gebeten hat, mit ihm zusammen wach zu bleiben.

      Außerdem hat mich dieses Passahmahl dazu veranlasst, mir die Berichte über das Letzte Abendmahl in den Evangelien noch einmal genauer anzuschauen. Johannes beschreibt es sehr genau und ausführlich und verfasst den wohl vollständigsten Bericht darüber, was Jesus an diesem Abend sagt. Interessanterweise ist der Bericht des Johannes der einzige in den vier Evangelien, der das Letzte Abendmahl als eine Art »Vor-Passah«-Mahl sieht. Er lässt Jesus genau zu der Tageszeit am Kreuz leiden, zu der die Passah-Lämmer geopfert werden (Johannes 19,14) – ein starkes Bild, durch das Johannes eine theologische Aussage macht.

      Es sind unterschiedlichste Versuche unternommen worden, diese beiden unterschiedlichen zeitlichen Abläufe in den verschiedenen Evangelien miteinander in Einklang zu bringen, und ich möchte es Ihnen als Lesern überlassen, sich selbst eine Meinung darüber zu bilden. Im Johannesevangelium sagt Jesus nicht: »Das tut zu meinem Gedächtnis.« Er beschreibt nicht das Brot und den Wein, sondern Johannes widmet fünf Kapitel der Beschreibung dessen, was Jesus während des Mahls lehrt und betet. In den Kapiteln 13 bis 17 des Johannesevangeliums stehen einige der beliebtesten Verse der Bibel, und es wird dort beispielsweise auch geschildert, wie Jesus durch sein eigenes Vorbild den Jüngern zeigt, dass im Reich Gottes Größe darin liegt, anderen zu dienen.

       Verrat und Buße: Sich vorbereiten

      Das Passahfest soll ein festlicher, fröhlicher Anlass sein, bei dem sich die Beteiligten freuen, wenn sie sich daran erinnern, dass Menschen, die einmal Sklaven gewesen sind, jetzt frei sind und endlich ein Volk werden, das Volk Gottes. Wenn das Letzte Abendmahl wirklich in einer solchen fröhlichen Stimmung begonnen hat, dann hat sich diese Stimmung im Laufe des Abends auf jeden Fall verändert. Auch abgesehen davon, dass Jesus ja bereits weiß, was ihm bevorsteht, liegt so etwas wie eine bange Vorahnung in der Luft. Die extremen Spannungen zwischen den religiösen Führern und Jesus sind allen Anwesenden nur zu bewusst. Alle, die sich im Raum befinden, fragen sich, was wohl mit Jesus passieren wird – und auch mit ihnen. Wird sein Auftreten im Tempel Konsequenzen haben? Wird er sich endlich selbst als Messias proklamieren?

      Jesus durchbricht diese bange Ungewissheit mit einer Aussage, die so elektrisierend ist, dass ihr Echo all die Jahrhunderte hindurch bis heute nachhallt. »Einer von euch«, sagt er und sieht sie in einer plötzlich auftretenden Stille bei dem Passahmahl an »... wird mich verraten« (Markus 14,18).

      Jesus weiß, wer von ihnen es sein wird, aber er sagt es nicht. »Meinst du etwa mich?«, fragt einer der Jünger ihn (Markus 14,19). »Es ist einer von euch Zwölfen, der mit mir das Brot in die Schüssel taucht« (Markus 14,20), sagt Jesus und meint vermutlich die Schüssel mit dem Charoset, die vor ihnen steht.

      Die Geschichte des Verrates zieht sich durch den gesamten Rest des Berichtes im Evangelium über die letzten 24 Stunden im Leben Jesu. Noch bevor die Nacht zu Ende ist, wird Judas Jesus verraten; Petrus wird ihn verleugnen und seine Jünger werden ihn im Stich lassen, sodass Jesus ganz und gar allein ist, als er in den Händen seiner Feinde ist und vor Gericht gestellt wird.

      Das Echo dieser Vorankündigung Jesu und der Akt des Verrates durch diejenigen, die ihm am nächsten stehen, lösen immer noch Fassungslosigkeit aus. In unserer Zeit, in der Gemeindeleiter Kinder missbrauchen, sich an Spendengeldern vergreifen und so manches mehr, ist uns aber klar, dass es solche Art von Verrat wohl immer gibt. Jesus hätte also eigentlich auch sagen können: »Ihr werdet mich alle verraten«; und wenn das so ist, müssen wir auch uns selbst anschauen.

      Wann sind Sie selbst Judas? Wann sind Sie Petrus oder einer der anderen Jünger? Wann haben Sie Jesus verraten, verleugnet oder ihn im Stich lassen? Tatsache ist, dass wir ihn alle irgendwann verraten – jeder von uns.

      Als ich vor ein paar Wochen in der Eingangshalle unserer Kirche Gottesdienstbesucher begrüßte, sah ich ein Ehepaar, das schon eine ganze Weile nicht mehr da gewesen war. Ich ging zu ihnen hin, um sie zu begrüßen, und sagte: »Schön, Sie zu sehen.« Daraufhin sagte der Mann: »Ich bin schon eine Weile nicht mehr da gewesen, weil ich etwas getan habe, womit ich Gott mit Sicherheit enttäuscht habe. Ich konnte mich einfach nicht überwinden, in den Gottesdienst zu kommen.« Dieser Mann könnte eigentlich jeder von uns sein. Wir enttäuschen Gott nämlich alle. Jeder von uns verrät ihn irgendwann.

      Wenn wir uns beim Abendmahl an dieses letzte gemeinsame Mahl von Jesus und seinen Jüngern erinnern, dann sollten wir auch an diesen Teil des Mahles denken; daran, wie Jesus den Verrat, die Verleugnung und das Verlassen beim Namen nennt, die auf sie alle zukommen. Ich nehme an, genau das ist auch der Grund, weshalb es in den Kirchen Tradition ist, vor dem Abendmahl zu Beichte und Buße aufzurufen. In der Abendmahlsliturgie vieler Kirchen gibt es ein Schuldbekenntnis, in dem davon die Rede ist, das wir »gesündigt haben mit Gedanken, Worten und Werken ... durch das, was wir getan haben und was wir unterlassen haben.«

      Ein ganzer Abschnitt im liturgischen Kirchenjahr der Christen ist dem Gedanken der Buße für unseren Verrat und unsere Leugnung gewidmet. Die Fastenzeit war in den Urgemeinden eine Zeit, in der Menschen, die Jesus Christus öffentlich geleugnet hatten, um der Verfolgung zu entgehen, öffentlich Buße taten, wieder in die Gemeinschaft aufgenommen wurden und wieder am Abendmahl teilnehmen durften.

      Wenn wir uns mit Buße und Wiederherstellung beschäftigen, dann sollten wir nicht vergessen, dass Jesus all seinen Jüngern die Füße wäscht (Johannes 13,3–5), obwohl er weiß, dass Judas ihn verraten wird, dass Petrus ihn verleugnen wird und dass die anderen ihn verlassen. Danach teilt er mit ihnen Brot und Wein – Brot, das für seinen Körper steht, und Wein, der für sein Blut steht. Obwohl er weiß, was seine Gefährten tun werden, sagt er zu ihnen: »Ich nenne euch nicht mehr Knechte ... ihr ... seid meine Freunde« (Johannes 15,15). Das tut er für sie alle – auch für Judas. Jesus schaut über ihren Verrat, ihre Sünden und ihr Versagen hinaus und nennt sie seine Freunde. Wir finden Trost in dem Wissen, dass das auch für uns gilt.

       »Das ist mein Leib ...« (Markus 14,22) Vom Passahmahl zum Abendmahl

      Nachdem Jesus angekündigt hat, dass er verraten werden wird, nimmt er den Matzen, also das ungesäuerte Brot, und segnet es. Was er aber dann sagt, sorgt bei seinen Jüngern für Ratlosigkeit und Verwirrung. Als er das Brot bricht und an seine Jünger weitergibt, sagt er: »Nehmt und esst! Das ist mein Leib« (Matthäus 26,26). Das gehört nicht zur Haggada – dem Text, der den Ablauf des Passahmahles nicht nur beschreibt, sondern auch erklärt –, sondern es handelt sich eher um einen verblüffenden Anschauungsunterricht.

      Jesus spricht ständig in Gleichnissen und verwendet Bilder,

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